Thun, und verrücktes Wesen sehen und hören muß, so kan ich das lebendige Bild, so sich da- von in meinem Gehirne eindrückt, kaum in etli- chen Tagen mir wieder aus dem Sinne schlagen, und mich kaum enthalten, daß ich nicht zufahre, und es nachmache. Vor etliche 30. Jahren, wie hier die Operisten noch waren, ob ich gleich nur ein paar mahl in der Oper gewesen, so mochte ich doch nicht mehr hinein gehen, wenn man mich auch frey gehalten hätte; denn ich kunte die Stimme der Sängerinnen, welche Triller bis ins hohe C hinauf schlugen, in etlichen Ta- gen nicht aus dem Gemüthe bringen, und fehlte nicht viel, daß ich nicht in Gesellschafft anderer Leute ihnen nachzusingen anfieng. Es ist bald, wie mit manchem Kirchen-Liede, dessen Melodie und Weise einen anstecket, daß sie einem hernach den gantzen Tag über immer im Sinne liegt.
Mit dem lebendigen Bilde des Selbst- Mords ist es eben so beschaffen; Es komme nun in des Menschen Gemüthe, durch was vor Gelegenheit es wolle, doch nicht mit Willen und Fleiß von dem Menschen erweckt, sondern auf die Weise, die ich bisher bekannt gemacht habe. So ein Mann von starckem und har- tem Gemüthe unser seliger Lutherus gewesen, so müssen doch manchmal seine Feinde, und andere Zufälle ihm ein schwaches und hitziges Haupt
gemacht
und inſonderheitMelancholici
Thun, und verruͤcktes Weſen ſehen und hoͤren muß, ſo kan ich das lebendige Bild, ſo ſich da- von in meinem Gehirne eindruͤckt, kaum in etli- chen Tagen mir wieder aus dem Sinne ſchlagen, und mich kaum enthalten, daß ich nicht zufahre, und es nachmache. Vor etliche 30. Jahren, wie hier die Operiſten noch waren, ob ich gleich nur ein paar mahl in der Oper geweſen, ſo mochte ich doch nicht mehr hinein gehen, wenn man mich auch frey gehalten haͤtte; denn ich kunte die Stimme der Saͤngerinnen, welche Triller bis ins hohe C hinauf ſchlugen, in etlichen Ta- gen nicht aus dem Gemuͤthe bringen, und fehlte nicht viel, daß ich nicht in Geſellſchafft anderer Leute ihnen nachzuſingen anfieng. Es iſt bald, wie mit manchem Kirchen-Liede, deſſen Melodie und Weiſe einen anſtecket, daß ſie einem hernach den gantzen Tag uͤber immer im Sinne liegt.
Mit dem lebendigen Bilde des Selbſt- Mords iſt es eben ſo beſchaffen; Es komme nun in des Menſchen Gemuͤthe, durch was vor Gelegenheit es wolle, doch nicht mit Willen und Fleiß von dem Menſchen erweckt, ſondern auf die Weiſe, die ich bisher bekannt gemacht habe. So ein Mann von ſtarckem und har- tem Gemuͤthe unſer ſeliger Lutherus geweſen, ſo muͤſſen doch manchmal ſeine Feinde, und andere Zufaͤlle ihm ein ſchwaches und hitziges Haupt
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und inſonderheit Melancholici
Thun, und verruͤcktes Weſen ſehen und hoͤren
muß, ſo kan ich das lebendige Bild, ſo ſich da-
von in meinem Gehirne eindruͤckt, kaum in etli-
chen Tagen mir wieder aus dem Sinne ſchlagen,
und mich kaum enthalten, daß ich nicht zufahre,
und es nachmache. Vor etliche 30. Jahren,
wie hier die Operiſten noch waren, ob ich gleich
nur ein paar mahl in der Oper geweſen, ſo
mochte ich doch nicht mehr hinein gehen, wenn
man mich auch frey gehalten haͤtte; denn ich
kunte die Stimme der Saͤngerinnen, welche Triller
bis ins hohe C hinauf ſchlugen, in etlichen Ta-
gen nicht aus dem Gemuͤthe bringen, und fehlte
nicht viel, daß ich nicht in Geſellſchafft anderer
Leute ihnen nachzuſingen anfieng. Es iſt bald,
wie mit manchem Kirchen-Liede, deſſen Melodie
und Weiſe einen anſtecket, daß ſie einem hernach
den gantzen Tag uͤber immer im Sinne liegt.
Mit dem lebendigen Bilde des Selbſt-
Mords iſt es eben ſo beſchaffen; Es komme
nun in des Menſchen Gemuͤthe, durch was vor
Gelegenheit es wolle, doch nicht mit Willen
und Fleiß von dem Menſchen erweckt, ſondern
auf die Weiſe, die ich bisher bekannt gemacht
habe. So ein Mann von ſtarckem und har-
tem Gemuͤthe unſer ſeliger Lutherus geweſen, ſo
muͤſſen doch manchmal ſeine Feinde, und andere
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/365>, abgerufen am 22.11.2024.
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