p1b_264.001 Bei den Alten war mindestens eine Thesis neben der Arsis nötig. p1b_264.002 "Denn", sagt Suidas, "da das schnelle oder langsame Heben und Setzen p1b_264.003 (arsis kai thesis) der Füße unter sich ein Verhältnis (logon) hat, so entsteht p1b_264.004 daraus ein Rhythmus." Arsis ohne Thesis gab keinen rhythmischen Fuß. p1b_264.005 Die aufschäumende Welle mußte wieder abfließen, der gehobene Fuß mußte p1b_264.006 wieder niedergesetzt werden.
p1b_264.007 Nach unserer zum erstenmal dargelegten Theorie kann jedoch (und obiges p1b_264.008 Noten-Beispiel beweist dies) ein rhythmischer Takt auch ohne gesprochene Thesis p1b_264.009 sein, wie er deren mehrere haben kann.
p1b_264.010 Die Verschiedenheit der rhythmischen Takte mögen einige Beispiele illustrieren:
p1b_264.011
p1b_264.012 1. Jambisch.
p1b_264.013
Ein Brief | von ih | rer Hand | (3 rhythmische Takte).
p1b_264.014 2. Trochäisch.
p1b_264.015
Lose | Klännge | p1b_264.016 Wie sie | kommen | p1b_264.017 Jm Ge | dränge | (je 2 rhythm. Takte).
p1b_264.018 3. Daktylisch.
p1b_264.019
Wonnige | Blünmelein (2 rhythm. Takte).
p1b_264.020 4. Anapäste.
p1b_264.021
Es vergeht, p1b_264.022 Was besteht (je 1 rhythm. Takt).
p1b_264.023 5. Freie rhythmische Takte.
p1b_264.024
Prinz Eu | genius, der | edle | Ritter, | p1b_264.025 Wollt dem | Kaiser | wiedrum | kriegen | p1b_264.026 Stadt und | Festung | Belge | rad.
p1b_264.027 Ähnliche Takte zeigen die Accentverse (§ 116-122).
p1b_264.028 § 86. Arten des Rhythmus.
p1b_264.029 1. Der Rhythmus der antiken Sprachen, bei welchem es auf die p1b_264.030 Folge langer und kurzer Silben ankommt, heißt quantitierender p1b_264.031 Rhythmus, dem wir unseren in der Betonung gipfelnden accentuierendenp1b_264.032 Rhythmus entgegen stellen.
p1b_264.033 2. Der Rhythmus, welcher das strenge Metrum zur Grundlage p1b_264.034 nimmt, heißt Versrhythmus.
p1b_264.035 3. Sofern er nur die Arsis berücksichtigt und sich um die Thesen p1b_264.036 wenig kümmert, heißt er freier Rhythmus (auch accentuierender p1b_264.037 Rhythmus).
p1b_264.038 4. Der mit der Thesis beginnende Rhythmus heißt steigender p1b_264.039 Rhythmus; der mit der Arsis beginnende fallender.
p1b_264.001 Bei den Alten war mindestens eine Thesis neben der Arsis nötig. p1b_264.002 „Denn“, sagt Suidas, „da das schnelle oder langsame Heben und Setzen p1b_264.003 (ἄρσις καὶ θέσις) der Füße unter sich ein Verhältnis (λόγον) hat, so entsteht p1b_264.004 daraus ein Rhythmus.“ Arsis ohne Thesis gab keinen rhythmischen Fuß. p1b_264.005 Die aufschäumende Welle mußte wieder abfließen, der gehobene Fuß mußte p1b_264.006 wieder niedergesetzt werden.
p1b_264.007 Nach unserer zum erstenmal dargelegten Theorie kann jedoch (und obiges p1b_264.008 Noten-Beispiel beweist dies) ein rhythmischer Takt auch ohne gesprochene Thesis p1b_264.009 sein, wie er deren mehrere haben kann.
p1b_264.010 Die Verschiedenheit der rhythmischen Takte mögen einige Beispiele illustrieren:
p1b_264.027 Ähnliche Takte zeigen die Accentverse (§ 116─122).
p1b_264.028 § 86. Arten des Rhythmus.
p1b_264.029 1. Der Rhythmus der antiken Sprachen, bei welchem es auf die p1b_264.030 Folge langer und kurzer Silben ankommt, heißt quantitierender p1b_264.031 Rhythmus, dem wir unseren in der Betonung gipfelnden accentuierendenp1b_264.032 Rhythmus entgegen stellen.
