Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Historische Einleitung. und Unfreiheit an. Jene entspricht im Wesentlichen noch demin der alten Volksverfassung gewährten Rechte, nur daß an dem allgemeinen Reichsregiment nicht alle Freien Theil neh- men konnten; insofern bildete sich früh eine Abstufung der politischen Berechtigung, welche man in die Formen des Le- henwesens brachte. Aber eine Verschiedenheit der Stände im späteren Sinne ward dadurch nicht begründet; auch der Ge- meinfreie nahm sein Recht nur von seinen Genossen, vor ei- nem unter dem Königsbann gehegten Gerichte, dem auch, wenn nicht besondere Verhältnisse in Betracht kamen, die Her- ren aus den ersten Geschlechtern unterworfen waren. Wer von einem andern als dem Könige ein Lehen annahm, der erniedrigte freilich seinen Heerschild, und trat in seinem Range zurück; aber das Lehenrecht selbst enthielt doch im Allgemeinen ganz gleichmäßige Bestimmungen, und in dem Landrecht war das gemeine Recht der Freien enthalten, welches noch in allen Fällen zur Anwendung kam, die nicht speciell unter dem Le- henrecht standen, ja noch im 12. Jahrhundert zuweilen gegen dessen Principien aufrecht erhalten ward. Nimmt man nun dazu die beschränkte Erblichkeit der deutschen Lehen, welche nicht an die Seitenverwandten kamen, und sieht man, wie hoch noch in späten Zeiten das Glück und die Ehre, auf freiem Allod zu sitzen, von den Deutschen angeschlagen wurden, so tritt die Bedeutung des Landrechts mit überwiegender Wich- tigkeit hervor. -- Für die rechte Kunde und Würdigung die- ser Verhältnisse ist uns aus der Zeit Friedrich Barbarossas eine unschätzbare Quelle erhalten worden, -- nämlich das Rechtsbuch des Sachsenspiegels, welches nicht bloß das Ver- ständniß der damaligen Zustände eröffnet, sondern auch für die spätere Entwicklung des deutschen Rechts einen festen Anhalt Hiſtoriſche Einleitung. und Unfreiheit an. Jene entſpricht im Weſentlichen noch demin der alten Volksverfaſſung gewaͤhrten Rechte, nur daß an dem allgemeinen Reichsregiment nicht alle Freien Theil neh- men konnten; inſofern bildete ſich fruͤh eine Abſtufung der politiſchen Berechtigung, welche man in die Formen des Le- henweſens brachte. Aber eine Verſchiedenheit der Staͤnde im ſpaͤteren Sinne ward dadurch nicht begruͤndet; auch der Ge- meinfreie nahm ſein Recht nur von ſeinen Genoſſen, vor ei- nem unter dem Koͤnigsbann gehegten Gerichte, dem auch, wenn nicht beſondere Verhaͤltniſſe in Betracht kamen, die Her- ren aus den erſten Geſchlechtern unterworfen waren. Wer von einem andern als dem Koͤnige ein Lehen annahm, der erniedrigte freilich ſeinen Heerſchild, und trat in ſeinem Range zuruͤck; aber das Lehenrecht ſelbſt enthielt doch im Allgemeinen ganz gleichmaͤßige Beſtimmungen, und in dem Landrecht war das gemeine Recht der Freien enthalten, welches noch in allen Faͤllen zur Anwendung kam, die nicht ſpeciell unter dem Le- henrecht ſtanden, ja noch im 12. Jahrhundert zuweilen gegen deſſen Principien aufrecht erhalten ward. Nimmt man nun dazu die beſchraͤnkte Erblichkeit der deutſchen Lehen, welche nicht an die Seitenverwandten kamen, und ſieht man, wie hoch noch in ſpaͤten Zeiten das Gluͤck und die Ehre, auf freiem Allod zu ſitzen, von den Deutſchen angeſchlagen wurden, ſo tritt die Bedeutung des Landrechts mit uͤberwiegender Wich- tigkeit hervor. — Fuͤr die rechte Kunde und Wuͤrdigung die- ſer Verhaͤltniſſe iſt uns aus der Zeit Friedrich Barbaroſſas eine unſchaͤtzbare Quelle erhalten worden, — naͤmlich das Rechtsbuch des Sachſenſpiegels, welches nicht bloß das Ver- ſtaͤndniß der damaligen Zuſtaͤnde eroͤffnet, ſondern auch fuͤr die ſpaͤtere Entwicklung des deutſchen Rechts einen feſten Anhalt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0025" n="13"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Hiſtoriſche Einleitung</hi>.</fw><lb/> und Unfreiheit an. 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Hiſtoriſche Einleitung.
und Unfreiheit an. Jene entſpricht im Weſentlichen noch dem
in der alten Volksverfaſſung gewaͤhrten Rechte, nur daß an
dem allgemeinen Reichsregiment nicht alle Freien Theil neh-
men konnten; inſofern bildete ſich fruͤh eine Abſtufung der
politiſchen Berechtigung, welche man in die Formen des Le-
henweſens brachte. Aber eine Verſchiedenheit der Staͤnde im
ſpaͤteren Sinne ward dadurch nicht begruͤndet; auch der Ge-
meinfreie nahm ſein Recht nur von ſeinen Genoſſen, vor ei-
nem unter dem Koͤnigsbann gehegten Gerichte, dem auch,
wenn nicht beſondere Verhaͤltniſſe in Betracht kamen, die Her-
ren aus den erſten Geſchlechtern unterworfen waren. Wer
von einem andern als dem Koͤnige ein Lehen annahm, der
erniedrigte freilich ſeinen Heerſchild, und trat in ſeinem Range
zuruͤck; aber das Lehenrecht ſelbſt enthielt doch im Allgemeinen
ganz gleichmaͤßige Beſtimmungen, und in dem Landrecht war
das gemeine Recht der Freien enthalten, welches noch in allen
Faͤllen zur Anwendung kam, die nicht ſpeciell unter dem Le-
henrecht ſtanden, ja noch im 12. Jahrhundert zuweilen gegen
deſſen Principien aufrecht erhalten ward. Nimmt man nun
dazu die beſchraͤnkte Erblichkeit der deutſchen Lehen, welche
nicht an die Seitenverwandten kamen, und ſieht man, wie
hoch noch in ſpaͤten Zeiten das Gluͤck und die Ehre, auf freiem
Allod zu ſitzen, von den Deutſchen angeſchlagen wurden, ſo
tritt die Bedeutung des Landrechts mit uͤberwiegender Wich-
tigkeit hervor. — Fuͤr die rechte Kunde und Wuͤrdigung die-
ſer Verhaͤltniſſe iſt uns aus der Zeit Friedrich Barbaroſſas
eine unſchaͤtzbare Quelle erhalten worden, — naͤmlich das
Rechtsbuch des Sachſenſpiegels, welches nicht bloß das Ver-
ſtaͤndniß der damaligen Zuſtaͤnde eroͤffnet, ſondern auch fuͤr die
ſpaͤtere Entwicklung des deutſchen Rechts einen feſten Anhalt
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