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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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Viele Bildungen unserer Sprache zeigen noch den sinnlich malenden onomatopoetischen p1b_120.002
Charakter beim ersten Blick. Jch erinnere nur an Wörter wie: p1b_120.003
piff, paff, puff, sieden, wallen, rasseln, prasseln, sausen, brausen, brüllen, p1b_120.004
krachen, blitzen, donnern, rollen, klappern, klirren, klingeln, lachen, klaffen, p1b_120.005
klatschen, platschen, plätschern, klopfen, gackern, flammen, fluten, schnattern, p1b_120.006
krähen, grunzen, schmettern, flattern, jagen, schlagen, miauen; Trommel, Hummel. p1b_120.007
- Solche Wörter bildeten sich zweifellos nicht zufällig aus denselben Konsonanten p1b_120.008
und Vokalen! Man benützte vielleicht instinktiv eine bestimmte Konsonanten= oder p1b_120.009
Vokalverbindung, noch häufiger den einzelnen Vokal oder Konsonanten, um im p1b_120.010
Hinblick auf Grundfarbe und symbolische Bedeutung dieser Verbindungen und p1b_120.011
Laute ein Grundgefühl auszudrücken. Nachweislich diente, wie auch die dichterischen p1b_120.012
Beispiele weiter unten darthun werden:

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Schl für Bezeichnung des sich Schlingenden, Schlüpfrigen p1b_120.014
(Schlange, Schlinge).

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Kr für das sich Krümmende (Kranz, kraus, Kram).

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St für das Bestehende, Dauernde (stehen, stellen, Stand, Stamm, p1b_120.017
Stütze, Stock, Staat, stampfen, Stein).

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Fl für leichte Bewegung, für das Hauchen, Wehen (fliegen, fließen).

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Pl und Bl für das Blähende, Platzende. (Der Mund bläht p1b_120.020
sich zur Form der Blase auf und platzt, z. B. Plage == Schlag oder Stoß, p1b_120.021
plege, plaga, ferner Platz, plappern, plaudern, Plunze == eine sich bis p1b_120.022
zum Platzen blähende Wurst, plötzlich; Blitz, blinken, blenden, blaß, bleich, p1b_120.023
Blöße, Blüte, Blut, Blatter, blecken.)

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R für die stärkere Bewegung. Jordan findet in r die Vorstellung p1b_120.025
der Unebenheit, Heftigkeit, Rauhigkeit, des Aufregenden als Eigenschaft, als p1b_120.026
Bewegung oder der von ihr bewirkten Gestaltung, z. B. rauh, rauschen, rasseln, p1b_120.027
regen, Rohr == das gegen einander Rauschende, rühren, rot == eine erregende p1b_120.028
Farbe, Reiz, reißen, Reif, rennen, rinnen, rieseln, reiben, Rand, rasch, Roß, p1b_120.029
rüstig, Rabe u. s. f.

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Z für das Zerstörende, Zermalmende (Zahn, zerreißen).

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T und P für das Harte, Heftige, Widerstrebende.

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L für das Liebliche, Zarte, Milde, Schmeichelnde, Weiche, p1b_120.033
Langsame, weniger Handelnde als Leidende
(Liebe, Leid, liegen, Luft, p1b_120.034
linde, leise).

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H für das geistig Bewegte, Mächtige, Erhabene (Haß, Hülfe, p1b_120.036
Heil, heilig, heimlich, heftig, Hüne, Halle, Himmel, Hölle, hoch).

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A für das Volle, Starke, Mannhafte, Klare.

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E für Bezeichnung des Klang- und Charakterlosen.

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J für das Jnnige, Sinnige, Liebliche, Freudige, Rasche, Scharfe, p1b_120.040
Hellklingende.

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O für das Tonangebende, Volle, Pompöse, aber auch Tote, p1b_120.042
Hohle.

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U für Glut, Wut, Flut; aber auch für Furcht, Luft und das p1b_120.044
Dumpfklingende.