p1b_264.033 2. Der Rhythmus, welcher das strenge Metrum zur Grundlage p1b_264.034 nimmt, heißt Versrhythmus.
p1b_264.035 3. Sofern er nur die Arsis berücksichtigt und sich um die Thesen p1b_264.036 wenig kümmert, heißt er freier Rhythmus (auch accentuierender p1b_264.037 Rhythmus).
p1b_264.038 4. Der mit der Thesis beginnende Rhythmus heißt steigender p1b_264.039 Rhythmus; der mit der Arsis beginnende fallender.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0298"n="264"/><p><lbn="p1b_264.001"/>
Bei den Alten war mindestens <hirendition="#g">eine</hi> Thesis neben der Arsis nötig. <lbn="p1b_264.002"/>„Denn“, sagt Suidas, „da das schnelle oder langsame Heben und Setzen <lbn="p1b_264.003"/>
(<foreignxml:lang="grc">ἄρσιςκαὶθέσις</foreign>) der Füße unter sich ein Verhältnis (<foreignxml:lang="grc">λόγον</foreign>) hat, so entsteht <lbn="p1b_264.004"/>
daraus ein Rhythmus.“ Arsis ohne Thesis gab keinen rhythmischen Fuß. <lbn="p1b_264.005"/>
Die aufschäumende Welle mußte wieder abfließen, der gehobene Fuß mußte <lbn="p1b_264.006"/>
wieder niedergesetzt werden.</p><p><lbn="p1b_264.007"/>
Nach unserer zum erstenmal dargelegten Theorie kann jedoch (und obiges <lbn="p1b_264.008"/>
Noten-Beispiel beweist dies) ein rhythmischer Takt auch ohne gesprochene Thesis <lbn="p1b_264.009"/>
sein, wie er deren mehrere haben kann.</p><p><lbn="p1b_264.010"/>
Die Verschiedenheit der rhythmischen Takte mögen einige Beispiele illustrieren:</p><lbn="p1b_264.011"/><p><lbn="p1b_264.012"/>
1. <hirendition="#g">Jambisch.</hi></p><lbn="p1b_264.013"/><p><hirendition="#c">Eĭn Brīef │ vŏn īh │ rĕr Hānd │ (3 rhythmische Takte).</hi></p><p><lbn="p1b_264.014"/>
2. <hirendition="#g">Trochäisch.</hi></p><lbn="p1b_264.015"/><p><hirendition="#right">Lōsĕ│ Klǟngĕ│<lbn="p1b_264.016"/>
Wie sie │ kommen │<lbn="p1b_264.017"/>
Jm Ge │ dränge │ (je 2 rhythm. Takte).</hi></p><p><lbn="p1b_264.018"/>
3. <hirendition="#g">Daktylisch.</hi></p><lbn="p1b_264.019"/><p><hirendition="#c">Wōnnĭgĕ│ Blǖmĕlĕin (2 rhythm. Takte).</hi></p><p><lbn="p1b_264.020"/>
4. <hirendition="#g">Anapäste.</hi></p><lbn="p1b_264.021"/><p><hirendition="#right">Ĕs vĕrgēht, <lbn="p1b_264.022"/>
Wăs bĕstēht (je 1 rhythm. Takt).</hi></p><p><lbn="p1b_264.023"/>
5. <hirendition="#g">Freie rhythmische Takte.</hi></p><lbn="p1b_264.024"/><p><hirendition="#c">Prīnz Ĕu │ gēnĭŭs, dĕr │ēdlĕ│ Rīttĕr, │<lbn="p1b_264.025"/>
Wōllt dĕm │ Kāisĕr │ wīedrŭm │ krīegĕn │<lbn="p1b_264.026"/>
Stādt ŭnd │ Fēstŭng │ Bēlgĕ│ rād.</hi></p><p><lbn="p1b_264.027"/>
Ähnliche Takte zeigen die Accentverse (§ 116─122).</p></div><divn="3"><lbn="p1b_264.028"/><head><hirendition="#c">§ 86. Arten des Rhythmus.</hi></head><p><lbn="p1b_264.029"/>
1. Der Rhythmus der antiken Sprachen, bei welchem es auf die <lbn="p1b_264.030"/>
Folge langer und kurzer Silben ankommt, heißt <hirendition="#g">quantitierender <lbn="p1b_264.031"/>
Rhythmus,</hi> dem wir unseren in der Betonung gipfelnden <hirendition="#g">accentuierenden</hi><lbn="p1b_264.032"/>
