Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.§. V. System und Charakter des Strafgesetzbuchs. Vergehen und deren Bestrafung. Zuerst kommen die Verbrechen undVergehen gegen den Staat, insofern dessen Existenz, Integrität, Würde, Sicherheit und Ordnung dadurch gefährdet wird. Hochverrath und Landesverrath, obgleich dem Begriffe nach bestimmt auseinandergehalten, sind in demselben Titel (I.) zusammen gestellt; ebenso die Beleidigung der Majestät und der Mitglieder des Königlichen Hauses (Tit. II.). Der dritte Titel ist den feindlichen Handlungen gegen befreundete Staa- ten gewidmet, und faßt die in den beiden vorhergehenden Titeln auf- geführten Handlungen zusammen, insofern sie nach außen hin gerichtet, strafbar sind, während sie im Entwurf von 1847 jenen beiden Titeln einverleibt waren, zugleich mit dem Hochverrath und Landesverrath ge- gen den deutschen Bund, worüber in das Strafgesetzbuch keine beson- deren Bestimmungen aufgenommen worden sind. -- Neu und durch die veränderte Staatsverfassung hervorgerufen ist der vierte Titel von Ver- brechen und Vergehen in Beziehung auf die Ausübung der staatsbür- gerlichen Rechte, wogegen die früher besonders hervorgehobenen Verbre- chen, welche sich auf Hoheitsrechte und Regalien beziehen, gegenwärtig ihre besondere Bedeutung verloren haben, und die Strafbestimmungen über unerlaubte Verbindung im sechsten Titel unter den Vergehen wider die öffentliche Ordnung ihren Platz finden konnten. Daß der siebente Titel -- Münzverbrechen und Münzvergehen, -- von der Urkundenfälschung abgetrennt und hierher gestellt worden ist, muß als eine wesentliche Verbesserung angesehen werden, ebenso wie die falsche Anschuldigung (Tit. IX.) sich besser als ein selbständiges Verbrechen hinter dem Meineid ausnimmt, als zusammengeworfen mit der Verleum- dung, wie es noch der Entwurf von 1850 hatte. Der Meineid selbst (Tit. VIII.), die Vergehen, welche sich auf die Religion beziehen (Tit. X.) und die Verbrechen in Beziehung auf den Personenstand (Tit. XI.) bil- den dann den Uebergang von den gegen den Staat gerichteten Verbre- chen und Vergehen auf diejenigen, welche die Persönlichkeit verletzen, zu denen wenigstens in der Regel die gegen die Sittlichkeit (Tit. XII.) auch gehören. An die Verletzungen der Ehre (Tit. XIII.) schließt sich der Zweikampf an (Tit. XIV.), auf diesen folgen die Verbrechen und Vergehen wider das Leben, die Körperverletzungen und die Verbrechen und Vergehen wider die persönliche Freiheit (Tit. XVII.). Dann wer- den in den neun folgenden Titeln (XVIII-XXVI.) die Verbrechen und Vergehen gegen das Vermögen abgehandelt, wobei nur zu bemer- ken, daß bei dem Raube und der Erpressung (Tit. XIX.) zu der Ver- letzung des Vermögens auch die Persönlichkeit hinzutritt, und bei der Untreue (Tit. XXII.) es sich nicht bloß von Handlungen zum Nach- theile von Sachen, sondern auch von Personen handelt. Der Tit. XXVII. 2 *
§. V. Syſtem und Charakter des Strafgeſetzbuchs. Vergehen und deren Beſtrafung. Zuerſt kommen die Verbrechen undVergehen gegen den Staat, inſofern deſſen Exiſtenz, Integrität, Würde, Sicherheit und Ordnung dadurch gefährdet wird. Hochverrath und Landesverrath, obgleich dem Begriffe nach beſtimmt auseinandergehalten, ſind in demſelben Titel (I.) zuſammen geſtellt; ebenſo die Beleidigung der Majeſtät und der Mitglieder des Königlichen Hauſes (Tit. II.). Der dritte Titel iſt den feindlichen Handlungen gegen befreundete Staa- ten gewidmet, und faßt die in den beiden vorhergehenden Titeln auf- geführten Handlungen zuſammen, inſofern ſie nach außen hin gerichtet, ſtrafbar ſind, während ſie im Entwurf von 1847 jenen beiden Titeln einverleibt waren, zugleich mit dem Hochverrath und Landesverrath ge- gen den deutſchen Bund, worüber in das Strafgeſetzbuch keine beſon- deren Beſtimmungen aufgenommen worden ſind. — Neu und durch die veränderte Staatsverfaſſung hervorgerufen iſt der vierte Titel von Ver- brechen und Vergehen in Beziehung auf die Ausübung der ſtaatsbür- gerlichen Rechte, wogegen die früher beſonders hervorgehobenen Verbre- chen, welche ſich auf Hoheitsrechte und Regalien beziehen, gegenwärtig ihre beſondere Bedeutung verloren haben, und die Strafbeſtimmungen über unerlaubte Verbindung im ſechsten Titel unter den Vergehen wider die öffentliche Ordnung ihren Platz finden konnten. Daß der ſiebente Titel — Münzverbrechen