Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

§§. 45-49. Die Verjährung.
der Entwurf von 1847. §. 65. wiederholte daher die frühere Bestim-
mung. In dem vereinigten ständischen Ausschuß wurde diese freilich
nicht verworfen, aber man schlug doch einen Mittelweg ein, indem be-
schlossen ward, daß ein todeswürdiges Verbrechen höchstens mit zwan-
zigjähriger Freiheitsstrafe zu belegen sei, wenn seit der That ein Zeitraum
von zwanzig Jahren verflossen. r) In dem Entwurf von 1850. war
dieser Beschluß nicht weiter berücksichtigt; die Kommission der zweiten
Kammer aber entschied sich für die Zulassung der Verjährung auch bei
todeswürdigen Verbrechen, setzte aber dafür einen längeren Zeitraum --
von dreißig Jahren -- fest, s) und diese Bestimmung ist in das Straf-
gesetzbuch §. 46. übergegangen.

II. Die Fristen der Verjährung sind berechnet nach dem höchsten
Maaße der gesetzlichen Strafe. Dabei ist aber nur auf die Hauptstrafen
Rücksicht genommen, nicht auf die Nebenstrafen, welche hier so wenig
wie bei der Dreitheilung (§. 1.) in Betracht kommen. Ausdrücklich
genannt sind außer der Todesstrafe nur die Freiheitsstrafen. Was die
Geldbuße betrifft, so erledigt sich der Fall, wenn Geldbuße und Frei-
heitsstrafe alternativ auferlegt werden können, sehr leicht, da erstere
immer die mildere Strafe ist (§. 18.), das höchste Maaß sich also nach
der Freiheitsstrafe richtet. Vergehen aber, die nur mit Geldbuße ge-
ahndet werden, gehören nach §. 46. Abs. 2. zu denjenigen, welche in
drei Jahren verjähren.

III. Der Lauf der Verjährung beginnt nach §. 46. Abs. 3. mit
dem Tage des begangenen Verbrechens oder Vergehens. Diese Bestim-
mung könnte etwa nur Bedenken erregen bei den s. g. fortgesetzten Ver-
brechen, z. B. der Bigamie, für welche die Kriminalordnung §. 601.
auch eine besondere Bestimmung enthält. Es wird aber immer auf den
Tag ankommen, an welchem das Verbrechen vollendet oder die letzte
strafbare Versuchshandlung vorgenommen worden ist; die Bigamie wird
also nach §. 139. von dem Tage an verjähren, an welchem der Ehegatte
die zweite Ehe eingegangen ist.

IV. Von besonderer Wichtigkeit ist es, zu bestimmen, wann die
Verjährung unterbrochen wird. Der Entwurf von 1843. enthielt dar-
über folgende Vorschrift:

§. 98. "Bei Verbrechen, welche mit Todesstrafe bedroht sind,
findet eine Verjährung nicht statt."


r) Verhandlungen. II. S. 428. 429. Aehnliche Bestimmungen finden sich:
Braunschweig. Strafgesetzb. §. 73. -- Bad. Strafgesetzb. §. 196. Statt
der Todesstrafe ist hier lebenslängliche Freiheitsstrafe vorgeschrieben.
s) Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 43. (46.).

§§. 45-49. Die Verjährung.
der Entwurf von 1847. §. 65. wiederholte daher die frühere Beſtim-
mung. In dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß wurde dieſe freilich
nicht verworfen, aber man ſchlug doch einen Mittelweg ein, indem be-
ſchloſſen ward, daß ein todeswürdiges Verbrechen höchſtens mit zwan-
zigjähriger Freiheitsſtrafe zu belegen ſei, wenn ſeit der That ein Zeitraum
von zwanzig Jahren verfloſſen. r) In dem Entwurf von 1850. war
dieſer Beſchluß nicht weiter berückſichtigt; die Kommiſſion der zweiten
Kammer aber entſchied ſich für die Zulaſſung der Verjährung auch bei
todeswürdigen Verbrechen, ſetzte aber dafür einen längeren Zeitraum —
von dreißig Jahren — feſt, s) und dieſe Beſtimmung iſt in das Straf-
geſetzbuch §. 46. übergegangen.

II. Die Friſten der Verjährung ſind berechnet nach dem höchſten
Maaße der geſetzlichen Strafe. Dabei iſt aber nur auf die Hauptſtrafen
Rückſicht genommen, nicht auf die Nebenſtrafen, welche hier ſo wenig
wie bei der Dreitheilung (§. 1.) in Betracht kommen. Ausdrücklich
genannt ſind außer der Todesſtrafe nur die Freiheitsſtrafen. Was die
Geldbuße betrifft, ſo erledigt ſich der Fall, wenn Geldbuße und Frei-
heitsſtrafe alternativ auferlegt werden können, ſehr leicht, da erſtere
immer die mildere Strafe iſt (§. 18.), das höchſte Maaß ſich alſo nach
der Freiheitsſtrafe richtet. Vergehen aber, die nur mit Geldbuße ge-
ahndet werden, gehören nach §. 46. Abſ. 2. zu denjenigen, welche in
drei Jahren verjähren.