Rhythmus entgegen stellen.</p><p><lbn="p1b_264.033"/>
2. Der Rhythmus, welcher das strenge Metrum zur Grundlage <lbn="p1b_264.034"/>
nimmt, heißt Versrhythmus.</p><p><lbn="p1b_264.035"/>
3. Sofern er nur die Arsis berücksichtigt und sich um die Thesen <lbn="p1b_264.036"/>
wenig kümmert, heißt er <hirendition="#g">freier</hi> Rhythmus (auch accentuierender <lbn="p1b_264.037"/>
Rhythmus).</p><p><lbn="p1b_264.038"/>
4. Der mit der Thesis beginnende Rhythmus heißt <hirendition="#g">steigender <lbn="p1b_264.039"/>
Rhythmus;</hi> der mit der Arsis beginnende <hirendition="#g">fallender</hi>.</p></div></div></div></body></text></TEI>
[264/0298]
p1b_264.001
Bei den Alten war mindestens eine Thesis neben der Arsis nötig. p1b_264.002
„Denn“, sagt Suidas, „da das schnelle oder langsame Heben und Setzen p1b_264.003
(ἄρσις καὶ θέσις) der Füße unter sich ein Verhältnis (λόγον) hat, so entsteht p1b_264.004
daraus ein Rhythmus.“ Arsis ohne Thesis gab keinen rhythmischen Fuß. p1b_264.005
Die aufschäumende Welle mußte wieder abfließen, der gehobene Fuß mußte p1b_264.006
wieder niedergesetzt werden.
p1b_264.007
Nach unserer zum erstenmal dargelegten Theorie kann jedoch (und obiges p1b_264.008
Noten-Beispiel beweist dies) ein rhythmischer Takt auch ohne gesprochene Thesis p1b_264.009
sein, wie er deren mehrere haben kann.
p1b_264.010
Die Verschiedenheit der rhythmischen Takte mögen einige Beispiele illustrieren:
p1b_264.011
p1b_264.012
1. Jambisch.
p1b_264.013
Eĭn Brīef │ vŏn īh │ rĕr Hānd │ (3 rhythmische Takte).
p1b_264.014
2. Trochäisch.
p1b_264.015
Lōsĕ │ Klǟngĕ │ p1b_264.016
Wie sie │ kommen │ p1b_264.017
Jm Ge │ dränge │ (je 2 rhythm. Takte).
p1b_264.018
3. Daktylisch.
p1b_264.019
Wōnnĭgĕ │ Blǖmĕlĕin (2 rhythm. Takte).
p1b_264.020
4. Anapäste.
p1b_264.021
Ĕs vĕrgēht, p1b_264.022
Wăs bĕstēht (je 1 rhythm. Takt).
p1b_264.023
5. Freie rhythmische Takte.
p1b_264.024
Prīnz Ĕu │ gēnĭŭs, dĕr │ ēdlĕ │ Rīttĕr, │ p1b_264.025
Wōllt dĕm │ Kāisĕr │ wīedrŭm │ krīegĕn │ p1b_264.026
Stādt ŭnd │ Fēstŭng │ Bēlgĕ │ rād.
p1b_264.027
Ähnliche Takte zeigen die Accentverse (§ 116─122).
p1b_264.028
§ 86. Arten des Rhythmus. p1b_264.029
1. Der Rhythmus der antiken Sprachen, bei welchem es auf die p1b_264.030
Folge langer und kurzer Silben ankommt, heißt quantitierender p1b_264.031
Rhythmus, dem wir unseren in der Betonung gipfelnden accentuierenden p1b_264.032
Rhythmus entgegen stellen.
p1b_264.033
2. Der Rhythmus, welcher das strenge Metrum zur Grundlage p1b_264.034
nimmt, heißt Versrhythmus.
p1b_264.035
3. Sofern er nur die Arsis berücksichtigt und sich um die Thesen p1b_264.036
wenig kümmert, heißt er freier Rhythmus (auch accentuierender p1b_264.037
Rhythmus).
p1b_264.038
4. Der mit der Thesis beginnende Rhythmus heißt steigender p1b_264.039
Rhythmus; der mit der Arsis beginnende fallender.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/298>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.