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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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Thut in Crossen eine Gast-Predigt,
ter andern herrühren möchte. Jch stellte mich
zu rechter Zeit des Abends zuvor in Crossen ein. Die
gantze Nacht drauf war ein schrecklich Donner-
Wetter, daß niemand schlaffen kunte. Und
des Sonntags nach Mittag in der Vesper war
es sehr heiß und geschwüle, daß ich mein lebtag
in keiner Predigt so sehr, als in dieser, geschwitzet
habe. Doch hatte sie dem Patrono gar wohl ge-
fallen, so daß er gegen den Prediger, der des Mor-
gens substituiret, sich gleich nach der Predigt ver-
nehmen lassen: Diesen wolte er vociren und keinen
andern. Er hatte ein großes Wohlgefallen an
den Thematibus, so des Morgens von diesem
benachbarten Prediger, und in der Vesper von
mir pro concione waren abgehandelt worden.
Der ordinirte Morgen-Prediger hatte über seine
Predigt, und über das Evangelium die Uber-
schrifft gemacht: GOtt und genug; und
meine Uberschrifft, welche ich über die Epistel
an statt der Proposition machte, lautete: Nun
oder niemahls,
occasione verborum, als
wir denn nun Zeit haben.
Jch blieb bey
ihm die folgende Nacht bis auf den Montag zu
Mittage, binnen welcher Zeit, und sonderlich
beym Abend-Essen, er mich auf allerhand Weise
probirte. Nach der Predigt bekam er Briefe
und Zeitung von der glücklichen Weltberühmten
Schlacht bey Höchstädt, und discourirte mit

mir

Thut in Croſſen eine Gaſt-Predigt,
ter andern herruͤhren moͤchte. Jch ſtellte mich
zu rechter Zeit des Abends zuvor in Croſſen ein. Die
gantze Nacht drauf war ein ſchrecklich Donner-
Wetter, daß niemand ſchlaffen kunte. Und
des Sonntags nach Mittag in der Veſper war
es ſehr heiß und geſchwuͤle, daß ich mein lebtag
in keiner Predigt ſo ſehr, als in dieſer, geſchwitzet
habe. Doch hatte ſie dem Patrono gar wohl ge-
fallen, ſo daß er gegen den Prediger, der des Mor-
gens ſubſtituiret, ſich gleich nach der Predigt ver-
nehmen laſſen: Dieſen wolte er vociren und keinen
andern. Er hatte ein großes Wohlgefallen an
den Thematibus, ſo des Morgens von dieſem
benachbarten Prediger, und in der Veſper von
mir pro concione waren abgehandelt worden.
Der ordinirte Morgen-Prediger hatte uͤber ſeine
Predigt, und uͤber das Evangelium die Uber-
ſchrifft gemacht: GOtt und genug; und
meine Uberſchrifft, welche ich uͤber die Epiſtel
an ſtatt der Propoſition machte, lautete: Nun
oder niemahls,
occaſione verborum, als
wir denn nun Zeit haben.
Jch blieb bey
ihm die folgende Nacht bis auf den Montag zu
Mittage, binnen welcher Zeit, und ſonderlich
beym Abend-Eſſen, er mich auf allerhand Weiſe
probirte. Nach der Predigt bekam er Briefe
und Zeitung von der gluͤcklichen Weltberuͤhmten
Schlacht bey Hoͤchſtaͤdt, und diſcourirte mit

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[252/0298] Thut in Croſſen eine Gaſt-Predigt, ter andern herruͤhren moͤchte. Jch ſtellte mich zu rechter Zeit des Abends zuvor in Croſſen ein. Die gantze Nacht drauf war ein ſchrecklich Donner- Wetter, daß niemand ſchlaffen kunte. Und des Sonntags nach Mittag in der Veſper war es ſehr heiß und geſchwuͤle, daß ich mein lebtag in keiner Predigt ſo ſehr, als in dieſer, geſchwitzet habe. Doch hatte ſie dem Patrono gar wohl ge- fallen, ſo daß er gegen den Prediger, der des Mor- gens ſubſtituiret, ſich gleich nach der Predigt ver- nehmen laſſen: Dieſen wolte er vociren und keinen andern. Er hatte ein großes Wohlgefallen an den Thematibus, ſo des Morgens von dieſem benachbarten Prediger, und in der Veſper von mir pro concione waren abgehandelt worden. Der ordinirte Morgen-Prediger hatte uͤber ſeine Predigt, und uͤber das Evangelium die Uber- ſchrifft gemacht: GOtt und genug; und meine Uberſchrifft, welche ich uͤber die Epiſtel an ſtatt der Propoſition machte, lautete: Nun oder niemahls, occaſione verborum, als wir denn nun Zeit haben. Jch blieb bey ihm die folgende Nacht bis auf den Montag zu Mittage, binnen welcher Zeit, und ſonderlich beym Abend-Eſſen, er mich auf allerhand Weiſe probirte. Nach der Predigt bekam er Briefe und Zeitung von der gluͤcklichen Weltberuͤhmten Schlacht bey Hoͤchſtaͤdt, und diſcourirte mit mir

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/298>, abgerufen am 21.11.2024.