III. Der Lauf der Verjährung beginnt nach §. 46. Abſ. 3. mit
dem Tage des begangenen Verbrechens oder Vergehens. Dieſe Beſtim-
mung könnte etwa nur Bedenken erregen bei den ſ. g. fortgeſetzten Ver-
brechen, z. B. der Bigamie, für welche die Kriminalordnung §. 601.
auch eine beſondere Beſtimmung enthält. Es wird aber immer auf den
Tag ankommen, an welchem das Verbrechen vollendet oder die letzte
ſtrafbare Verſuchshandlung vorgenommen worden iſt; die Bigamie wird
alſo nach §. 139. von dem Tage an verjähren, an welchem der Ehegatte
die zweite Ehe eingegangen iſt.

IV. Von beſonderer Wichtigkeit iſt es, zu beſtimmen, wann die
Verjährung unterbrochen wird. Der Entwurf von 1843. enthielt dar-
über folgende Vorſchrift:

§. 98. „Bei Verbrechen, welche mit Todesſtrafe bedroht ſind,
findet eine Verjährung nicht ſtatt.“


r) Verhandlungen. II. S. 428. 429. Aehnliche Beſtimmungen finden ſich:
Braunſchweig. Strafgeſetzb. §. 73. — Bad. Strafgeſetzb. §. 196. Statt
der Todesſtrafe iſt hier lebenslängliche Freiheitsſtrafe vorgeſchrieben.
s) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 43. (46.).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0209" n="199"/><fw place="top" type="header">§§. 45-49. Die Verjährung.</fw><lb/>
der Entwurf von 1847. §.         65. wiederholte daher die frühere Be&#x017F;tim-<lb/>
mung. In dem vereinigten         &#x017F;tändi&#x017F;chen Aus&#x017F;chuß wurde die&#x017F;e         freilich<lb/>
nicht verworfen, aber man &#x017F;chlug doch einen Mittelweg ein, indem         be-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en ward, daß ein todeswürdiges Verbrechen         höch&#x017F;tens mit zwan-<lb/>
zigjähriger Freiheits&#x017F;trafe zu belegen         &#x017F;ei, wenn &#x017F;eit der That ein Zeitraum<lb/>
von zwanzig Jahren         verflo&#x017F;&#x017F;en. <note place="foot" n="r)"><hi rendition="#g">Verhandlungen</hi>. II. S. 428. 429. Aehnliche Be&#x017F;timmungen finden &#x017F;ich:<lb/><hi rendition="#g">Braun&#x017F;chweig. Strafge&#x017F;etzb.</hi> §. 73.          &#x2014; <hi rendition="#g">Bad. Strafge&#x017F;etzb.</hi> §. 196. Statt<lb/>
der          Todes&#x017F;trafe i&#x017F;t hier lebenslängliche Freiheits&#x017F;trafe          vorge&#x017F;chrieben.</note> In dem Entwurf von 1850. war<lb/>
die&#x017F;er         Be&#x017F;chluß nicht weiter berück&#x017F;ichtigt; die         Kommi&#x017F;&#x017F;ion der zweiten<lb/>
Kammer aber ent&#x017F;chied         &#x017F;ich für die Zula&#x017F;&#x017F;ung der Verjährung auch         bei<lb/>
todeswürdigen Verbrechen, &#x017F;etzte aber dafür einen längeren Zeitraum         &#x2014;<lb/>
von dreißig Jahren &#x2014; fe&#x017F;t, <note place="foot" n="s)"><hi rendition="#g">Bericht der Kommi&#x017F;&#x017F;ion der zweiten Kammer zu          </hi>§. 43. (46.).</note> und die&#x017F;e Be&#x017F;timmung i&#x017F;t in das         Straf-<lb/>
ge&#x017F;etzbuch §. 46. übergegangen.</p><lb/>
              <p>II. Die Fri&#x017F;ten der Verjährung &#x017F;ind berechnet nach dem         höch&#x017F;ten<lb/>
Maaße der ge&#x017F;etzlichen Strafe. Dabei i&#x017F;t aber         nur auf die Haupt&#x017F;trafen<lb/>
Rück&#x017F;icht genommen, nicht auf die         Neben&#x017F;trafen, welche hier &#x017F;o wenig<lb/>
wie bei der Dreitheilung (§.         1.) in Betracht kommen. Ausdrücklich<lb/>
genannt &#x017F;ind außer der         Todes&#x017F;trafe nur die Freiheits&#x017F;trafen. Was die<lb/>
Geldbuße betrifft,         &#x017F;o erledigt &#x017F;ich der Fall, wenn Geldbuße und         Frei-<lb/>
heits&#x017F;trafe alternativ auferlegt werden können, &#x017F;ehr leicht,         da er&#x017F;tere<lb/>
immer die mildere Strafe i&#x017F;t (§. 18.), das         höch&#x017F;te Maaß &#x017F;ich al&#x017F;o nach<lb/>
der         Freiheits&#x017F;trafe richtet. Vergehen aber, die nur mit Geldbuße ge-<lb/>
ahndet         werden, gehören nach §. 46. Ab&#x017F;. 2. zu denjenigen, welche in<lb/>
drei Jahren         verjähren.</p><lb/>