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Viele Bildungen unserer Sprache zeigen noch den sinnlich malenden onomatopoetischen p1b_120.002
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[120/0154] p1b_120.001 Viele Bildungen unserer Sprache zeigen noch den sinnlich malenden onomatopoetischen p1b_120.002 Charakter beim ersten Blick. Jch erinnere nur an Wörter wie: p1b_120.003 piff, paff, puff, sieden, wallen, rasseln, prasseln, sausen, brausen, brüllen, p1b_120.004 krachen, blitzen, donnern, rollen, klappern, klirren, klingeln, lachen, klaffen, p1b_120.005 klatschen, platschen, plätschern, klopfen, gackern, flammen, fluten, schnattern, p1b_120.006 krähen, grunzen, schmettern, flattern, jagen, schlagen, miauen; Trommel, Hummel. p1b_120.007 ─ Solche Wörter bildeten sich zweifellos nicht zufällig aus denselben Konsonanten p1b_120.008 und Vokalen! Man benützte vielleicht instinktiv eine bestimmte Konsonanten= oder p1b_120.009 Vokalverbindung, noch häufiger den einzelnen Vokal oder Konsonanten, um im p1b_120.010 Hinblick auf Grundfarbe und symbolische Bedeutung dieser Verbindungen und p1b_120.011 Laute ein Grundgefühl auszudrücken. Nachweislich diente, wie auch die dichterischen p1b_120.012 Beispiele weiter unten darthun werden: p1b_120.013 Schl für Bezeichnung des sich Schlingenden, Schlüpfrigen p1b_120.014 (Schlange, Schlinge). p1b_120.015 Kr für das sich Krümmende (Kranz, kraus, Kram). p1b_120.016 St für das Bestehende, Dauernde (stehen, stellen, Stand, Stamm, p1b_120.017 Stütze, Stock, Staat, stampfen, Stein). p1b_120.018 Fl für leichte Bewegung, für das Hauchen, Wehen (fliegen, fließen). p1b_120.019 Pl und Bl für das Blähende, Platzende. (Der Mund bläht p1b_120.020 sich zur Form der Blase auf und platzt, z. B. Plage == Schlag oder Stoß, p1b_120.021 πληγή, plaga, ferner Platz, plappern, plaudern, Plunze == eine sich bis p1b_120.022 zum Platzen blähende Wurst, plötzlich; Blitz, blinken, blenden, blaß, bleich, p1b_120.023 Blöße, Blüte, Blut, Blatter, blecken.) p1b_120.024 R für die stärkere Bewegung. Jordan findet in r die Vorstellung p1b_120.025 der Unebenheit, Heftigkeit, Rauhigkeit, des Aufregenden als Eigenschaft, als p1b_120.026 Bewegung oder der von ihr bewirkten Gestaltung, z. B. rauh, rauschen, rasseln, p1b_120.027 regen, Rohr == das gegen einander Rauschende, rühren, rot == eine erregende p1b_120.028 Farbe, Reiz, reißen, Reif, rennen, rinnen, rieseln, reiben, Rand, rasch, Roß, p1b_120.029 rüstig, Rabe u. s. f. p1b_120.030 Z für das Zerstörende, Zermalmende (Zahn, zerreißen). p1b_120.031 T und P für das Harte, Heftige, Widerstrebende. p1b_120.032 L für das Liebliche, Zarte, Milde, Schmeichelnde, Weiche, p1b_120.033 Langsame, weniger Handelnde als Leidende (Liebe, Leid, liegen, Luft, p1b_120.034 linde, leise). p1b_120.035 H für das geistig Bewegte, Mächtige, Erhabene (Haß, Hülfe, p1b_120.036 Heil, heilig, heimlich, heftig, Hüne, Halle, Himmel, Hölle, hoch). p1b_120.037 A für das Volle, Starke, Mannhafte, Klare. p1b_120.038 E für Bezeichnung des Klang- und Charakterlosen. p1b_120.039 J für das Jnnige, Sinnige, Liebliche, Freudige, Rasche, Scharfe, p1b_120.040 Hellklingende. p1b_120.041 O für das Tonangebende, Volle, Pompöse, aber auch Tote, p1b_120.042 Hohle. p1b_120.043 U für Glut, Wut, Flut; aber auch für Furcht, Luft und das p1b_120.044 Dumpfklingende.

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/154>, abgerufen am 22.11.2024.