sein Guth, das er im Kohlgarten hatte. Sie sahen die erbärmliche Gestalt meines Angesichtes, und vermutheten nichts Gutes. Wo ich mich recht besinne, so band ich ihnen mit Nachdruck ein, daferne ich meines Verstandes solte beraubet werden, so solten sie mir ja nicht zur Ader laßen; denn wo ein gewisser Kummer das Hertze eines Menschen beängstige, so würde durch das Ader- laßen das Gemüthe und der Leib nur noch schwä- cher, daß er Kummer und Sorge nicht ertragen könne. Ob ich gleich ehemahls dem noch be- kannten Bortenwürcker, wie ich oben erzehlet, vor übel gehabt, daß er Schlösser vor seine Fen- ster geleget, so war doch die Zaghafftigkeit, Furcht, und Einbildung bey mir so groß, daß ich eben dergleichen that, so bald ich des Abends nach Hause kam; aber ich ward vor meine Zaghaff- tigkeit und Mißtrauen dieselbe Nacht was rechts gezüchtiget. So elend die vorigen Nächte ge- wesen, so waren sie vor nichts zu rechnen gegen dieser Angst-vollen Nacht. Es quälte mein Gemüthe, daß ich durch Mißtrauen von GOtt wäre abgefallen, ob ich wohl sonsten nicht vor unrecht hielt, bey verletzten Phantasien und Ein- bildungen dasjenige zu thun, was den Ausbruch der verletzten Phantasie hemmen kan. Es schmieß, warff, und polterte in meiner Kammer, oder zum wenigsten in meiner Imagination, daß
mir
ſo damit verknuͤpffet,
ſein Guth, das er im Kohlgarten hatte. Sie ſahen die erbaͤrmliche Geſtalt meines Angeſichtes, und vermutheten nichts Gutes. Wo ich mich recht beſinne, ſo band ich ihnen mit Nachdruck ein, daferne ich meines Verſtandes ſolte beraubet werden, ſo ſolten ſie mir ja nicht zur Ader laßen; denn wo ein gewiſſer Kummer das Hertze eines Menſchen beaͤngſtige, ſo wuͤrde durch das Ader- laßen das Gemuͤthe und der Leib nur noch ſchwaͤ- cher, daß er Kummer und Sorge nicht ertragen koͤnne. Ob ich gleich ehemahls dem noch be- kannten Bortenwuͤrcker, wie ich oben erzehlet, vor uͤbel gehabt, daß er Schloͤſſer vor ſeine Fen- ſter geleget, ſo war doch die Zaghafftigkeit, Furcht, und Einbildung bey mir ſo groß, daß ich eben dergleichen that, ſo bald ich des Abends nach Hauſe kam; aber ich ward vor meine Zaghaff- tigkeit und Mißtrauen dieſelbe Nacht was rechts gezuͤchtiget. So elend die vorigen Naͤchte ge- weſen, ſo waren ſie vor nichts zu rechnen gegen dieſer Angſt-vollen Nacht. Es quaͤlte mein Gemuͤthe, daß ich durch Mißtrauen von GOtt waͤre abgefallen, ob ich wohl ſonſten nicht vor unrecht hielt, bey verletzten Phantaſien und Ein- bildungen dasjenige zu thun, was den Ausbruch der verletzten Phantaſie hemmen kan. Es ſchmieß, warff, und polterte in meiner Kammer, oder zum wenigſten in meiner Imagination, daß
mir
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0708"n="662"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">ſo damit verknuͤpffet,</hi></fw><lb/>ſein Guth, das er im Kohlgarten hatte. Sie<lb/>ſahen die erbaͤrmliche Geſtalt meines Angeſichtes,<lb/>
und vermutheten nichts Gutes. Wo ich mich<lb/>
