Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

einbildete, insonderheit
bräuchlich, einem Inquisito seine Privilegia Juris
zu entdecken, wenn er sich derselben selbst nicht zu
bedienen weiß; so hätte man doch leicht bey ei-
nem armen einfältigen Manne, der keinen Bey-
stand hatte, ein übriges thun können, und ihm
solche von freyen Stücken, ohne sein Begehren,
communiciren. Denn ich wuste auch endlich
wohl so viel, daß, wenn ich um Communication
anhielte, und darauf bestünde, man mir solche
nicht versagen könne; doch die Schwachheit des
Leibes und des Hauptes, und die Furcht, neue
Sorgen und Verdruß zu bekommen, hatten mich
zu allem träg, und verdrossen gemacht, daß ich al-
les gehen ließ, wohin es seinen Hang hatte.

§. 144.

Bey der Verhörung hätte ich gewünscht,
daß von den vier Commissariis einer auf einmahl
etwan eine Stunde genommen, und gantz alleine
mich meiner irrigen Sätze zu überführen gesuchet
hätte, es würde solches noch mehr Nutzen ge-
schaffet haben. Denn wo viele wider einen sind,
und bald dieser, bald jener etwas opponiret und
darwider redet, so wird derjenige, so antworten
soll, nur allzuleicht irre gemacht, und hat selten
Zeit und Raum auszureden, und sich zu expli-
ci
ren. Jn unsern öffentlichen Disputationen,
so v. g. im Auditorio Philosophico, und Theo-
logico
gehalten werden, lauffen manchmahl bey

den
U u 2

einbildete, inſonderheit
braͤuchlich, einem Inquiſito ſeine Privilegia Juris
zu entdecken, wenn er ſich derſelben ſelbſt nicht zu
bedienen weiß; ſo haͤtte man doch leicht bey ei-
nem armen einfaͤltigen Manne, der keinen Bey-
ſtand hatte, ein uͤbriges thun koͤnnen, und ihm
ſolche von freyen Stuͤcken, ohne ſein Begehren,
communiciren. Denn ich wuſte auch endlich
wohl ſo viel, daß, wenn ich um Communication
anhielte, und darauf beſtuͤnde, man mir ſolche
nicht verſagen koͤnne; doch die Schwachheit des
Leibes und des Hauptes, und die Furcht, neue
Sorgen und Verdruß zu bekommen, hatten mich
zu allem traͤg, und verdroſſen gemacht, daß ich al-
les gehen ließ, wohin es ſeinen Hang hatte.

§. 144.

Bey der Verhoͤrung haͤtte ich gewuͤnſcht,
daß von den vier Commiſſariis einer auf einmahl
etwan eine Stunde genommen, und gantz alleine
mich meiner irrigen Saͤtze zu uͤberfuͤhren geſuchet
haͤtte, es wuͤrde ſolches noch mehr Nutzen ge-
ſchaffet haben. Denn wo viele wider einen ſind,
und bald dieſer, bald jener etwas opponiret und
darwider redet, ſo wird derjenige, ſo antworten
ſoll, nur allzuleicht irre gemacht, und hat ſelten
Zeit und Raum auszureden, und ſich zu expli-
ci
ren. Jn unſern oͤffentlichen Diſputationen,
ſo v. g. im Auditorio Philoſophico, und Theo-
logico
gehalten werden, lauffen manchmahl bey

