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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVI. Körperverletzung.
mit den Realinjurien darf aber nicht zu der Ansicht führen, als ob in
dem §. 187. nur die leichten Fälle eines solchen Delikts unter Strafe
gestellt sind. Es wird hier vielmehr das Vergehen im Allgemeinen
behandelt, so daß nur die gesetzlich ausgezeichneten Fälle der schweren
Verschuldung (§§. 190-94.) besonderen Strafvorschriften unterworfen
sind. Eine Körperverletzung oder Mißhandlung also, welche an sich
vielleicht bedeutend, nicht in bestimmter gesetzlicher Weise erschwert ist,
muß nach dem §. 187. beurtheilt werden. Daher ist auch die gesetzliche
Strafe Gefängniß bis zu zwei Jahren, und es bedarf der Feststellung
besonderer mildernder Umstände, wenn die Geldbuße für zulässig erklärt
werden soll (§. 187. Abs. 2.). Nimmt man nun an, daß, entsprechend
den Vorschriften über die Ehrverletzungen, in den leichteren Fällen der
Realinjurien die Geldbuße eintreten soll, so hat der Richter hierin einen
Fingerzeig, daß außer dem so eben angeführten Umstande der Provoka-
tion auch in der Beschaffenheit der strafbaren Handlung selbst ein Mil-
derungsgrund liegen kann.

III. In Beziehung auf die wechselseitige Zufügung leichter Kör-
perverletzungen und Mißhandlungen (§. 188.) sind die Vorschriften des
§. 153. über wechselseitige Beleidigungen wörtlich wiederholt. Was
unter "leichten" Verletzungen und Mißhandlungen zu verstehen, ergiebt
sich aus dem vorher Gesagten; es sind solche Thätlichkeiten, in denen
der Charakter der Ehrverletzung überwiegt, und die Gewaltthätigkeit mehr
als Mittel zum Zweck der Beleidigung erscheint.

IV. Es ist oben gezeigt worden, daß selbst bei der Privatehrver-
letzung das Einschreiten von Amtswegen nicht unbedingt ausgeschlossen
ist; um so weniger kann es bei Körperverletzungen und Mißhandlungen
der Fall sein, deren Bestrafung, auch wenn sie nicht zu den gesetzlich
ausgezeichneten Arten gehören, im Interesse der öffentlichen Ordnung
unter Umständen wünschenswerth ist. Aber auch nur aus allgemeinen
Rücksichten wird die Staatsanwaltschaft einschreiten; die Wahrung der
Privatehre an sich wird der Privatklage des Verletzten zu überlassen
sein. In diesem Sinne ist der §. 189. zu verstehen, welcher, wenn es
zur Privatklage gekommen ist, die Vorschriften des §§. 160-62. für
maaßgebend erklärt. e)


e) Diesen Sinn des Gesetzes hatte auch wohl der Abgeordnete Kisker im Auge,
als er in der Sitzung der ersten Kammer vom 12. April 1851. es tadelnd bemerkte,
daß es lediglich der Staatsanwaltschaft überlassen sei, wegen Realinjurien einzuschrei-
ten. Geschieht dieß nämlich, so wird die Privatklage des Verletzten ausgeschlossen,
und er muß, vielleicht wider Willen, über die ihm zugefügte Beleidigung verhandeln
lassen. Im Allgemeinen wird aber wohl bei der Staatsanwaltschaft die Neigung
nicht vorherrschen, ohne ganz besondere Veranlassung Injurienprozesse aufzunehmen.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVI. Körperverletzung.
mit den Realinjurien darf aber nicht zu der Anſicht führen, als ob in
dem §. 187. nur die leichten Fälle eines ſolchen Delikts unter Strafe
geſtellt ſind. Es wird hier vielmehr das Vergehen im Allgemeinen
behandelt, ſo daß nur die geſetzlich ausgezeichneten Fälle der ſchweren
Verſchuldung (§§. 190-94.) beſonderen Strafvorſchriften unterworfen
ſind. Eine Körperverletzung oder Mißhandlung alſo, welche an ſich
vielleicht bedeutend, nicht in beſtimmter geſetzlicher Weiſe erſchwert iſt,
muß nach dem §. 187. beurtheilt werden. Daher iſt auch die geſetzliche
Strafe Gefängniß bis zu zwei Jahren, und es bedarf der Feſtſtellung
beſonderer mildernder Umſtände, wenn die Geldbuße für zuläſſig erklärt
werden ſoll (§. 187. Abſ. 2.). Nimmt man nun an, daß, entſprechend
den Vorſchriften über die Ehrverletzungen, in den leichteren Fällen der
Realinjurien die Geldbuße eintreten ſoll, ſo hat der Richter hierin einen
Fingerzeig, daß außer dem ſo eben angeführten Umſtande der Provoka-
tion auch in der Beſchaffenheit der ſtrafbaren Handlung ſelbſt ein Mil-
derungsgrund liegen kann.

III. In Beziehung auf die wechſelſeitige Zufügung leichter Kör-
perverletzungen und Mißhandlungen (§. 188.) ſind die Vorſchriften des
§. 153. über wechſelſeitige Beleidigungen wörtlich wiederholt. Was
unter „leichten“ Verletzungen und Mißhandlungen zu verſtehen, ergiebt
ſich aus dem vorher Geſagten; es ſind ſolche Thätlichkeiten, in denen
der Charakter der Ehrverletzung überwiegt, und die Gewaltthätigkeit mehr
als Mittel zum Zweck der Beleidigung erſcheint.

