Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

daß schwache Gemüther,
auch wieder befreyet worden. Was würden die
Welt-Kinder, setzte sie hinzu, geurtheilet haben,
wenn GOTT nicht solches bey mir gehindert?
da würde Halle, und das Zucht-Haus, und Arnds
Christenthum haben herhalten, und die Schuld
tragen müssen, als ob die Leute zur Verzweiffe-
lung, und zum Selbst-Mord dadurch verlei-
tet würden.

Eine recht sehr seltsame Sache ist es auch,
sowol bey hitzigen Fiebern, als auch bey andern
hitzigen Zufällen, sie mögen nun von Sorge,
Furcht, Melancholey, oder andern Kranckhei-
ten entstehen, daß die Leute, so damit behaff-
tet, des Nachts, wenn sie in der Angst und
Hitze da liegen, im Gemüthe verdrehet, und
irre werden, so daß es ihnen vorkommt, als ob
sie nicht allein, sondern als ob zwey Menschen
im Bette lägen. Jch kan davon aus eige-
ner Erfahrung zeugen. Da ich vor 3. Jahren
die Haemorrhoides coecas ziemlich starck hatte,
und manche Nacht nicht gar zu wohl davor schla-
fen kunte, deuchte mich einst auch, als ob wir
unserer zwey wären, und als ob derjenige, der
die Schmertzen hätte, ein anderer, als ich,
wäre. Nun, nun, dachte ich, wenn du
wilst die Schmertzen auf dich nehmen, so kan ich
ruhig schlafen, und schlief auch in Wahrheit
starck und feste, und der andere, oder vielmehr

ich
Y

daß ſchwache Gemuͤther,
auch wieder befreyet worden. Was wuͤrden die
Welt-Kinder, ſetzte ſie hinzu, geurtheilet haben,
wenn GOTT nicht ſolches bey mir gehindert?
da wuͤrde Halle, und das Zucht-Haus, und Arnds
Chriſtenthum haben herhalten, und die Schuld
tragen muͤſſen, als ob die Leute zur Verzweiffe-
lung, und zum Selbſt-Mord dadurch verlei-
tet wuͤrden.

Eine recht ſehr ſeltſame Sache iſt es auch,
ſowol bey hitzigen Fiebern, als auch bey andern
hitzigen Zufaͤllen, ſie moͤgen nun von Sorge,
Furcht, Melancholey, oder andern Kranckhei-
ten entſtehen, daß die Leute, ſo damit behaff-
tet, des Nachts, wenn ſie in der Angſt und
Hitze da liegen, im Gemuͤthe verdrehet, und
irre werden, ſo daß es ihnen vorkommt, als ob
ſie nicht allein, ſondern als ob zwey Menſchen
im Bette laͤgen. Jch kan davon aus eige-
ner Erfahrung zeugen. Da ich vor 3. Jahren
die Hæmorrhoides cœcas ziemlich ſtarck hatte,
und manche Nacht nicht gar zu wohl davor ſchla-
fen kunte, deuchte mich einſt auch, als ob wir
unſerer zwey waͤren, und als ob derjenige, der
die Schmertzen haͤtte, ein anderer, als ich,
waͤre. Nun, nun, dachte ich, wenn du
wilſt die Schmertzen auf dich nehmen, ſo kan ich
ruhig ſchlafen, und ſchlief auch in Wahrheit
ſtarck und feſte, und der andere, oder vielmehr

