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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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Ein nach den Gesetzen der accentuierenden Prosodik gebauter Vers wird p1b_260.002
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thun, denn er füllt die einzelnen Teile mit Schönheit aus. Daher gewinnt p1b_260.004
er auch jedes deutsche Gemüt zum Freund, auf welches nicht Shakespeares p1b_260.005
Worte passen:

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Der Mensch, der nicht Musik hat in ihm selbst, p1b_260.007
Den nicht die Eintracht süßer Töne rührt, p1b_260.008
Taugt zu Verrat, zu Räuberei und Tücken.

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Über diese Musik hat sich nunmehr die Rhythmik des Näheren zu p1b_260.010
verbreiten.

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II. Rhythmik.
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§ 83. Begriffliches.

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1. Rhythmus (von Ruthmos == ebenmäßige Bewegung) ist die p1b_260.014
musikalische Schönheitsäußerung der Poesie in Bezug auf Bewegung p1b_260.015
und bedeutet die geordnete Folge und Wiederkehr der betonten und p1b_260.016
unbetonten Teile eines Verses oder eines Gedichts (s. § 95): die über p1b_260.017
die Worte sich hinziehende Bewegung oder Musik.

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Die Lehre vom Rhythmus oder die Kunst desselben heißt Rhythmik. p1b_260.019
Die Höhenpunkte der Wellen des Rhythmus werden durch die p1b_260.020
Arsen des Verses gebildet.

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2. Gleichmäßige Bewegung giebt keinen Rhythmus. Rhythmus p1b_260.022
ist der Wechsel im Leben. Er ist außer in der Poesie und in der p1b_260.023
Musik überall nachweislich, wo lebendige oder fixierte Bewegung sich p1b_260.024
findet, also auch in den Schwesterkünsten der Poesie und der Musik.

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3. Der Grundrhythmus der deutschen Sprache ist trochäisch (- Breve).

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1. Durch regelmäßige, taktartige Abwechslung betonter und unbetonter p1b_260.027
Silben, durch gleichmäßige Wiederkehr von Hebungen und Senkungen entsteht p1b_260.028
harmonische, selbst dem ungebildeten Geschmack wohlthuende, ebenmäßige Bewegung: p1b_260.029
d. i. Rhythmus. Jndem das Schwellen und Abnehmen im Redefluß p1b_260.030
naturgemäß ein entsprechendes musikalisches Heben und Senken der Stimme p1b_260.031
mit sich bringt, wird die Monotonie der Rede durch eine erfrischende Modulation p1b_260.032
gehoben, die man wie eine Art Melodie empfindet, weshalb man den Rhythmus p1b_260.033
auch die Melodie der Sprache nennen könnte.

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Unsere Stimme ist gewissermaßen der Strom, auf welchem die durch das p1b_260.035
Metrum gesetzmäßig angeordneten Klänge schwimmend sich fortbewegen; er hebt p1b_260.036
die letzteren und senkt sie auf seinen schaukelnden Wellen. Dies ergiebt eine p1b_260.037
Art Musik: Nationalmusik.

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Wenn Scheffel sagt:

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Einsam wandle deine Bahnen

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so erhebt er die Stimme viermal ( [Abbildung] ) und läßt sie viermal sinken.

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Ein nach den Gesetzen der accentuierenden Prosodik gebauter Vers wird p1b_260.002
fesseln, anregen, veredeln. Sein Rhythmus wird unserm Sprachgefühl wohl p1b_260.003
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§ 83. Begriffliches.

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Die Lehre vom Rhythmus oder die Kunst desselben heißt Rhythmik. p1b_260.019
Die Höhenpunkte der Wellen des Rhythmus werden durch die p1b_260.020
Arsen des Verses gebildet.

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2. Gleichmäßige Bewegung giebt keinen Rhythmus. Rhythmus p1b_260.022
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Musik überall nachweislich, wo lebendige oder fixierte Bewegung sich p1b_260.024
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3. Der Grundrhythmus der deutschen Sprache ist trochäisch (– ⏑).

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1. Durch regelmäßige, taktartige Abwechslung betonter und unbetonter p1b_260.027
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/294>, abgerufen am 21.11.2024.