Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XIII. Verletzungen der Ehre.
um gravirende Thatsachen, welche den Andern in der öffentlichen Mei- nung dem Hasse und der Verachtung aussetzten, und die niemand ver- breiten dürfe, der nicht auch die Wahrheit derselben zu vertreten ver- möge; so wurde doch die Frage:
"Soll es unter allen Umständen strafbar sein, wenn jemand einem Anderen ein Verbrechen oder eine solche Handlung, durch welche derselbe sich verächtlich machen würde, nachsagt, ohne die Wahrheit hiervon beweisen zu können?" mit 30. gegen 13. verneint. h)
Im Sinne dieses Beschlusses wurden in dem Entwurf von 1843. die Verleumdung und die üble Nachrede getrennt behandelt, und in Beziehung auf die letztere bestimmt:
§. 261. "Ist die Aeußerung gegen einen Dritten geschehen, dem an deren Mittheilung gelegen ist, so tritt eine Bestrafung nur in dem Falle einer weiteren Verbreitung derselben und nur gegen denjenigen ein, durch dessen Verschulden die Verbreitung erfolgt ist."
Im weiteren Verlaufe der Revision verließ man aber diese Auf- fassung wieder, indem, mit Bezugnahme auf die dagegen erhobenen Bedenken angenommen wurde, daß es theils eine doch nicht ausreichende Kasuistik mit sich führen, theils gefährlichen Ausflüchten Raum eröffnen würde, wenn der zweideutige Begriff vertraulicher Mittheilungen aufge- nommen, oder alle Aeußerungen im Familienkreise oder gegen einen Freund ausgeschlossen würden. Es sei am Räthlichsten, hier dem rich- tigen Takte des Richters zu vertrauen. i)
I. Der wegen der Verleumdung in Anspruch Genommene kann sich vor Strafe schützen, wenn er den Beweis der Wahrheit der von ihm behaupteten oder verbreiteten Thatsachen führt. Dieser früher oft unbillig beschränkte Grundsatz ist jetzt zur vollen Anerkennung ge- langt, und in seiner Anwendung nur durch bestimmte, in der Natur der Verhältnisse liegende Normen begrenzt worden.
a. Nur die im Strafverfahren zulässigen Beweismittel sind zu- lässig (§. 157. Abs. 1.). Es sollte durch diese in der Kommission der zweiten Kammer angenommene Fassung die Eidesdelation ausgeschlossen werden, welche nach den Worten des Entwurfs von 1850. §. 146. gestattet schien, wenn dieß auch nicht in der Absicht der Staatsregierung gelegen hatte. k)
h)Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 20. März 1841.
i)Revision von 1845. II. S. 88-91. -- Verhandlungen der Staats- raths-Kommission von 1846. S. 91. -- Entwurf von 1847. §. 189. -- Verordnung vom 30. Juni 1849. §. 25. (G.-S. S. 231.).
k)Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 146. (157.).
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XIII. Verletzungen der Ehre.
um gravirende Thatſachen, welche den Andern in der öffentlichen Mei- nung dem Haſſe und der Verachtung ausſetzten, und die niemand ver- breiten dürfe, der nicht auch die Wahrheit derſelben zu vertreten ver- möge; ſo wurde doch die Frage:
„Soll es unter allen Umſtänden ſtrafbar ſein, wenn jemand einem Anderen ein Verbrechen oder eine ſolche Handlung, durch welche derſelbe ſich verächtlich machen würde, nachſagt, ohne die Wahrheit hiervon beweiſen zu können?“ mit 30. gegen 13. verneint. h)
Im Sinne dieſes Beſchluſſes wurden in dem Entwurf von 1843. die Verleumdung und die üble Nachrede getrennt behandelt, und in Beziehung auf die letztere beſtimmt:
§. 261. „Iſt die Aeußerung gegen einen Dritten geſchehen, dem an deren Mittheilung gelegen iſt, ſo tritt eine Beſtrafung nur in dem Falle einer weiteren Verbreitung derſelben und nur gegen denjenigen ein, durch deſſen Verſchulden die Verbreitung erfolgt iſt.“
Im weiteren Verlaufe der Reviſion verließ man aber dieſe Auf- faſſung wieder, indem, mit Bezugnahme auf die dagegen erhobenen Bedenken angenommen wurde, daß es theils eine doch nicht ausreichende Kaſuiſtik mit ſich führen, theils gefährlichen Ausflüchten Raum eröffnen würde, wenn der zweideutige Begriff vertraulicher Mittheilungen aufge- nommen, oder alle Aeußerungen im Familienkreiſe oder gegen einen Freund ausgeſchloſſen würden. Es ſei am Räthlichſten, hier dem rich- tigen Takte des Richters zu vertrauen. i)
I. Der wegen der Verleumdung in Anſpruch Genommene kann ſich vor Strafe ſchützen, wenn er den Beweis der Wahrheit der von ihm behaupteten oder verbreiteten Thatſachen führt. Dieſer früher oft unbillig beſchränkte Grundſatz iſt jetzt zur vollen Anerkennung ge- langt, und in ſeiner Anwendung nur durch beſtimmte, in der Natur der Verhältniſſe liegende Normen begrenzt worden.