den
U u 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0721" n="675"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">einbildete, in&#x017F;onderheit</hi></fw><lb/>
bra&#x0364;uchlich, einem <hi rendition="#aq">Inqui&#x017F;ito</hi> &#x017F;eine <hi rendition="#aq">Privilegia Juris</hi><lb/>
zu entdecken, wenn er &#x017F;ich der&#x017F;elben &#x017F;elb&#x017F;t nicht zu<lb/>
bedienen weiß; &#x017F;o ha&#x0364;tte man doch leicht bey ei-<lb/>
nem armen einfa&#x0364;ltigen Manne, der keinen Bey-<lb/>
&#x017F;tand hatte, ein u&#x0364;briges thun ko&#x0364;nnen, und ihm<lb/>
&#x017F;olche von freyen Stu&#x0364;cken, ohne &#x017F;ein Begehren,<lb/><hi rendition="#aq">communici</hi>ren. Denn ich wu&#x017F;te auch endlich<lb/>
wohl &#x017F;o viel, daß, wenn ich um <hi rendition="#aq">Communication</hi><lb/>
anhielte, und darauf be&#x017F;tu&#x0364;nde, man mir &#x017F;olche<lb/>
nicht ver&#x017F;agen ko&#x0364;nne; doch die Schwachheit des<lb/>
Leibes und des Hauptes, und die Furcht, neue<lb/>
Sorgen und Verdruß zu bekommen, hatten mich<lb/>
zu allem tra&#x0364;g, und verdro&#x017F;&#x017F;en gemacht, daß ich al-<lb/>
les gehen ließ, wohin es &#x017F;einen Hang hatte.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 144.</head><lb/>
        <p>Bey der Verho&#x0364;rung ha&#x0364;tte ich gewu&#x0364;n&#x017F;cht,<lb/>
daß von den vier <hi rendition="#aq">Commi&#x017F;&#x017F;ariis</hi> einer auf einmahl<lb/>
etwan eine Stunde genommen, und gantz alleine<lb/>
mich meiner irrigen Sa&#x0364;tze zu u&#x0364;berfu&#x0364;hren ge&#x017F;uchet<lb/>
ha&#x0364;tte, es wu&#x0364;rde &#x017F;olches noch mehr Nutzen ge-<lb/>
&#x017F;chaffet haben. Denn wo viele wider einen &#x017F;ind,<lb/>
und bald die&#x017F;er, bald jener etwas <hi rendition="#aq">opponi</hi>ret und<lb/>
darwider redet, &#x017F;o wird derjenige, &#x017F;o antworten<lb/>
&#x017F;oll, nur allzuleicht irre gemacht, und hat &#x017F;elten<lb/>
Zeit und Raum auszureden, und &#x017F;ich zu <hi rendition="#aq">expli-<lb/>
ci</hi>ren. Jn un&#x017F;ern o&#x0364;ffentlichen <hi rendition="#aq">Di&#x017F;putation</hi>en,<lb/>
&#x017F;o <hi rendition="#aq">v. g.</hi> im <hi rendition="#aq">Auditorio Philo&#x017F;ophico,</hi> und <hi rendition="#aq">Theo-<lb/>
logico</hi> gehalten werden, lauffen manchmahl bey<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U u 2</fw><fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[675/0721] einbildete, inſonderheit braͤuchlich, einem Inquiſito ſeine Privilegia Juris zu entdecken, wenn er ſich derſelben ſelbſt nicht zu bedienen weiß; ſo haͤtte man doch leicht bey ei- nem armen einfaͤltigen Manne, der keinen Bey- ſtand hatte, ein uͤbriges thun koͤnnen, und ihm ſolche von freyen Stuͤcken, ohne ſein Begehren, communiciren. Denn ich wuſte auch endlich wohl ſo viel, daß, wenn ich um Communication anhielte, und darauf beſtuͤnde, man mir ſolche nicht verſagen koͤnne; doch die Schwachheit des Leibes und des Hauptes, und die Furcht, neue Sorgen und Verdruß zu bekommen, hatten mich zu allem traͤg, und verdroſſen gemacht, daß ich al- les gehen ließ, wohin es ſeinen Hang hatte. §. 144. Bey der Verhoͤrung haͤtte ich gewuͤnſcht, daß von den vier Commiſſariis einer auf einmahl etwan eine Stunde genommen, und gantz alleine mich meiner irrigen Saͤtze zu uͤberfuͤhren geſuchet haͤtte, es wuͤrde ſolches noch mehr Nutzen ge- ſchaffet haben. Denn wo viele wider einen ſind, und bald dieſer, bald jener etwas opponiret und darwider redet, ſo wird derjenige, ſo antworten ſoll, nur allzuleicht irre gemacht, und hat ſelten Zeit und Raum auszureden, und ſich zu expli- ciren. Jn unſern oͤffentlichen Diſputationen, ſo v. g. im Auditorio Philoſophico, und Theo- logico gehalten werden, lauffen manchmahl bey den U u 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/721
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 675. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/721>, abgerufen am 27.11.2024.