Einleitung. Erstes Kap. Entstehung des Strafgesetzbuchs.
Die politischen Ereignisse verhinderten jedoch die Ausführung dieses Pla- nes erst die später beschlossene allgemeine Revision der Gesetze führte auch zu einer neuen Bearbeitung des Strafrechts.
Nachdem der König durch Kabinets-Ordre vom 28. Jan. 1826 den vom Justizminister Grafen v. Danckelman vorgelegten allgemei- nen Plan für das Revisionswerk gebilligt hatte, ward in der, an den- selben Minister gerichteten Kabinets-Ordre vom 24. Juli 1826 genauer festgestellt, in welcher Richtung die Arbeit zu leiten sei, und namentlich hervorgehoben, daß es nicht die Absicht sei, eine neue Gesetzgebung an die Stelle der bestehenden treten zu lassen, ebensowenig aber, in das Landrecht und die Gerichtsordnung nur die späteren Ergänzungen und Abänderungen einzuschalten; daß es vielmehr darauf ankomme, beide Gesetzbücher einer gründlichen Prüfung zu unterwerfen, und nach dem Resultate derselben sie zu berichtigen, zu ergänzen, zu erläutern und zu vervollkommnen. b) -- Gegen diese Anweisung machte der Justizminister, insoweit sie sich auf die Strafgesetze bezog, Einwendungen und erklärte, daß eine Revision des Allgemeinen Landrechts unzureichend und die Abfassung eines neuen Strafgesetzbuchs nothwendig sei, -- eine Ansicht, der der König nachgab, obgleich er nicht unterließ, auf die Schwierig- keit des Unternehmens aufmerksam zu machen. c)
In diesem freieren Sinne wurde nun die Sache in Angriff genom- men, wenn auch in der officiellen Sprache nur von einer Revision der Strafgesetze die Rede war. Die Gerichtshöfe wurden durch ein Rescript des Justizministers vom 26. Dec. 1825 zur Abgabe von Gutachten veranlaßt; die Revision der Strafgesetze aber wurde zum ersten Pensum des ganzen Revisionswerks gemacht und zunächst dem Kammergerichts- rath Bode übertragen. Bode arbeitete einen "Entwurf des Criminal- Gesetz-Buches für die Preußischen Staaten" aus, und versah denselben mit Motiven, welche in drei Bänden (Berlin 1827-29. 4.), als Ma- nuscript gedruckt sind; der vierte Band (Berlin 1828) über die Ver- brechen gegen das Vermögen ist vom Oberlandesgerichtsrath Schiller. Diese letztere Arbeit, welche sich der Ordnung des Landrechts anschließt, ist unbedeutend, ohne Schärfe und tiefere Einsicht; sie läßt die freie Be- herrschung des Materials vermissen und bietet fast nur ein kritisches Raisonnement über die Satzungen des Allgemeinen Landrechts. Sehr achtungswerth sind dagegen die Leistungen Bode's, welcher den ersten tüchtigen Grund zu der Reform des Preußischen Strafrechts gelegt hat; er übt eine scharfe und doch besonnene Kritik, ist mit der wissenschaft-
b) Die Kab.-Ordre vom 24. Juli 1826 ist abgedruckt bei v. Kamptz, acten- mäßige Darstellung der Preußischen Gesetz-Revision (Berlin, 1842). S. 295-298.
c) S. die K.-O. v. 14. Nov. 1826 bei v. Kamptz a. a. O. S. 298-300.
Einleitung. Erſtes Kap. Entſtehung des Strafgeſetzbuchs.
Die politiſchen Ereigniſſe verhinderten jedoch die Ausführung dieſes Pla- nes erſt die ſpäter beſchloſſene allgemeine Reviſion der Geſetze führte auch zu einer neuen Bearbeitung des Strafrechts.
Nachdem der König durch Kabinets-Ordre vom 28. Jan. 1826 den vom Juſtizminiſter Grafen v. Danckelman vorgelegten allgemei- nen Plan für das Reviſionswerk gebilligt hatte, ward in der, an den- ſelben Miniſter gerichteten Kabinets-Ordre vom 24. Juli 1826 genauer feſtgeſtellt, in welcher Richtung die Arbeit zu leiten ſei, und namentlich hervorgehoben, daß es nicht die Abſicht ſei, eine neue Geſetzgebung an die Stelle der beſtehenden treten zu laſſen, ebenſowenig aber, in das Landrecht und die Gerichtsordnung nur die ſpäteren Ergänzungen und Abänderungen einzuſchalten; daß es vielmehr darauf ankomme, beide Geſetzbücher einer gründlichen Prüfung zu unterwerfen, und nach dem Reſultate derſelben ſie zu berichtigen, zu ergänzen, zu erläutern und zu vervollkommnen. b) — Gegen dieſe Anweiſung machte der Juſtizminiſter, inſoweit ſie ſich auf die Strafgeſetze bezog, Einwendungen und erklärte, daß eine Reviſion des Allgemeinen Landrechts unzureichend und die Abfaſſung eines neuen Strafgeſetzbuchs nothwendig ſei, — eine Anſicht, der der König nachgab, obgleich er nicht unterließ, auf die Schwierig- keit des Unternehmens aufmerkſam zu machen. c)
In dieſem freieren Sinne wurde nun die Sache in Angriff genom- men, wenn auch in der officiellen Sprache nur von einer Reviſion der Strafgeſetze die Rede war. Die Gerichtshöfe wurden durch ein Reſcript des Juſtizminiſters vom 26. Dec. 1825 zur Abgabe von Gutachten veranlaßt; die Reviſion der Strafgeſetze aber wurde zum erſten Penſum des ganzen Reviſionswerks gemacht und zunächſt dem Kammergerichts- rath Bode übertragen. Bode arbeitete einen „Entwurf des Criminal- Geſetz-Buches für die Preußiſchen Staaten“ aus, und verſah denſelben mit Motiven, welche in drei Bänden (Berlin 1827-29. 4.), als Ma- nuſcript gedruckt ſind; der vierte Band (Berlin 1828) über die Ver- brechen gegen das Vermögen iſt vom Oberlandesgerichtsrath Schiller. Dieſe letztere Arbeit, welche ſich der Ordnung des Landrechts anſchließt, iſt unbedeutend, ohne Schärfe und tiefere Einſicht; ſie läßt die freie Be- herrſchung des Materials vermiſſen und bietet faſt nur ein kritiſches Raiſonnement über die Satzungen des Allgemeinen Landrechts. Sehr achtungswerth ſind dagegen die Leiſtungen Bode's, welcher den erſten tüchtigen Grund zu der Reform des Preußiſchen Strafrechts gelegt hat; er übt eine ſcharfe und doch beſonnene Kritik, iſt mit der wiſſenſchaft-
b) Die Kab.-Ordre vom 24. Juli 1826 iſt abgedruckt bei v. Kamptz, acten- mäßige Darſtellung der Preußiſchen Geſetz-Reviſion (Berlin, 1842). S. 295-298.
