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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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und die sonst nicht so offt
Stadt auf solcher Reise den Rücken zukehret.
So natürlich, als es also zugehet, daß ein
Mensch, der viel säufft, die Schwindsucht,
die Wassersucht, und andere Kranckheiten be-
kömmt; so natürlich geht es zu, daß seine
Seele in die ewige Höllen-Pein nach dem Tode
verfällt, wenn sie in Sünden von hinnen schei-
det. Die Sünder, wenn sie von GOTTes
Zorn und Strafen der Sünden reden hören,
dencken nur, wenns hoch kommt, an lauter
willkührliche Strafen GOttes, und stellen
sich immer bloß unsern GOtt nur vor, wie ei-
nen Richter, der einem Diebe, der den Gal-
gen verdienet, das Leben noch schenckt, und
manchmahl aus Gnaden noch lauffen läst; sie
dencken aber selten an die natürlichen Stra-
fen, welche, sie mögen nun zeitlich, oder ewig
seyn, großen Theils mit der Sünde durch ein
natürliches Band verknüpfft sind, welche GOtt
unmöglich vergeben kan, wo sie der Mensch
nicht ableget, und wo er nicht sein Hertze da-
von durch Haß und Reue losreißt, und sein
Vertrauen auf GOttes Gnade setzet; so daß
es eine Contradictionem in adjecto, und einen
Widerspruch in sich selbst in sich schließet, daß
ein Sünder soll in GOtt, als in dem höch-
sten Gute, seine ewige Freude und Ergötzung
finden, von dem er weglauffet, den er verach-

tet,

und die ſonſt nicht ſo offt
Stadt auf ſolcher Reiſe den Ruͤcken zukehret.
So natuͤrlich, als es alſo zugehet, daß ein
Menſch, der viel ſaͤufft, die Schwindſucht,
die Waſſerſucht, und andere Kranckheiten be-
koͤmmt; ſo natuͤrlich geht es zu, daß ſeine
Seele in die ewige Hoͤllen-Pein nach dem Tode
verfaͤllt, wenn ſie in Suͤnden von hinnen ſchei-
det. Die Suͤnder, wenn ſie von GOTTes
Zorn und Strafen der Suͤnden reden hoͤren,
dencken nur, wenns hoch kommt, an lauter
willkuͤhrliche Strafen GOttes, und ſtellen
ſich immer bloß unſern GOtt nur vor, wie ei-
nen Richter, der einem Diebe, der den Gal-
gen verdienet, das Leben noch ſchenckt, und
manchmahl aus Gnaden noch lauffen laͤſt; ſie
dencken aber ſelten an die natuͤrlichen Stra-
fen, welche, ſie moͤgen nun zeitlich, oder ewig
ſeyn, großen Theils mit der Suͤnde durch ein
natuͤrliches Band verknuͤpfft ſind, welche GOtt
unmoͤglich vergeben kan, wo ſie der Menſch
nicht ableget, und wo er nicht ſein Hertze da-
von durch Haß und Reue losreißt, und ſein
Vertrauen auf GOttes Gnade ſetzet; ſo daß
es eine Contradictionem in adjecto, und einen
Widerſpruch in ſich ſelbſt in ſich ſchließet, daß
ein Suͤnder ſoll in GOtt, als in dem hoͤch-
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finden, von dem er weglauffet, den er verach-

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[524/0570] und die ſonſt nicht ſo offt Stadt auf ſolcher Reiſe den Ruͤcken zukehret. So natuͤrlich, als es alſo zugehet, daß ein Menſch, der viel ſaͤufft, die Schwindſucht, die Waſſerſucht, und andere Kranckheiten be- koͤmmt; ſo natuͤrlich geht es zu, daß ſeine Seele in die ewige Hoͤllen-Pein nach dem Tode verfaͤllt, wenn ſie in Suͤnden von hinnen ſchei- det. Die Suͤnder, wenn ſie von GOTTes Zorn und Strafen der Suͤnden reden hoͤren, dencken nur, wenns hoch kommt, an lauter willkuͤhrliche Strafen GOttes, und ſtellen ſich immer bloß unſern GOtt nur vor, wie ei- nen Richter, der einem Diebe, der den Gal- gen verdienet, das Leben noch ſchenckt, und manchmahl aus Gnaden noch lauffen laͤſt; ſie dencken aber ſelten an die natuͤrlichen Stra- fen, welche, ſie moͤgen nun zeitlich, oder ewig ſeyn, großen Theils mit der Suͤnde durch ein natuͤrliches Band verknuͤpfft ſind, welche GOtt unmoͤglich vergeben kan, wo ſie der Menſch nicht ableget, und wo er nicht ſein Hertze da- von durch Haß und Reue losreißt, und ſein Vertrauen auf GOttes Gnade ſetzet; ſo daß es eine Contradictionem in adjecto, und einen Widerſpruch in ſich ſelbſt in ſich ſchließet, daß ein Suͤnder ſoll in GOtt, als in dem hoͤch- ſten Gute, ſeine ewige Freude und Ergoͤtzung finden, von dem er weglauffet, den er verach- tet,

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/570>, abgerufen am 26.06.2024.