Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_237.001 Ehr, Macht, Ruhm, Glück, Gut mir paßt p1b_237.012 p1b_237.013 p1b_237.022 p1b_237.024 A. Thetische, sprachwidrige Behandlung der Tonsilben. p1b_237.025 Staats | wurden, Wohlstand eine Last von Wissen p1b_237.027(statt: Staatswünrden). p1b_237.028Menschliche | Schwäche ver | dient Nach | sicht in der Sphäre des p1b_237.029 p1b_237.030Handelns (statt: Nachsicht). p1b_237.031Wie es den | Wassern ent | steigt, aus | breitet sich Abendgewölk schon p1b_237.032(statt: ausbreitet). p1b_237.033 (statt: ich zur Auskunft). p1b_237.035Als rings | her pech | schwarz auf | stieg graun | drohende | Sturmnacht p1b_237.036(statt: ringsher, pechschwarz, graundrohende). p1b_237.037 (statt: muhsam umkehrt schwerscholliges). Hor. Sat. p1b_237.001 Ēhr, Măcht, Rūhm, Glü̆ck, Gūt mir pāßt p1b_237.012 p1b_237.013 p1b_237.022 p1b_237.024 A. Thetische, sprachwidrige Behandlung der Tonsilben. p1b_237.025 Staats │ wǖ́rden, Wohlstand eine Last von Wissen p1b_237.027(statt: Stā́atswǖrdĕn). p1b_237.028Menschliche │ Schwäche ver │ dient Nach │ sī́cht in der Sphäre des p1b_237.029 p1b_237.030Handelns (statt: Nā́chsicht). p1b_237.031Wie es den │ Wassern ent │ steigt, aus │ brḗitet sich Abendgewölk schon p1b_237.032(statt: ā́usbrēitĕt). p1b_237.033 (statt: ī́ch zur Ā́uskunft). p1b_237.035Ā́ls rīngs │ hḗr pēch │ schwā́rz aūf │ stī́eg graūn │ drṓhĕndĕ │ Stū́rmnācht p1b_237.036(statt: rī́ngsher, pḗchschwarz, grā́undrohende). p1b_237.037 (statt: mǖ́hsam ū́mkēhrt schwḗrschōlliges). Hor. Sat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0271" n="237"/> <p><lb n="p1b_237.001"/> Manche Dichter legen noch heutzutage viel zu wenig Wert auf das <lb n="p1b_237.002"/> logische, phonetische und euphonische Moment. Jn wahrhaft haarsträubender <lb n="p1b_237.003"/> Weise tritt dies bei jenen Dichtern zu Tage, die ─ ohne das Ohr zu fragen ─ <lb n="p1b_237.004"/> befriedigt sind, wenn es ihnen gelingt, mit deutschem Material Verse nach <lb n="p1b_237.005"/> griechischer Rhythmik zu bilden. Ein reiches Material in dieser Beziehung <lb n="p1b_237.006"/> stellen die gräcisierenden Dichter auch aus der letzten Hälfte des vor. Jahrh. <lb n="p1b_237.007"/> zur Verfügung. Das Ohr sträubt sich gegen jene Versuche, die der sinnlich <lb n="p1b_237.008"/> malerischen Anschaulichkeit des deutschen Sprachstoffes Hohn sprechen und lediglich <lb n="p1b_237.009"/> auf nachäffende, begriffezeichnende Quantitätsform hinauslaufen, oder gar nur <lb n="p1b_237.010"/> den Versrhythmus erstreben, z. B.</p> <lb n="p1b_237.011"/> <p> <hi rendition="#right">Ēhr, Măcht, Rūhm, Glü̆ck, Gūt mir pāßt <lb n="p1b_237.012"/> (statt: Ehre, Macht und Ruhm und Glück wohl Jedem paßt).</hi> </p> <p><lb n="p1b_237.013"/> Bei einiger Übung empfindet <hi rendition="#g">schon der Laie</hi> die greulichen Verstöße <lb n="p1b_237.014"/> gegen den Sprachgeist in Anwendung sog. Kürzen und Längen und merkt gar <lb n="p1b_237.015"/> bald heraus, wie betonte Silben unbetont (also kurz) gelesen werden und zu <lb n="p1b_237.016"/> skandieren sind. Wir geben daher ─ des logischen Anschlusses wegen ─ schon <lb n="p1b_237.017"/> hier einige Beispiele von Jnkorrektheiten und wählen mit Absicht aus besseren <lb n="p1b_237.018"/> Dichtern, indem wir uns an Lessings Wort erinnern: „Einen elenden Dichter <lb n="p1b_237.019"/> tadelt man gar nicht; mit einem mittelmäßigen verfährt man gelinde; gegen <lb n="p1b_237.020"/> einen großen ist man unerbittlich.“ (Noch strenger urteilt Horaz: »<hi rendition="#aq">Mediocribus <lb n="p1b_237.021"/> esse poetis non homines, non di, non concessere columnae</hi>.«)</p> <p><lb n="p1b_237.022"/> (<hi rendition="#aq">NB</hi>. Der Lernende mag die nachfolgenden Beispiele noch einmal prüfen, <lb n="p1b_237.023"/> nachdem er die Verslehre durchgearbeitet haben wird.)</p> <div n="4"> <lb n="p1b_237.024"/> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">A</hi>. 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Sat</hi>.</hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [237/0271]