und Münzvergehen, — von der Urkundenfälſchung abgetrennt und hierher geſtellt worden iſt, muß als eine weſentliche Verbeſſerung angeſehen werden, ebenſo wie die falſche Anſchuldigung (Tit. IX.) ſich beſſer als ein ſelbſtändiges Verbrechen hinter dem Meineid ausnimmt, als zuſammengeworfen mit der Verleum- dung, wie es noch der Entwurf von 1850 hatte. Der Meineid ſelbſt (Tit. VIII.), die Vergehen, welche ſich auf die Religion beziehen (Tit. X.) und die Verbrechen in Beziehung auf den Perſonenſtand (Tit. XI.) bil- den dann den Uebergang von den gegen den Staat gerichteten Verbre- chen und Vergehen auf diejenigen, welche die Perſönlichkeit verletzen, zu denen wenigſtens in der Regel die gegen die Sittlichkeit (Tit. XII.) auch gehören. An die Verletzungen der Ehre (Tit. XIII.) ſchließt ſich der Zweikampf an (Tit. XIV.), auf dieſen folgen die Verbrechen und Vergehen wider das Leben, die Körperverletzungen und die Verbrechen und Vergehen wider die perſönliche Freiheit (Tit. XVII.). Dann wer- den in den neun folgenden Titeln (XVIII-XXVI.) die Verbrechen und Vergehen gegen das Vermögen abgehandelt, wobei nur zu bemer- ken, daß bei dem Raube und der Erpreſſung (Tit. XIX.) zu der Ver- letzung des Vermögens auch die Perſönlichkeit hinzutritt, und bei der Untreue (Tit. XXII.) es ſich nicht bloß von Handlungen zum Nach- theile von Sachen, ſondern auch von Perſonen handelt. Der Tit. XXVII. 2 *
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§. V. Syſtem und Charakter des Strafgeſetzbuchs.
Vergehen und deren Beſtrafung. Zuerſt kommen die Verbrechen und
Vergehen gegen den Staat, inſofern deſſen Exiſtenz, Integrität, Würde,
Sicherheit und Ordnung dadurch gefährdet wird. Hochverrath und
Landesverrath, obgleich dem Begriffe nach beſtimmt auseinandergehalten,
ſind in demſelben Titel (I.) zuſammen geſtellt; ebenſo die Beleidigung
der Majeſtät und der Mitglieder des Königlichen Hauſes (Tit. II.).
Der dritte Titel iſt den feindlichen Handlungen gegen befreundete Staa-
ten gewidmet, und faßt die in den beiden vorhergehenden Titeln auf-
geführten Handlungen zuſammen, inſofern ſie nach außen hin gerichtet,
ſtrafbar ſind, während ſie im Entwurf von 1847 jenen beiden Titeln
einverleibt waren, zugleich mit dem Hochverrath und Landesverrath ge-
gen den deutſchen Bund, worüber in das Strafgeſetzbuch keine beſon-
deren Beſtimmungen aufgenommen worden ſind. — Neu und durch die
veränderte Staatsverfaſſung hervorgerufen iſt der vierte Titel von Ver-
brechen und Vergehen in Beziehung auf die Ausübung der ſtaatsbür-
gerlichen Rechte, wogegen die früher beſonders hervorgehobenen Verbre-
chen, welche ſich auf Hoheitsrechte und Regalien beziehen, gegenwärtig
ihre beſondere Bedeutung verloren haben, und die Strafbeſtimmungen
über unerlaubte Verbindung im ſechsten Titel unter den Vergehen
wider die öffentliche Ordnung ihren Platz finden konnten. Daß der
ſiebente Titel — Münzverbrechen und Münzvergehen, — von der
Urkundenfälſchung abgetrennt und hierher geſtellt worden iſt, muß als
eine weſentliche Verbeſſerung angeſehen werden, ebenſo wie die falſche
Anſchuldigung (Tit. IX.) ſich beſſer als ein ſelbſtändiges Verbrechen
hinter dem Meineid ausnimmt, als zuſammengeworfen mit der Verleum-
dung, wie es noch der Entwurf von 1850 hatte. Der Meineid ſelbſt
(Tit. VIII.), die Vergehen, welche ſich auf die Religion beziehen (Tit. X.)
und die Verbrechen in Beziehung auf den Perſonenſtand (Tit. XI.) bil-
den dann den Uebergang von den gegen den Staat gerichteten Verbre-
chen und Vergehen auf diejenigen, welche die Perſönlichkeit verletzen,
zu denen wenigſtens in der Regel die gegen die Sittlichkeit (Tit. XII.)
auch gehören. An die Verletzungen der Ehre (Tit. XIII.) ſchließt ſich
der Zweikampf an (Tit. XIV.), auf dieſen folgen die Verbrechen und
Vergehen wider das Leben, die Körperverletzungen und die Verbrechen
und Vergehen wider die perſönliche Freiheit (Tit. XVII.). Dann wer-
den in den neun folgenden Titeln (XVIII-XXVI.) die Verbrechen
und Vergehen gegen das Vermögen abgehandelt, wobei nur zu bemer-
ken, daß bei dem Raube und der Erpreſſung (Tit. XIX.) zu der Ver-
letzung des Vermögens auch die Perſönlichkeit hinzutritt, und bei
der Untreue (Tit. XXII.) es ſich nicht bloß von Handlungen zum Nach-
theile von Sachen, ſondern auch von Perſonen handelt. Der Tit. XXVII.
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