IV. Es iſt oben gezeigt worden, daß ſelbſt bei der Privatehrver-
letzung das Einſchreiten von Amtswegen nicht unbedingt ausgeſchloſſen
iſt; um ſo weniger kann es bei Körperverletzungen und Mißhandlungen
der Fall ſein, deren Beſtrafung, auch wenn ſie nicht zu den geſetzlich
ausgezeichneten Arten gehören, im Intereſſe der öffentlichen Ordnung
unter Umſtänden wünſchenswerth iſt. Aber auch nur aus allgemeinen
Rückſichten wird die Staatsanwaltſchaft einſchreiten; die Wahrung der
Privatehre an ſich wird der Privatklage des Verletzten zu überlaſſen
ſein. In dieſem Sinne iſt der §. 189. zu verſtehen, welcher, wenn es
zur Privatklage gekommen iſt, die Vorſchriften des §§. 160-62. für
maaßgebend erklärt. e)


e) Dieſen Sinn des Geſetzes hatte auch wohl der Abgeordnete Kisker im Auge,
als er in der Sitzung der erſten Kammer vom 12. April 1851. es tadelnd bemerkte,
daß es lediglich der Staatsanwaltſchaft überlaſſen ſei, wegen Realinjurien einzuſchrei-
ten. Geſchieht dieß nämlich, ſo wird die Privatklage des Verletzten ausgeſchloſſen,
und er muß, vielleicht wider Willen, über die ihm zugefügte Beleidigung verhandeln
laſſen. Im Allgemeinen wird aber wohl bei der Staatsanwaltſchaft die Neigung
nicht vorherrſchen, ohne ganz beſondere Veranlaſſung Injurienprozeſſe aufzunehmen.
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[368/0378] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVI. Körperverletzung. mit den Realinjurien darf aber nicht zu der Anſicht führen, als ob in dem §. 187. nur die leichten Fälle eines ſolchen Delikts unter Strafe geſtellt ſind. Es wird hier vielmehr das Vergehen im Allgemeinen behandelt, ſo daß nur die geſetzlich ausgezeichneten Fälle der ſchweren Verſchuldung (§§. 190-94.) beſonderen Strafvorſchriften unterworfen ſind. Eine Körperverletzung oder Mißhandlung alſo, welche an ſich vielleicht bedeutend, nicht in beſtimmter geſetzlicher Weiſe erſchwert iſt, muß nach dem §. 187. beurtheilt werden. Daher iſt auch die geſetzliche Strafe Gefängniß bis zu zwei Jahren, und es bedarf der Feſtſtellung beſonderer mildernder Umſtände, wenn die Geldbuße für zuläſſig erklärt werden ſoll (§. 187. Abſ. 2.). Nimmt man nun an, daß, entſprechend den Vorſchriften über die Ehrverletzungen, in den leichteren Fällen der Realinjurien die Geldbuße eintreten ſoll, ſo hat der Richter hierin einen Fingerzeig, daß außer dem ſo eben angeführten Umſtande der Provoka- tion auch in der Beſchaffenheit der ſtrafbaren Handlung ſelbſt ein Mil- derungsgrund liegen kann. III. In Beziehung auf die wechſelſeitige Zufügung leichter Kör- perverletzungen und Mißhandlungen (§. 188.) ſind die Vorſchriften des §. 153. über wechſelſeitige Beleidigungen wörtlich wiederholt. Was unter „leichten“ Verletzungen und Mißhandlungen zu verſtehen, ergiebt ſich aus dem vorher Geſagten; es ſind ſolche Thätlichkeiten, in denen der Charakter der Ehrverletzung überwiegt, und die Gewaltthätigkeit mehr als Mittel zum Zweck der Beleidigung erſcheint. IV. Es iſt oben gezeigt worden, daß ſelbſt bei der Privatehrver- letzung das Einſchreiten von Amtswegen nicht unbedingt ausgeſchloſſen iſt; um ſo weniger kann es bei Körperverletzungen und Mißhandlungen der Fall ſein, deren Beſtrafung, auch wenn ſie nicht zu den geſetzlich ausgezeichneten Arten gehören, im Intereſſe der öffentlichen Ordnung unter Umſtänden wünſchenswerth iſt. Aber auch nur aus allgemeinen Rückſichten wird die Staatsanwaltſchaft einſchreiten; die Wahrung der Privatehre an ſich wird der Privatklage des Verletzten zu überlaſſen ſein. In dieſem Sinne iſt der §. 189. zu verſtehen, welcher, wenn es zur Privatklage gekommen iſt, die Vorſchriften des §§. 160-62. für maaßgebend erklärt. e) e) Dieſen Sinn des Geſetzes hatte auch wohl der Abgeordnete Kisker im Auge, als er in der Sitzung der erſten Kammer vom 12. April 1851. es tadelnd bemerkte, daß es lediglich der Staatsanwaltſchaft überlaſſen ſei, wegen Realinjurien einzuſchrei- ten. Geſchieht dieß nämlich, ſo wird die Privatklage des Verletzten ausgeſchloſſen, und er muß, vielleicht wider Willen, über die ihm zugefügte Beleidigung verhandeln laſſen. Im Allgemeinen wird aber wohl bei der Staatsanwaltſchaft die Neigung nicht vorherrſchen, ohne ganz beſondere Veranlaſſung Injurienprozeſſe aufzunehmen.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/378>, abgerufen am 21.11.2024.