c) S. die K.-O. v. 14. Nov. 1826 bei v. Kamptz a. a. O. S. 298-300.
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Einleitung. Erſtes Kap. Entſtehung des Strafgeſetzbuchs.
Die politiſchen Ereigniſſe verhinderten jedoch die Ausführung dieſes Pla-
nes erſt die ſpäter beſchloſſene allgemeine Reviſion der Geſetze führte
auch zu einer neuen Bearbeitung des Strafrechts.
Nachdem der König durch Kabinets-Ordre vom 28. Jan. 1826
den vom Juſtizminiſter Grafen v. Danckelman vorgelegten allgemei-
nen Plan für das Reviſionswerk gebilligt hatte, ward in der, an den-
ſelben Miniſter gerichteten Kabinets-Ordre vom 24. Juli 1826 genauer
feſtgeſtellt, in welcher Richtung die Arbeit zu leiten ſei, und namentlich
hervorgehoben, daß es nicht die Abſicht ſei, eine neue Geſetzgebung an
die Stelle der beſtehenden treten zu laſſen, ebenſowenig aber, in das
Landrecht und die Gerichtsordnung nur die ſpäteren Ergänzungen und
Abänderungen einzuſchalten; daß es vielmehr darauf ankomme, beide
Geſetzbücher einer gründlichen Prüfung zu unterwerfen, und nach dem
Reſultate derſelben ſie zu berichtigen, zu ergänzen, zu erläutern und zu
vervollkommnen. b) — Gegen dieſe Anweiſung machte der Juſtizminiſter,
inſoweit ſie ſich auf die Strafgeſetze bezog, Einwendungen und erklärte,
daß eine Reviſion des Allgemeinen Landrechts unzureichend und die
Abfaſſung eines neuen Strafgeſetzbuchs nothwendig ſei, — eine Anſicht,
der der König nachgab, obgleich er nicht unterließ, auf die Schwierig-
keit des Unternehmens aufmerkſam zu machen. c)
In dieſem freieren Sinne wurde nun die Sache in Angriff genom-
men, wenn auch in der officiellen Sprache nur von einer Reviſion der
Strafgeſetze die Rede war. Die Gerichtshöfe wurden durch ein Reſcript
des Juſtizminiſters vom 26. Dec. 1825 zur Abgabe von Gutachten
veranlaßt; die Reviſion der Strafgeſetze aber wurde zum erſten Penſum
des ganzen Reviſionswerks gemacht und zunächſt dem Kammergerichts-
rath Bode übertragen. Bode arbeitete einen „Entwurf des Criminal-
Geſetz-Buches für die Preußiſchen Staaten“ aus, und verſah denſelben
mit Motiven, welche in drei Bänden (Berlin 1827-29. 4.), als Ma-
nuſcript gedruckt ſind; der vierte Band (Berlin 1828) über die Ver-
brechen gegen das Vermögen iſt vom Oberlandesgerichtsrath Schiller.
Dieſe letztere Arbeit, welche ſich der Ordnung des Landrechts anſchließt,
iſt unbedeutend, ohne Schärfe und tiefere Einſicht; ſie läßt die freie Be-
herrſchung des Materials vermiſſen und bietet faſt nur ein kritiſches
Raiſonnement über die Satzungen des Allgemeinen Landrechts. Sehr
achtungswerth ſind dagegen die Leiſtungen Bode's, welcher den erſten
tüchtigen Grund zu der Reform des Preußiſchen Strafrechts gelegt hat;
er übt eine ſcharfe und doch beſonnene Kritik, iſt mit der wiſſenſchaft-
b) Die Kab.-Ordre vom 24. Juli 1826 iſt abgedruckt bei v. Kamptz, acten-
mäßige Darſtellung der Preußiſchen Geſetz-Reviſion (Berlin, 1842). S. 295-298.
c) S. die K.-O. v. 14. Nov. 1826 bei v. Kamptz a. a. O. S. 298-300.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/14>, abgerufen am 21.11.2024.
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