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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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daß sie es thun möchten.
gen Umständen davon geredet werden, und sitzt
einer wohl in Gesellschafft der die Disposition
dazu schon lange Zeit im Leibe getragen, und
davon nicht reden hören kan, noch daran den-
cken darff, ja kaum weiß, wie er, wenn er da-
von reden hören, ohne Ausbruch dieser Kranck-
heit die Treppe hinunter und nach Hause kom-
men soll. Von der Pest will ich nichts sagen.
Unser seliger Rivinus hat schon, wie oben gemel-
det, gezeiget, daß die Furcht zur Zeit der Pest,
weil die Leute davon die Mäuler nicht halten
können, die meisten Menschen mit diesem Ubel
anstecke. Die Hamburger satzten vor einigen
Jahren noch in die Zeitung, wieviel alle Wochen
an der Pest mehr stürben, damit ja das Ubel samt
der Furcht noch mehr überhand nähme. So gehts
auch den andern Leuten, die mit der Furcht des
Selbst-Mordes geplaget werden. Hören sie
in Gesellschafften davon reden, und noch dazu mit
vielen Umständen; so möchten sie beynahe vor
Furcht und Zittern ohnmächtig werden. Jch
gedencke ietzund an die selige Frau Richterin,
die eine große Wohlthäterin der Armen war, aber
gantz ungemein mit der Miltzsucht, und mit der
Furcht des Selbst-Mordes viel lange Jahre,
insonderheit nach ihres Mannes Tode, den sie
vielleicht gar zu sehr mochte zu Hertzen genom-
men haben, gemartert wurde. Man kunte

sie

daß ſie es thun moͤchten.
gen Umſtaͤnden davon geredet werden, und ſitzt
einer wohl in Geſellſchafft der die Diſpoſition
dazu ſchon lange Zeit im Leibe getragen, und
davon nicht reden hoͤren kan, noch daran den-
cken darff, ja kaum weiß, wie er, wenn er da-
von reden hoͤren, ohne Ausbruch dieſer Kranck-
heit die Treppe hinunter und nach Hauſe kom-
men ſoll. Von der Peſt will ich nichts ſagen.
Unſer ſeliger Rivinus hat ſchon, wie oben gemel-
det, gezeiget, daß die Furcht zur Zeit der Peſt,
weil die Leute davon die Maͤuler nicht halten
koͤnnen, die meiſten Menſchen mit dieſem Ubel
anſtecke. Die Hamburger ſatzten vor einigen
Jahren noch in die Zeitung, wieviel alle Wochen
an der Peſt mehr ſtuͤrben, damit ja das Ubel ſamt
der Furcht noch mehr uͤberhand naͤhme. So gehts
auch den andern Leuten, die mit der Furcht des
Selbſt-Mordes geplaget werden. Hoͤren ſie
in Geſellſchafften davon reden, und noch dazu mit
vielen Umſtaͤnden; ſo moͤchten ſie beynahe vor
Furcht und Zittern ohnmaͤchtig werden. Jch
gedencke ietzund an die ſelige Frau Richterin,
die eine große Wohlthaͤterin der Armen war, aber
gantz ungemein mit der Miltzſucht, und mit der
Furcht des Selbſt-Mordes viel lange Jahre,
inſonderheit nach ihres Mannes Tode, den ſie
vielleicht gar zu ſehr mochte zu Hertzen genom-
men haben, gemartert wurde. Man kunte

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[352/0398] daß ſie es thun moͤchten. gen Umſtaͤnden davon geredet werden, und ſitzt einer wohl in Geſellſchafft der die Diſpoſition dazu ſchon lange Zeit im Leibe getragen, und davon nicht reden hoͤren kan, noch daran den- cken darff, ja kaum weiß, wie er, wenn er da- von reden hoͤren, ohne Ausbruch dieſer Kranck- heit die Treppe hinunter und nach Hauſe kom- men ſoll. Von der Peſt will ich nichts ſagen. Unſer ſeliger Rivinus hat ſchon, wie oben gemel- det, gezeiget, daß die Furcht zur Zeit der Peſt, weil die Leute davon die Maͤuler nicht halten koͤnnen, die meiſten Menſchen mit dieſem Ubel anſtecke. Die Hamburger ſatzten vor einigen Jahren noch in die Zeitung, wieviel alle Wochen an der Peſt mehr ſtuͤrben, damit ja das Ubel ſamt der Furcht noch mehr uͤberhand naͤhme. So gehts auch den andern Leuten, die mit der Furcht des Selbſt-Mordes geplaget werden. Hoͤren ſie in Geſellſchafften davon reden, und noch dazu mit vielen Umſtaͤnden; ſo moͤchten ſie beynahe vor Furcht und Zittern ohnmaͤchtig werden. Jch gedencke ietzund an die ſelige Frau Richterin, die eine große Wohlthaͤterin der Armen war, aber gantz ungemein mit der Miltzſucht, und mit der Furcht des Selbſt-Mordes viel lange Jahre, inſonderheit nach ihres Mannes Tode, den ſie vielleicht gar zu ſehr mochte zu Hertzen genom- men haben, gemartert wurde. Man kunte ſie

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/398>, abgerufen am 22.11.2024.