Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_225.001 § 69. Accent und Quantität im Mittelhochdeutschen. p1b_225.002 p1b_225.008 p1b_225.011 p1b_225.013 Ez wuohs in Burgonden ein vil edel magedein, p1b_225.015 daz in allen landen niht schöners mohte sein, p1b_225.016 Kriemhilt geheizen, diu wart ein scoene weip; p1b_225.017 dar umbe muosen degene vil verliesen den leip. p1b_225.018 Jr pflagen dreie künege edel unde reich p1b_225.019 Gunther unde Gernot, die recken lobeleich u. s. w. p1b_225.020 Hochvart, der helle künegein, p1b_225.022 diu wil bei allen liuten sein. p1b_225.023 swie biderbe oder böse er sei, p1b_225.024 sie lat eht niemens herze vrei. p1b_225.025 Hochvart, geitcheit (Geiz) unde neit (Neid) p1b_225.026 diu habent noch vaste (fest) ir ersten streit: p1b_225.027 daz schein et an Adame; p1b_225.028 sus (so) verdarp sin reiner same. p1b_225.029 Hochvart steiget manegen tac u. s. w. p1b_225.030 Er sprach: der tohter muoz ich han; p1b_225.032
sie ist hoh und wol getan p1b_225.033 und hat so wünnecleichen schein, p1b_225.034 si mac wol vil edele sein. p1b_225.035 nu sage mir von der sunnen me: p1b_225.001 § 69. Accent und Quantität im Mittelhochdeutschen. p1b_225.002 p1b_225.008 p1b_225.011 p1b_225.013 Ez wuohs in Burgonden ein vil édel magedîn, p1b_225.015 daz in allen landen niht schöners mohte sîn, p1b_225.016 Kriemhilt geheizen, diu wart ein scoene wîp; p1b_225.017 dar umbe muosen degene vil verlíesén den lîp. p1b_225.018 Jr pflâgen drîe künege edel unde rîch p1b_225.019 Gunther unde Gêrnôt, die recken lobelîch u. s. w. p1b_225.020 Hôchvart, der helle künegîn, p1b_225.022 diu wil bî allen liuten sîn. p1b_225.023 swie biderbe oder böse er sî, p1b_225.024 sie lât eht niemens herze vrî. p1b_225.025 Hôchvart, gîtcheit (Geiz) unde nît (Neid) p1b_225.026 diu habent noch vaste (fest) ir êrsten strît: p1b_225.027 daz schein et an Adâme; p1b_225.028 sus (so) verdarp sin reiner sâme. p1b_225.029 Hôchvart stîget manegen tac u. s. w. p1b_225.030 Er sprach: der tohter muoz ich hân; p1b_225.032
sie ist hôh und wol getân p1b_225.033 und hât sô wünneclîchen schîn, p1b_225.034 si mac wol vil edele sîn. p1b_225.035 nu sage mir von der sunnen mê: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0259" n="225"/> </div> <div n="3"> <lb n="p1b_225.001"/> <head> <hi rendition="#c">§ 69. Accent und Quantität im Mittelhochdeutschen.</hi> </head> <p><lb n="p1b_225.002"/> 1. Jm Anfange des 13. Jahrh. und in der Folgezeit wurden <lb n="p1b_225.003"/> Tonzeichen (zur Bezeichnung des Accents) immer seltener; sie fanden <lb n="p1b_225.004"/> sich noch hie und da, um die tonliche Bevorzugung des Reims anzuzeigen. <lb n="p1b_225.005"/> Der Quantität ließ man insofern noch eine (allmählich <lb n="p1b_225.006"/> verschwindende) Rücksicht angedeihen, als man noch die Längen und <lb n="p1b_225.007"/> die Diphthonge bezeichnete.</p> <p><lb n="p1b_225.008"/> 2. Mit der Herrschaft des Reims begründete sich zusehends die <lb n="p1b_225.009"/> Herrschaft des Accents, besonders im christlichen Gedicht und Gesang <lb n="p1b_225.010"/> wie im Volksliede.</p> <p><lb n="p1b_225.011"/> 1. Einige Proben mögen die Abnahme der Tonzeichen wie deren übrig <lb n="p1b_225.012"/> gebliebene Verwendung beweisen:</p> <p><lb n="p1b_225.013"/><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">aus dem Nibelungenepos.</hi></p> <lb n="p1b_225.014"/> <lg> <l>Ez wuohs in Burgonden ein vil édel magedîn,</l> <lb n="p1b_225.015"/> <l>daz in allen landen niht schöners mohte sîn,</l> <lb n="p1b_225.016"/> <l>Kriemhilt geheizen, diu wart ein scoene wîp;</l> <lb n="p1b_225.017"/> <l>dar umbe muosen degene vil verlíesén den lîp.