Welt gesuchet. Jch fragte ihn wiederum: Wenn einer höchst durstig wäre, und vom Durst so gepeiniget würde, daß er schmachten möchte, ob ihm wohl die Ehre, oder Reichthum ein gros- ser Trost seyn, und seinen Durst löschen würde? Er würde alle seine Ehre und Reichthum vor eine Kanne-Bier, oder Wasser geben, und noch weni- ger würden ihn andere Dinge dargegen soulagiren, wenn er vollends dabey so ohnmächtig wäre, daß er nicht mehr trincken könte; gesetzt, daß er sich unter lauter eingeschenckten Bier- und Wein- Gläsern befände. Jch dachte: Sapienti sat, und ließ mich unbekümmert, ob er gewust, wo- hin ich ziehlete; denn unser Discours ward durch andere, so dazu kamen, unterbrochen.
§. 120.
Das ist das angenehme, was ich in mei- nem Predigt-Amte geschmecket und erfahren. Und wüste ich hiervon weiter nichts anzuführen, ich müste denn desjenigen Vortheils gedencken, den alle Prediger haben können, und worinnen sie, was die Glückseligkeit der Seelen anbelan- get, vor ihren Zuhörern, insonderheit vor denen, die mit vielen weltlichen und irrdischen Verrich- tungen überhäufft sind, einen großen Vorzug ha- ben, nemlich daß, weil sie, wo nicht täglich, doch wöchentlich sehr offt mit GOTTes Wort
umge-
geſetzt worden:
Welt geſuchet. Jch fragte ihn wiederum: Wenn einer hoͤchſt durſtig waͤre, und vom Durſt ſo gepeiniget wuͤrde, daß er ſchmachten moͤchte, ob ihm wohl die Ehre, oder Reichthum ein groſ- ſer Troſt ſeyn, und ſeinen Durſt loͤſchen wuͤrde? Er wuͤrde alle ſeine Ehre und Reichthum vor eine Kanne-Bier, oder Waſſer geben, und noch weni- ger wuͤrden ihn andere Dinge dargegen ſoulagiren, wenn er vollends dabey ſo ohnmaͤchtig waͤre, daß er nicht mehr trincken koͤnte; geſetzt, daß er ſich unter lauter eingeſchenckten Bier- und Wein- Glaͤſern befaͤnde. Jch dachte: Sapienti ſat, und ließ mich unbekuͤmmert, ob er gewuſt, wo- hin ich ziehlete; denn unſer Diſcours ward durch andere, ſo dazu kamen, unterbrochen.
§. 120.
Das iſt das angenehme, was ich in mei- nem Predigt-Amte geſchmecket und erfahren. Und wuͤſte ich hiervon weiter nichts anzufuͤhren, ich muͤſte denn desjenigen Vortheils gedencken, den alle Prediger haben koͤnnen, und worinnen ſie, was die Gluͤckſeligkeit der Seelen anbelan- get, vor ihren Zuhoͤrern, inſonderheit vor denen, die mit vielen weltlichen und irrdiſchen Verrich- tungen uͤberhaͤufft ſind, einen großen Vorzug ha- ben, nemlich daß, weil ſie, wo nicht taͤglich, doch woͤchentlich ſehr offt mit GOTTes Wort
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geſetzt worden:
Welt geſuchet. Jch fragte ihn wiederum:
Wenn einer hoͤchſt durſtig waͤre, und vom Durſt
ſo gepeiniget wuͤrde, daß er ſchmachten moͤchte,
ob ihm wohl die Ehre, oder Reichthum ein groſ-
ſer Troſt ſeyn, und ſeinen Durſt loͤſchen wuͤrde?
Er wuͤrde alle ſeine Ehre und Reichthum vor eine
Kanne-Bier, oder Waſſer geben, und noch weni-
ger wuͤrden ihn andere Dinge dargegen ſoulagiren,
wenn er vollends dabey ſo ohnmaͤchtig waͤre, daß
er nicht mehr trincken koͤnte; geſetzt, daß er ſich
unter lauter eingeſchenckten Bier- und Wein-
Glaͤſern befaͤnde. Jch dachte: Sapienti ſat,
und ließ mich unbekuͤmmert, ob er gewuſt, wo-
hin ich ziehlete; denn unſer Diſcours ward durch
andere, ſo dazu kamen, unterbrochen.
§. 120.
Das iſt das angenehme, was ich in mei-
nem Predigt-Amte geſchmecket und erfahren.
Und wuͤſte ich hiervon weiter nichts anzufuͤhren,
ich muͤſte denn desjenigen Vortheils gedencken,
den alle Prediger haben koͤnnen, und worinnen
ſie, was die Gluͤckſeligkeit der Seelen anbelan-
get, vor ihren Zuhoͤrern, inſonderheit vor denen,
die mit vielen weltlichen und irrdiſchen Verrich-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/586>, abgerufen am 22.11.2024.
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