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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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bekombt große Lust
Jungen mehr, als ich, können solten, und ward
sehr begierig, solches lateinische Lied auch zu ha-
ben und zu lernen.

Aus dem Umgange mit diesen Chor-Kna-
ben, insonderheit mit denen, welche des Sonn-
tags in dieser Kirche vor dem Thor die Lieder zu
singen verordnet waren, und verständiger und äl-
ter, als die andern, waren, bekam ich eine große
Zuneigung in die lateinische Schule zu gehen,
und ein solcher Chor-Knabe zu werden; welche,
weil sie im Chor singen, kein Schul-Geld geben
dürffen. Jch trug mich damit eine gute Zeit,
plagte meine Eltern und Geschwister, daß sie mir
dazu behülfflich seyn solten. Die meinigen aber
waren lange Zeit nicht dazu zu bringen, und in
mein Begehren zu willigen. Die Chor-Jun-
gen, sagten sie, lernen nichts; denn sie müssen
mehr in der Kirchen, als in der Schulen seyn;
Stadt-Kleider aber, und einen Mantel dir zu
schaffen, wie die ordentlichen Schüler im Gymna-
sio
tragen, kostet viel Geld. Um diese Zeit hatte
ich auch auf dem Felde, da ich Möhren und
Kraut-Köpffe mit dem Schubkarren, oder Ra-
deber, wie sie es bey uns nennen, heimführen
wolte, das sogenannte kleine Compendium latinae
linguae
gefunden, so die lateinischen Schüler bey
ihrem Spatzier-Gange auf dem Felde etwan
mochten haben liegen laßen. Jch hatte eine hertz-

liche

bekombt große Luſt
Jungen mehr, als ich, koͤnnen ſolten, und ward
ſehr begierig, ſolches lateiniſche Lied auch zu ha-
ben und zu lernen.

Aus dem Umgange mit dieſen Chor-Kna-
ben, inſonderheit mit denen, welche des Sonn-
tags in dieſer Kirche vor dem Thor die Lieder zu
ſingen verordnet waren, und verſtaͤndiger und aͤl-
ter, als die andern, waren, bekam ich eine große
Zuneigung in die lateiniſche Schule zu gehen,
und ein ſolcher Chor-Knabe zu werden; welche,
weil ſie im Chor ſingen, kein Schul-Geld geben
duͤrffen. Jch trug mich damit eine gute Zeit,
plagte meine Eltern und Geſchwiſter, daß ſie mir
dazu behuͤlfflich ſeyn ſolten. Die meinigen aber
waren lange Zeit nicht dazu zu bringen, und in
mein Begehren zu willigen. Die Chor-Jun-
gen, ſagten ſie, lernen nichts; denn ſie muͤſſen
mehr in der Kirchen, als in der Schulen ſeyn;
Stadt-Kleider aber, und einen Mantel dir zu
ſchaffen, wie die ordentlichen Schuͤler im Gymna-
ſio
tragen, koſtet viel Geld. Um dieſe Zeit hatte
ich auch auf dem Felde, da ich Moͤhren und
Kraut-Koͤpffe mit dem Schubkarren, oder Ra-
deber, wie ſie es bey uns nennen, heimfuͤhren
wolte, das ſogenannte kleine Compendium latinæ
linguæ
gefunden, ſo die lateiniſchen Schuͤler bey
ihrem Spatzier-Gange auf dem Felde etwan
mochten haben liegen laßen. Jch hatte eine hertz-

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[44/0090] bekombt große Luſt Jungen mehr, als ich, koͤnnen ſolten, und ward ſehr begierig, ſolches lateiniſche Lied auch zu ha- ben und zu lernen. Aus dem Umgange mit dieſen Chor-Kna- ben, inſonderheit mit denen, welche des Sonn- tags in dieſer Kirche vor dem Thor die Lieder zu ſingen verordnet waren, und verſtaͤndiger und aͤl- ter, als die andern, waren, bekam ich eine große Zuneigung in die lateiniſche Schule zu gehen, und ein ſolcher Chor-Knabe zu werden; welche, weil ſie im Chor ſingen, kein Schul-Geld geben duͤrffen. Jch trug mich damit eine gute Zeit, plagte meine Eltern und Geſchwiſter, daß ſie mir dazu behuͤlfflich ſeyn ſolten. Die meinigen aber waren lange Zeit nicht dazu zu bringen, und in mein Begehren zu willigen. Die Chor-Jun- gen, ſagten ſie, lernen nichts; denn ſie muͤſſen mehr in der Kirchen, als in der Schulen ſeyn; Stadt-Kleider aber, und einen Mantel dir zu ſchaffen, wie die ordentlichen Schuͤler im Gymna- ſio tragen, koſtet viel Geld. Um dieſe Zeit hatte ich auch auf dem Felde, da ich Moͤhren und Kraut-Koͤpffe mit dem Schubkarren, oder Ra- deber, wie ſie es bey uns nennen, heimfuͤhren wolte, das ſogenannte kleine Compendium latinæ linguæ gefunden, ſo die lateiniſchen Schuͤler bey ihrem Spatzier-Gange auf dem Felde etwan mochten haben liegen laßen. Jch hatte eine hertz- liche

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/90>, abgerufen am 21.11.2024.