recht beſinne, ſo band ich ihnen mit Nachdruck<lb/>
ein, daferne ich meines Verſtandes ſolte beraubet<lb/>
werden, ſo ſolten ſie mir ja nicht zur Ader laßen;<lb/>
denn wo ein gewiſſer Kummer das Hertze eines<lb/>
Menſchen beaͤngſtige, ſo wuͤrde durch das Ader-<lb/>
laßen das Gemuͤthe und der Leib nur noch ſchwaͤ-<lb/>
cher, daß er Kummer und Sorge nicht ertragen<lb/>
koͤnne. Ob ich gleich ehemahls dem noch be-<lb/>
kannten Bortenwuͤrcker, wie ich oben erzehlet,<lb/>
vor uͤbel gehabt, daß er Schloͤſſer vor ſeine Fen-<lb/>ſter geleget, ſo war doch die Zaghafftigkeit, Furcht,<lb/>
und Einbildung bey mir ſo groß, daß ich eben<lb/>
dergleichen that, ſo bald ich des Abends nach<lb/>
Hauſe kam; aber ich ward vor meine Zaghaff-<lb/>
tigkeit und Mißtrauen dieſelbe Nacht was rechts<lb/>
gezuͤchtiget. So elend die vorigen Naͤchte ge-<lb/>
weſen, ſo waren ſie vor nichts zu rechnen gegen<lb/>
dieſer Angſt-vollen Nacht. Es quaͤlte mein<lb/>
Gemuͤthe, daß ich durch Mißtrauen von GOtt<lb/>
waͤre abgefallen, ob ich wohl ſonſten nicht vor<lb/>
unrecht hielt, bey verletzten <hirendition="#aq">Phantaſi</hi>en und Ein-<lb/>
bildungen dasjenige zu thun, was den Ausbruch<lb/>
der verletzten <hirendition="#aq">Phantaſi</hi>e hemmen kan. Es<lb/>ſchmieß, warff, und polterte in meiner Kammer,<lb/>
oder zum wenigſten in meiner <hirendition="#aq">Imagination,</hi> daß<lb/><fwplace="bottom"type="catch">mir</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[662/0708]
ſo damit verknuͤpffet,
ſein Guth, das er im Kohlgarten hatte. Sie
ſahen die erbaͤrmliche Geſtalt meines Angeſichtes,
und vermutheten nichts Gutes. Wo ich mich
recht beſinne, ſo band ich ihnen mit Nachdruck
ein, daferne ich meines Verſtandes ſolte beraubet
werden, ſo ſolten ſie mir ja nicht zur Ader laßen;
denn wo ein gewiſſer Kummer das Hertze eines
Menſchen beaͤngſtige, ſo wuͤrde durch das Ader-
laßen das Gemuͤthe und der Leib nur noch ſchwaͤ-
cher, daß er Kummer und Sorge nicht ertragen
koͤnne. Ob ich gleich ehemahls dem noch be-
kannten Bortenwuͤrcker, wie ich oben erzehlet,
vor uͤbel gehabt, daß er Schloͤſſer vor ſeine Fen-
ſter geleget, ſo war doch die Zaghafftigkeit, Furcht,
und Einbildung bey mir ſo groß, daß ich eben
dergleichen that, ſo bald ich des Abends nach
Hauſe kam; aber ich ward vor meine Zaghaff-
tigkeit und Mißtrauen dieſelbe Nacht was rechts
gezuͤchtiget. So elend die vorigen Naͤchte ge-
weſen, ſo waren ſie vor nichts zu rechnen gegen
dieſer Angſt-vollen Nacht. Es quaͤlte mein
Gemuͤthe, daß ich durch Mißtrauen von GOtt
waͤre abgefallen, ob ich wohl ſonſten nicht vor
unrecht hielt, bey verletzten Phantaſien und Ein-
bildungen dasjenige zu thun, was den Ausbruch
der verletzten Phantaſie hemmen kan. Es
ſchmieß, warff, und polterte in meiner Kammer,
oder zum wenigſten in meiner Imagination, daß
mir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 662. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/708>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.