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Manche Dichter legen noch heutzutage viel zu wenig Wert auf das p1b_237.002
logische, phonetische und euphonische Moment. Jn wahrhaft haarsträubender p1b_237.003
Weise tritt dies bei jenen Dichtern zu Tage, die ─ ohne das Ohr zu fragen ─ p1b_237.004
befriedigt sind, wenn es ihnen gelingt, mit deutschem Material Verse nach p1b_237.005
griechischer Rhythmik zu bilden. Ein reiches Material in dieser Beziehung p1b_237.006
stellen die gräcisierenden Dichter auch aus der letzten Hälfte des vor. Jahrh. p1b_237.007
zur Verfügung. Das Ohr sträubt sich gegen jene Versuche, die der sinnlich p1b_237.008
malerischen Anschaulichkeit des deutschen Sprachstoffes Hohn sprechen und lediglich p1b_237.009
auf nachäffende, begriffezeichnende Quantitätsform hinauslaufen, oder gar nur p1b_237.010
den Versrhythmus erstreben, z. B.
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Ēhr, Măcht, Rūhm, Glü̆ck, Gūt mir pāßt p1b_237.012
(statt: Ehre, Macht und Ruhm und Glück wohl Jedem paßt).
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Bei einiger Übung empfindet schon der Laie die greulichen Verstöße p1b_237.014
gegen den Sprachgeist in Anwendung sog. Kürzen und Längen und merkt gar p1b_237.015
bald heraus, wie betonte Silben unbetont (also kurz) gelesen werden und zu p1b_237.016
skandieren sind. Wir geben daher ─ des logischen Anschlusses wegen ─ schon p1b_237.017
hier einige Beispiele von Jnkorrektheiten und wählen mit Absicht aus besseren p1b_237.018
Dichtern, indem wir uns an Lessings Wort erinnern: „Einen elenden Dichter p1b_237.019
tadelt man gar nicht; mit einem mittelmäßigen verfährt man gelinde; gegen p1b_237.020
einen großen ist man unerbittlich.“ (Noch strenger urteilt Horaz: »Mediocribus p1b_237.021
esse poetis non homines, non di, non concessere columnae.«)
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(NB. Der Lernende mag die nachfolgenden Beispiele noch einmal prüfen, p1b_237.023
nachdem er die Verslehre durchgearbeitet haben wird.)
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A. Thetische, sprachwidrige Behandlung der Tonsilben. p1b_237.025
Platen. An │ stī́mmen darf ich ungewohnte Töne (statt: ā́nstīmmĕn).
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Staats │ wǖ́rden, Wohlstand eine Last von Wissen
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(statt: Stā́atswǖrdĕn).
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Menschliche │ Schwäche ver │ dient Nach │ sī́cht in der Sphäre des p1b_237.029
Handelns
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(statt: Nā́chsicht).
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Wie es den │ Wassern ent │ steigt, aus │ brḗitet sich Abendgewölk schon
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(statt: ā́usbrēitĕt).
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Voß. Gĕstēhst │ dŭ dīe │ sĕs, bīn │ ĭch zūr │ Aūskū́nft bĕreīt
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(statt: ī́ch zur Ā́uskunft).
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Ā́ls rīngs │ hḗr pēch │ schwā́rz aūf │ stī́eg graūn │ drṓhĕndĕ │ Stū́rmnācht
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(statt: rī́ngsher, pḗchschwarz, grā́undrohende).
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Wolf. Ēr, deß │ Pflug mǖh │ sā́m um̄ │ kḗhrt schwēr │ schṓlliges │ Erdreich
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(statt: mǖ́hsam ū́mkēhrt schwḗrschōlliges). Hor. Sat.
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