a. Nur die im Strafverfahren zuläſſigen Beweismittel ſind zu- läſſig (§. 157. Abſ. 1.). Es ſollte durch dieſe in der Kommiſſion der zweiten Kammer angenommene Faſſung die Eidesdelation ausgeſchloſſen werden, welche nach den Worten des Entwurfs von 1850. §. 146. geſtattet ſchien, wenn dieß auch nicht in der Abſicht der Staatsregierung gelegen hatte. k)
h)Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 20. März 1841.
i)Reviſion von 1845. II. S. 88-91. — Verhandlungen der Staats- raths-Kommiſſion von 1846. S. 91. — Entwurf von 1847. §. 189. — Verordnung vom 30. Juni 1849. §. 25. (G.-S. S. 231.).
k)Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 146. (157.).
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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XIII. Verletzungen der Ehre.
um gravirende Thatſachen, welche den Andern in der öffentlichen Mei-
nung dem Haſſe und der Verachtung ausſetzten, und die niemand ver-
breiten dürfe, der nicht auch die Wahrheit derſelben zu vertreten ver-
möge; ſo wurde doch die Frage:
„Soll es unter allen Umſtänden ſtrafbar ſein, wenn jemand
einem Anderen ein Verbrechen oder eine ſolche Handlung, durch
welche derſelbe ſich verächtlich machen würde, nachſagt, ohne
die Wahrheit hiervon beweiſen zu können?“
mit 30. gegen 13. verneint. h)
Im Sinne dieſes Beſchluſſes wurden in dem Entwurf von 1843.
die Verleumdung und die üble Nachrede getrennt behandelt, und in
Beziehung auf die letztere beſtimmt:
§. 261. „Iſt die Aeußerung gegen einen Dritten geſchehen, dem
an deren Mittheilung gelegen iſt, ſo tritt eine Beſtrafung nur in dem
Falle einer weiteren Verbreitung derſelben und nur gegen denjenigen
ein, durch deſſen Verſchulden die Verbreitung erfolgt iſt.“
Im weiteren Verlaufe der Reviſion verließ man aber dieſe Auf-
faſſung wieder, indem, mit Bezugnahme auf die dagegen erhobenen
Bedenken angenommen wurde, daß es theils eine doch nicht ausreichende
Kaſuiſtik mit ſich führen, theils gefährlichen Ausflüchten Raum eröffnen
würde, wenn der zweideutige Begriff vertraulicher Mittheilungen aufge-
nommen, oder alle Aeußerungen im Familienkreiſe oder gegen einen
Freund ausgeſchloſſen würden. Es ſei am Räthlichſten, hier dem rich-
tigen Takte des Richters zu vertrauen. i)
I. Der wegen der Verleumdung in Anſpruch Genommene kann
ſich vor Strafe ſchützen, wenn er den Beweis der Wahrheit der
von ihm behaupteten oder verbreiteten Thatſachen führt. Dieſer früher
oft unbillig beſchränkte Grundſatz iſt jetzt zur vollen Anerkennung ge-
langt, und in ſeiner Anwendung nur durch beſtimmte, in der Natur
der Verhältniſſe liegende Normen begrenzt worden.
a. Nur die im Strafverfahren zuläſſigen Beweismittel ſind zu-
läſſig (§. 157. Abſ. 1.). Es ſollte durch dieſe in der Kommiſſion der
zweiten Kammer angenommene Faſſung die Eidesdelation ausgeſchloſſen
werden, welche nach den Worten des Entwurfs von 1850. §. 146.
geſtattet ſchien, wenn dieß auch nicht in der Abſicht der Staatsregierung
gelegen hatte. k)
h) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 20. März 1841.
i) Reviſion von 1845. II. S. 88-91. — Verhandlungen der Staats-
raths-Kommiſſion von 1846. S. 91. — Entwurf von 1847. §. 189. —
Verordnung vom 30. Juni 1849. §. 25. (G.-S. S. 231.).
k) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 146. (157.).
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/340>, abgerufen am 26.06.2024.
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