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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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und insonderheit der
grösten bis zum kleinesten, zu zeigen, daß Hoch-
muth vor dem Fall komme, daß GOtt noch im-
mer der alte GOtt sey, und die Gewaltigen vom
Stuhl stoße? Selbst unpassionirte Schwedische
Unterthanen musten zugestehen, daß dieser sonst
gottselige König durch seine Ehren-volle Siege
zu sehr sich erhoben, und vergessen, daß er ein
Mensch sey. Es ist wahr, man feyerte dazumal
am VII. Sonntage post Trinitatis ein allgemei-
nes Danck-Fest in diesen Landen, und wurde ein
besonderer Text zum Grunde der Predigten ge-
leget. Aber was thut der unmäßige und unweise
Eifer wegen der Religion nicht, der sonst, woferne
man ihm seine rechte Maaße der Zeit, und den
Umständen nach setzet, allerdings sein Lob ver-
dienet? Dieser hält vielen Menschen die Augen,
daß sie nicht sehen können auf das, was GOTT
thut, noch schauen können das Werck seiner Hände.
Viel, welche dazumal solches am meisten zu thun
verbunden waren, und ihre Noth, aus welcher sie
GOtt erlöset, zu betrachten, und GOtt dafür zu
preißen Ursache hatten, waren wie die, so da be-
ten, als beteten sie nicht, und wie die, so da dan-
cken, als danckten sie nicht, und wie die, so sich
freuen, als freueten sie sich nicht. Jch meynte da-
zumal, ich wolte es recht gut machen, erklärte den
Text kurtz, und redete die gantze Predigt von dem,
was GOtt gethan, und von dem Horn des Heils,

so
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und inſonderheit der
groͤſten bis zum kleineſten, zu zeigen, daß Hoch-
muth vor dem Fall komme, daß GOtt noch im-
mer der alte GOtt ſey, und die Gewaltigen vom
Stuhl ſtoße? Selbſt unpaſſionirte Schwediſche
Unterthanen muſten zugeſtehen, daß dieſer ſonſt
gottſelige Koͤnig durch ſeine Ehren-volle Siege
zu ſehr ſich erhoben, und vergeſſen, daß er ein
Menſch ſey. Es iſt wahr, man feyerte dazumal
am VII. Sonntage poſt Trinitatis ein allgemei-
nes Danck-Feſt in dieſen Landen, und wurde ein
beſonderer Text zum Grunde der Predigten ge-
leget. Aber was thut der unmaͤßige und unweiſe
Eifer wegen der Religion nicht, der ſonſt, woferne
man ihm ſeine rechte Maaße der Zeit, und den
Umſtaͤnden nach ſetzet, allerdings ſein Lob ver-
dienet? Dieſer haͤlt vielen Menſchen die Augen,
daß ſie nicht ſehen koͤnnen auf das, was GOTT
thut, noch ſchauen koͤnnen das Werck ſeiner Haͤnde.
Viel, welche dazumal ſolches am meiſten zu thun
verbunden waren, und ihre Noth, aus welcher ſie
GOtt erloͤſet, zu betrachten, und GOtt dafuͤr zu
preißen Urſache hatten, waren wie die, ſo da be-
ten, als beteten ſie nicht, und wie die, ſo da dan-
cken, als danckten ſie nicht, und wie die, ſo ſich
freuen, als freueten ſie ſich nicht. Jch meynte da-
zumal, ich wolte es recht gut machen, erklaͤrte den
Text kurtz, und redete die gantze Predigt von dem,
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[35/0081] und inſonderheit der groͤſten bis zum kleineſten, zu zeigen, daß Hoch- muth vor dem Fall komme, daß GOtt noch im- mer der alte GOtt ſey, und die Gewaltigen vom Stuhl ſtoße? Selbſt unpaſſionirte Schwediſche Unterthanen muſten zugeſtehen, daß dieſer ſonſt gottſelige Koͤnig durch ſeine Ehren-volle Siege zu ſehr ſich erhoben, und vergeſſen, daß er ein Menſch ſey. Es iſt wahr, man feyerte dazumal am VII. Sonntage poſt Trinitatis ein allgemei- nes Danck-Feſt in dieſen Landen, und wurde ein beſonderer Text zum Grunde der Predigten ge- leget. Aber was thut der unmaͤßige und unweiſe Eifer wegen der Religion nicht, der ſonſt, woferne man ihm ſeine rechte Maaße der Zeit, und den Umſtaͤnden nach ſetzet, allerdings ſein Lob ver- dienet? Dieſer haͤlt vielen Menſchen die Augen, daß ſie nicht ſehen koͤnnen auf das, was GOTT thut, noch ſchauen koͤnnen das Werck ſeiner Haͤnde. Viel, welche dazumal ſolches am meiſten zu thun verbunden waren, und ihre Noth, aus welcher ſie GOtt erloͤſet, zu betrachten, und GOtt dafuͤr zu preißen Urſache hatten, waren wie die, ſo da be- ten, als beteten ſie nicht, und wie die, ſo da dan- cken, als danckten ſie nicht, und wie die, ſo ſich freuen, als freueten ſie ſich nicht. Jch meynte da- zumal, ich wolte es recht gut machen, erklaͤrte den Text kurtz, und redete die gantze Predigt von dem, was GOtt gethan, und von dem Horn des Heils, ſo C 2

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/81>, abgerufen am 22.05.2024.