</l> <lb n="p1b_225.018"/> <l> Jr pflâgen drîe künege edel unde rîch</l> <lb n="p1b_225.019"/> <l>Gunther unde Gêrnôt, die recken lobelîch u. s. w.</l> </lg> <p><lb n="p1b_225.020"/><hi rendition="#aq">b</hi>. <hi rendition="#g">aus Walthers von der Vogelweide</hi> „<hi rendition="#g">Von Hôchverte</hi>“.</p> <lb n="p1b_225.021"/> <lg> <l>Hôchvart, der helle künegîn,</l> <lb n="p1b_225.022"/> <l>diu wil bî allen liuten sîn.</l> <lb n="p1b_225.023"/> <l>swie biderbe oder böse er sî,</l> <lb n="p1b_225.024"/> <l>sie lât eht niemens herze vrî.</l> <lb n="p1b_225.025"/> <l>Hôchvart, gîtcheit (Geiz) unde nît (Neid)</l> <lb n="p1b_225.026"/> <l>diu habent noch vaste (fest) ir êrsten strît:</l> <lb n="p1b_225.027"/> <l>daz schein et an Adâme;</l> <lb n="p1b_225.028"/> <l>sus (so) verdarp sin reiner sâme.</l> <lb n="p1b_225.029"/> <l>Hôchvart stîget manegen tac u. s. w.</l> </lg> <p><lb n="p1b_225.030"/><hi rendition="#aq">c</hi>. <hi rendition="#g">aus Strickaeres</hi> „<hi rendition="#g">Kater freier</hi>“.</p> <lb n="p1b_225.031"/> <lg> <l>Er sprach: der tohter muoz ich hân;</l> <lb n="p1b_225.032"/> <l>sie ist hôh und wol getân</l> <lb n="p1b_225.033"/> <l>und hât sô wünneclîchen schîn,</l> <lb n="p1b_225.034"/> <l>si mac wol vil edele sîn.</l> <lb n="p1b_225.035"/> <l>nu sage mir von der sunnen mê:</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [225/0259]
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§ 69. Accent und Quantität im Mittelhochdeutschen. p1b_225.002
1. Jm Anfange des 13. Jahrh. und in der Folgezeit wurden p1b_225.003
Tonzeichen (zur Bezeichnung des Accents) immer seltener; sie fanden p1b_225.004
sich noch hie und da, um die tonliche Bevorzugung des Reims anzuzeigen. p1b_225.005
Der Quantität ließ man insofern noch eine (allmählich p1b_225.006
verschwindende) Rücksicht angedeihen, als man noch die Längen und p1b_225.007
die Diphthonge bezeichnete.
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2. Mit der Herrschaft des Reims begründete sich zusehends die p1b_225.009
Herrschaft des Accents, besonders im christlichen Gedicht und Gesang p1b_225.010
wie im Volksliede.
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1. Einige Proben mögen die Abnahme der Tonzeichen wie deren übrig p1b_225.012
gebliebene Verwendung beweisen:
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a. aus dem Nibelungenepos.
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Ez wuohs in Burgonden ein vil édel magedîn, p1b_225.015
daz in allen landen niht schöners mohte sîn, p1b_225.016
Kriemhilt geheizen, diu wart ein scoene wîp; p1b_225.017
dar umbe muosen degene vil verlíesén den lîp. p1b_225.018
Jr pflâgen drîe künege edel unde rîch p1b_225.019
Gunther unde Gêrnôt, die recken lobelîch u. s. w.
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b. aus Walthers von der Vogelweide „Von Hôchverte“.
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Hôchvart, der helle künegîn, p1b_225.022
diu wil bî allen liuten sîn. p1b_225.023
swie biderbe oder böse er sî, p1b_225.024
sie lât eht niemens herze vrî. p1b_225.025
Hôchvart, gîtcheit (Geiz) unde nît (Neid) p1b_225.026
diu habent noch vaste (fest) ir êrsten strît: p1b_225.027
daz schein et an Adâme; p1b_225.028
sus (so) verdarp sin reiner sâme. p1b_225.029
Hôchvart stîget manegen tac u. s. w.
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c. aus Strickaeres „Kater freier“.
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Er sprach: der tohter muoz ich hân; p1b_225.032
sie ist hôh und wol getân p1b_225.033
und hât sô wünneclîchen schîn, p1b_225.034
si mac wol vil edele sîn. p1b_225.035
nu sage mir von der sunnen mê:
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