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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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und andre in große Verwunderung
lassen, und dieselbe allen andern Dingen vor-
ziehen, auch denen, deren wir in diesem Leben
ermangeln müssen. Ein Krancker, der gerne
gesund seyn möchte, wird sein Geld und Guth
und alle seine Ehre mit geringen, und vielleicht
mit verächtlichen Augen ansehen, und gerne ei-
nen großen Abbruch derselben leiden, daferne er
seiner Gesundheit ein größeres Maaß hinzuse-
tzen könte. Das bedachte Herr N. nicht.
Denn alß, wie oben gemeldet, Anno 1713. einige
Vornehme des Raths mich überfielen- und tra-
cti
rten, so fragte er mich einst in Beyseyn etli-
cher anderer, nachdem man bereits von Tische
aufgestanden: Was ich denn nun dächte, da
ich so große Ehre und Applausum noch beständig
vor andern Predigern allen in Leipzig hätte, ob
denn dieses nicht mein gantzes Hertze mit Ver-
gnügen und Freude erfüllte? Vielleicht that
er solches nur mich zu versuchen, um zu hören,
was ich darauf antworten würde. Jch ant-
wortete ihm aber kurtz, und sprach: Wenn ei-
ner nicht recht gesund ist, so deucht einen alles
geringe in der Welt, was andern hoch deucht;
und so viel Vergnügen dasselbe auch endlich noch
macht, so wird man dessen doch nicht recht froh,
wo man das nicht dabey hat, so einem fehlet.
Die Ehre, setzte ich auch hinzu, ist niemahls mein
Haupt-Theil und bonum gewesen, so ich in der

Welt

und andre in große Verwunderung
laſſen, und dieſelbe allen andern Dingen vor-
ziehen, auch denen, deren wir in dieſem Leben
ermangeln muͤſſen. Ein Krancker, der gerne
geſund ſeyn moͤchte, wird ſein Geld und Guth
und alle ſeine Ehre mit geringen, und vielleicht
mit veraͤchtlichen Augen anſehen, und gerne ei-
nen großen Abbruch derſelben leiden, daferne er
ſeiner Geſundheit ein groͤßeres Maaß hinzuſe-
tzen koͤnte. Das bedachte Herr N. nicht.
Denn alß, wie oben gemeldet, Anno 1713. einige
Vornehme des Raths mich uͤberfielen- und tra-
cti
rten, ſo fragte er mich einſt in Beyſeyn etli-
cher anderer, nachdem man bereits von Tiſche
aufgeſtanden: Was ich denn nun daͤchte, da
ich ſo große Ehre und Applauſum noch beſtaͤndig
vor andern Predigern allen in Leipzig haͤtte, ob
denn dieſes nicht mein gantzes Hertze mit Ver-
gnuͤgen und Freude erfuͤllte? Vielleicht that
er ſolches nur mich zu verſuchen, um zu hoͤren,
was ich darauf antworten wuͤrde. Jch ant-
wortete ihm aber kurtz, und ſprach: Wenn ei-
ner nicht recht geſund iſt, ſo deucht einen alles
geringe in der Welt, was andern hoch deucht;
und ſo viel Vergnuͤgen daſſelbe auch endlich noch
macht, ſo wird man deſſen doch nicht recht froh,
wo man das nicht dabey hat, ſo einem fehlet.
Die Ehre, ſetzte ich auch hinzu, iſt niemahls mein
Haupt-Theil und bonum geweſen, ſo ich in der

Welt
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[539/0585] und andre in große Verwunderung laſſen, und dieſelbe allen andern Dingen vor- ziehen, auch denen, deren wir in dieſem Leben ermangeln muͤſſen. Ein Krancker, der gerne geſund ſeyn moͤchte, wird ſein Geld und Guth und alle ſeine Ehre mit geringen, und vielleicht mit veraͤchtlichen Augen anſehen, und gerne ei- nen großen Abbruch derſelben leiden, daferne er ſeiner Geſundheit ein groͤßeres Maaß hinzuſe- tzen koͤnte. Das bedachte Herr N. nicht. Denn alß, wie oben gemeldet, Anno 1713. einige Vornehme des Raths mich uͤberfielen- und tra- ctirten, ſo fragte er mich einſt in Beyſeyn etli- cher anderer, nachdem man bereits von Tiſche aufgeſtanden: Was ich denn nun daͤchte, da ich ſo große Ehre und Applauſum noch beſtaͤndig vor andern Predigern allen in Leipzig haͤtte, ob denn dieſes nicht mein gantzes Hertze mit Ver- gnuͤgen und Freude erfuͤllte? Vielleicht that er ſolches nur mich zu verſuchen, um zu hoͤren, was ich darauf antworten wuͤrde. Jch ant- wortete ihm aber kurtz, und ſprach: Wenn ei- ner nicht recht geſund iſt, ſo deucht einen alles geringe in der Welt, was andern hoch deucht; und ſo viel Vergnuͤgen daſſelbe auch endlich noch macht, ſo wird man deſſen doch nicht recht froh, wo man das nicht dabey hat, ſo einem fehlet. Die Ehre, ſetzte ich auch hinzu, iſt niemahls mein Haupt-Theil und bonum geweſen, ſo ich in der Welt

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/585>, abgerufen am 26.06.2024.