ich
Y
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0383" n="337"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">daß &#x017F;chwache Gemu&#x0364;ther,</hi></fw><lb/>
auch wieder befreyet worden. Was wu&#x0364;rden die<lb/>
Welt-Kinder, &#x017F;etzte &#x017F;ie hinzu, geurtheilet haben,<lb/>
wenn <hi rendition="#g">GOTT</hi> nicht &#x017F;olches bey mir gehindert?<lb/>
da wu&#x0364;rde Halle, und das Zucht-Haus, und Arnds<lb/>
Chri&#x017F;tenthum haben herhalten, und die Schuld<lb/>
tragen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, als ob die Leute zur Verzweiffe-<lb/>
lung, und zum Selb&#x017F;t-Mord dadurch verlei-<lb/>
tet wu&#x0364;rden.</p><lb/>
        <p>Eine recht &#x017F;ehr &#x017F;elt&#x017F;ame Sache i&#x017F;t es auch,<lb/>
&#x017F;owol bey hitzigen Fiebern, als auch bey andern<lb/>
hitzigen Zufa&#x0364;llen, &#x017F;ie mo&#x0364;gen nun von Sorge,<lb/>
Furcht, Melancholey, oder andern Kranckhei-<lb/>
ten ent&#x017F;tehen, daß die Leute, &#x017F;o damit behaff-<lb/>
tet, des Nachts, wenn &#x017F;ie in der Ang&#x017F;t und<lb/>
Hitze da liegen, im Gemu&#x0364;the verdrehet, und<lb/>
irre werden, &#x017F;o daß es ihnen vorkommt, als ob<lb/>
&#x017F;ie nicht allein, &#x017F;ondern als ob zwey Men&#x017F;chen<lb/>
im Bette la&#x0364;gen. Jch kan davon aus eige-<lb/>
ner Erfahrung zeugen. Da ich vor 3. Jahren<lb/>
die <hi rendition="#aq">Hæmorrhoides c&#x0153;cas</hi> ziemlich &#x017F;tarck hatte,<lb/>
und manche Nacht nicht gar zu wohl davor &#x017F;chla-<lb/>
fen kunte, deuchte mich ein&#x017F;t auch, als ob wir<lb/>
un&#x017F;erer zwey wa&#x0364;ren, und als ob derjenige, der<lb/>
die Schmertzen ha&#x0364;tte, ein anderer, als ich,<lb/>
wa&#x0364;re. Nun, nun, dachte ich, wenn du<lb/>
wil&#x017F;t die Schmertzen auf dich nehmen, &#x017F;o kan ich<lb/>
ruhig &#x017F;chlafen, und &#x017F;chlief auch in Wahrheit<lb/>
&#x017F;tarck und fe&#x017F;te, und der andere, oder vielmehr<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y</fw><fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[337/0383] daß ſchwache Gemuͤther, auch wieder befreyet worden. Was wuͤrden die Welt-Kinder, ſetzte ſie hinzu, geurtheilet haben, wenn GOTT nicht ſolches bey mir gehindert? da wuͤrde Halle, und das Zucht-Haus, und Arnds Chriſtenthum haben herhalten, und die Schuld tragen muͤſſen, als ob die Leute zur Verzweiffe- lung, und zum Selbſt-Mord dadurch verlei- tet wuͤrden. Eine recht ſehr ſeltſame Sache iſt es auch, ſowol bey hitzigen Fiebern, als auch bey andern hitzigen Zufaͤllen, ſie moͤgen nun von Sorge, Furcht, Melancholey, oder andern Kranckhei- ten entſtehen, daß die Leute, ſo damit behaff- tet, des Nachts, wenn ſie in der Angſt und Hitze da liegen, im Gemuͤthe verdrehet, und irre werden, ſo daß es ihnen vorkommt, als ob ſie nicht allein, ſondern als ob zwey Menſchen im Bette laͤgen. Jch kan davon aus eige- ner Erfahrung zeugen. Da ich vor 3. Jahren die Hæmorrhoides cœcas ziemlich ſtarck hatte, und manche Nacht nicht gar zu wohl davor ſchla- fen kunte, deuchte mich einſt auch, als ob wir unſerer zwey waͤren, und als ob derjenige, der die Schmertzen haͤtte, ein anderer, als ich, waͤre. Nun, nun, dachte ich, wenn du wilſt die Schmertzen auf dich nehmen, ſo kan ich ruhig ſchlafen, und ſchlief auch in Wahrheit ſtarck und feſte, und der andere, oder vielmehr ich Y

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/383
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/383>, abgerufen am 26.06.2024.