              <p>III. Der Lauf der Verjährung beginnt nach §. 46. Ab&#x017F;. 3. mit<lb/>
dem Tage des         begangenen Verbrechens oder Vergehens. Die&#x017F;e Be&#x017F;tim-<lb/>
mung könnte         etwa nur Bedenken erregen bei den &#x017F;. g. fortge&#x017F;etzten         Ver-<lb/>
brechen, z. B. der Bigamie, für welche die Kriminalordnung §. 601.<lb/>
auch eine         be&#x017F;ondere Be&#x017F;timmung enthält. Es wird aber immer auf den<lb/>
Tag         ankommen, an welchem das Verbrechen vollendet oder die letzte<lb/>
&#x017F;trafbare         Ver&#x017F;uchshandlung vorgenommen worden i&#x017F;t; die Bigamie         wird<lb/>
al&#x017F;o nach §. 139. von dem Tage an verjähren, an welchem der         Ehegatte<lb/>
die zweite Ehe eingegangen i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>IV. Von be&#x017F;onderer Wichtigkeit i&#x017F;t es, zu be&#x017F;timmen, wann         die<lb/>
Verjährung unterbrochen wird. Der Entwurf von 1843. enthielt dar-<lb/>
über folgende         Vor&#x017F;chrift:</p><lb/>
              <p>§. 98. &#x201E;Bei Verbrechen, welche mit Todes&#x017F;trafe bedroht         &#x017F;ind,<lb/>
findet eine Verjährung nicht &#x017F;tatt.&#x201C;</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0209] §§. 45-49. Die Verjährung. der Entwurf von 1847. §. 65. wiederholte daher die frühere Beſtim- mung. In dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß wurde dieſe freilich nicht verworfen, aber man ſchlug doch einen Mittelweg ein, indem be- ſchloſſen ward, daß ein todeswürdiges Verbrechen höchſtens mit zwan- zigjähriger Freiheitsſtrafe zu belegen ſei, wenn ſeit der That ein Zeitraum von zwanzig Jahren verfloſſen. r) In dem Entwurf von 1850. war dieſer Beſchluß nicht weiter berückſichtigt; die Kommiſſion der zweiten Kammer aber entſchied ſich für die Zulaſſung der Verjährung auch bei todeswürdigen Verbrechen, ſetzte aber dafür einen längeren Zeitraum — von dreißig Jahren — feſt, s) und dieſe Beſtimmung iſt in das Straf- geſetzbuch §. 46. übergegangen. II. Die Friſten der Verjährung ſind berechnet nach dem höchſten Maaße der geſetzlichen Strafe. Dabei iſt aber nur auf die Hauptſtrafen Rückſicht genommen, nicht auf die Nebenſtrafen, welche hier ſo wenig wie bei der Dreitheilung (§. 1.) in Betracht kommen. Ausdrücklich genannt ſind außer der Todesſtrafe nur die Freiheitsſtrafen. Was die Geldbuße betrifft, ſo erledigt ſich der Fall, wenn Geldbuße und Frei- heitsſtrafe alternativ auferlegt werden können, ſehr leicht, da erſtere immer die mildere Strafe iſt (§. 18.), das höchſte Maaß ſich alſo nach der Freiheitsſtrafe richtet. Vergehen aber, die nur mit Geldbuße ge- ahndet werden, gehören nach §. 46. Abſ. 2. zu denjenigen, welche in drei Jahren verjähren. III. Der Lauf der Verjährung beginnt nach §. 46. Abſ. 3. mit dem Tage des begangenen Verbrechens oder Vergehens. Dieſe Beſtim- mung könnte etwa nur Bedenken erregen bei den ſ. g. fortgeſetzten Ver- brechen, z. B. der Bigamie, für welche die Kriminalordnung §. 601. auch eine beſondere Beſtimmung enthält. Es wird aber immer auf den Tag ankommen, an welchem das Verbrechen vollendet oder die letzte ſtrafbare Verſuchshandlung vorgenommen worden iſt; die Bigamie wird alſo nach §. 139. von dem Tage an verjähren, an welchem der Ehegatte die zweite Ehe eingegangen iſt. IV. Von beſonderer Wichtigkeit iſt es, zu beſtimmen, wann die Verjährung unterbrochen wird. Der Entwurf von 1843. enthielt dar- über folgende Vorſchrift: §. 98. „Bei Verbrechen, welche mit Todesſtrafe bedroht ſind, findet eine Verjährung nicht ſtatt.“ r) Verhandlungen. II. S. 428. 429. Aehnliche Beſtimmungen finden ſich: Braunſchweig. Strafgeſetzb. §. 73. — Bad. Strafgeſetzb. §. 196. Statt der Todesſtrafe iſt hier lebenslängliche Freiheitsſtrafe vorgeſchrieben. s) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 43. (46.).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/209
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/209>, abgerufen am 21.11.2024.