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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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von einem Weibe angesteckt;
diesem Ubel entweder gar nichts, oder doch gar
wenig empfunden; wie ich mich denn nicht be-
sinnen kan, daß er iemahls darüber geklaget,
und gleiches Malheur zu haben bezeuget hätte.
Dieses brachte uns auf die Gedancken, daß wir
uns an diesem Weibe durch Unbarmhertzigkeit
versündiget hätten. Meine Mutter aber, so
noch sehr viel Aberglauben hatte, und alles, ohne
Unterscheid, vor wahr hielt, was man da und
dort von Gespenstern, Zaubereyen, und Unhol-
den erzehlte, wolte sich es nicht ausreden laßen,
das Weib müsse eine Hexe gewesen seyn, und
habe uns auf GOttes Zulaßung mit dergleichen
Ungeziefer bezaubert. Nach meinem ietzigen
Erkänntniß würde ich wol schwer dran gehen,
dem Satan beynahe so viel, als unserm HErren
GOTT selber, zuzuschreiben, und ihm eine
Macht beyzulegen, Läuse zu erschaffen und zu
machen, wo keine sind, und noch dazu diese
Krafft und Macht andern, nemlich seinen
Werckzeugen und Hexen mitzutheilen. Viel-
leicht hat dieses Weib eine Kunst gewust, durch
natürliche Mittel es dahin zu bringen, daß der-
gleichen Ungeziefer sich hecken, und so lange sich
vermehren und bleiben müssen, wenn nicht erst
die natürliche Ursachen wieder aus dem Wege
geräumet worden.

Dem

von einem Weibe angeſteckt;
dieſem Ubel entweder gar nichts, oder doch gar
wenig empfunden; wie ich mich denn nicht be-
ſinnen kan, daß er iemahls daruͤber geklaget,
und gleiches Malheur zu haben bezeuget haͤtte.
Dieſes brachte uns auf die Gedancken, daß wir
uns an dieſem Weibe durch Unbarmhertzigkeit
verſuͤndiget haͤtten. Meine Mutter aber, ſo
noch ſehr viel Aberglauben hatte, und alles, ohne
Unterſcheid, vor wahr hielt, was man da und
dort von Geſpenſtern, Zaubereyen, und Unhol-
den erzehlte, wolte ſich es nicht ausreden laßen,
das Weib muͤſſe eine Hexe geweſen ſeyn, und
habe uns auf GOttes Zulaßung mit dergleichen
Ungeziefer bezaubert. Nach meinem ietzigen
Erkaͤnntniß wuͤrde ich wol ſchwer dran gehen,
dem Satan beynahe ſo viel, als unſerm HErren
GOTT ſelber, zuzuſchreiben, und ihm eine
Macht beyzulegen, Laͤuſe zu erſchaffen und zu
machen, wo keine ſind, und noch dazu dieſe
Krafft und Macht andern, nemlich ſeinen
Werckzeugen und Hexen mitzutheilen. Viel-
leicht hat dieſes Weib eine Kunſt gewuſt, durch
natuͤrliche Mittel es dahin zu bringen, daß der-
gleichen Ungeziefer ſich hecken, und ſo lange ſich
vermehren und bleiben muͤſſen, wenn nicht erſt
die natuͤrliche Urſachen wieder aus dem Wege
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[52/0098] von einem Weibe angeſteckt; dieſem Ubel entweder gar nichts, oder doch gar wenig empfunden; wie ich mich denn nicht be- ſinnen kan, daß er iemahls daruͤber geklaget, und gleiches Malheur zu haben bezeuget haͤtte. Dieſes brachte uns auf die Gedancken, daß wir uns an dieſem Weibe durch Unbarmhertzigkeit verſuͤndiget haͤtten. Meine Mutter aber, ſo noch ſehr viel Aberglauben hatte, und alles, ohne Unterſcheid, vor wahr hielt, was man da und dort von Geſpenſtern, Zaubereyen, und Unhol- den erzehlte, wolte ſich es nicht ausreden laßen, das Weib muͤſſe eine Hexe geweſen ſeyn, und habe uns auf GOttes Zulaßung mit dergleichen Ungeziefer bezaubert. Nach meinem ietzigen Erkaͤnntniß wuͤrde ich wol ſchwer dran gehen, dem Satan beynahe ſo viel, als unſerm HErren GOTT ſelber, zuzuſchreiben, und ihm eine Macht beyzulegen, Laͤuſe zu erſchaffen und zu machen, wo keine ſind, und noch dazu dieſe Krafft und Macht andern, nemlich ſeinen Werckzeugen und Hexen mitzutheilen. Viel- leicht hat dieſes Weib eine Kunſt gewuſt, durch natuͤrliche Mittel es dahin zu bringen, daß der- gleichen Ungeziefer ſich hecken, und ſo lange ſich vermehren und bleiben muͤſſen, wenn nicht erſt die natuͤrliche Urſachen wieder aus dem Wege geraͤumet worden. Dem

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/98>, abgerufen am 21.11.2024.