Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_266.001 p1b_266.002 p1b_266.007 p1b_266.008 Jch will | euch erzänh | len ein Mänr | chen gar schnurrig &c. p1b_266.010(Bürger.) p1b_266.011 a. Seine heimatlosen Lieder p1b_266.013 p1b_266.020 p1b_266.023 § 87. Prinzip des ursprünglichen urdeutschen Rhythmus p1b_266.024 und seine Wandlung. p1b_266.025 p1b_266.027 p1b_266.030 [Beginn Spaltensatz] Uns ist in alten mänren p1b_266.036 [Spaltenumbruch]
p1b_266.101Von heleden lobebänren p1b_266.037 Von frouden, hochgeziten p1b_266.038 Von künener recken striten wunders vil geseit p1b_266.102 [Ende Spaltensatz]
von grozer arebeit; p1b_266.103 von weinen unde klagen, p1b_266.104 münget ir nu wunder horen sagan. p1b_266.001 p1b_266.002 p1b_266.007 p1b_266.008 J̆ch wīll │ eŭch ĕrzǟh │ lĕn eĭn Mǟr │ chĕn găr schnūrrĭg &c. p1b_266.010(Bürger.) p1b_266.011 α. Sēinĕ hēimătlōsĕn Līedĕr p1b_266.013 p1b_266.020 p1b_266.023 § 87. Prinzip des ursprünglichen urdeutschen Rhythmus p1b_266.024 und seine Wandlung. p1b_266.025 p1b_266.027 p1b_266.030 [Beginn Spaltensatz] Ŭns īst ĭn āltĕn mǟrĕn p1b_266.036 [Spaltenumbruch]
p1b_266.101Vŏn hēlĕdĕn lōbĕbǟrĕn p1b_266.037 Vŏn frȫudĕn, hōchgĕzīten p1b_266.038 Vŏn kǖenĕr rēckĕn strītĕn wūndĕrs vīl gĕsēit p1b_266.102 [Ende Spaltensatz]
vŏn grōzĕr ārĕbēit; p1b_266.103 vŏn wēinĕn ūndĕ klāgĕn, p1b_266.104 mǖgĕt ĭr n̆u wūndĕr hȫrĕn sāgăn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0300" n="266"/> </div> <div n="4"> <p><lb n="p1b_266.001"/> 4. Steigender und fallender Rhythmus.</p> <p><lb n="p1b_266.002"/> Da die Thesis fast tonlos ist, so gewinnt der mit ihr beginnende Rhythmus <lb n="p1b_266.003"/> eine fortdrängende, aufsteigende Bedeutung, weshalb man ihn <hi rendition="#g">steigend</hi> <lb n="p1b_266.004"/> nennen kann. Umgekehrt wird die Gewalt des Rhythmus (sofern er nämlich <lb n="p1b_266.005"/> mit der Arsis einsetzt) durch die folgende Thesis mehr abfallend, geringer, <lb n="p1b_266.006"/> weshalb man ihn füglich als <hi rendition="#g">fallend</hi> bezeichnen kann.</p> <p> <lb n="p1b_266.007"/> <hi rendition="#g">Beispiele:</hi> </p> <p><lb n="p1b_266.008"/><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">Steigender Rhythmus.</hi></p> <lb n="p1b_266.009"/> <p> <hi rendition="#right">J̆ch wīll │ eŭch ĕrzǟh │ lĕn eĭn Mǟr │ chĕn găr schnūrrĭg &c.</hi> </p> <lb n="p1b_266.010"/> <p> <hi rendition="#right">(Bürger.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_266.011"/><hi rendition="#aq">b</hi>. <hi rendition="#g">Fallender Rhythmus.</hi></p> <lb n="p1b_266.012"/> <p> <hi rendition="#c"><foreign xml:lang="grc">α</foreign>. Sēinĕ hēimătlōsĕn Līedĕr <lb n="p1b_266.013"/> Lēgt dĕr flǖcht'gĕ Dīchtĕr nīedĕr <lb n="p1b_266.014"/> Gērn ĭn zārtĕ Fraūĕnhānd; <lb n="p1b_266.015"/> Blēibt ăuch ēr dĕm Kāmpf vĕrkēttĕt, <lb n="p1b_266.016"/> Rūht dŏch sānft ŭnd wēich gĕbēttĕt, <lb n="p1b_266.017"/> Wās seĭn tiēfstĕs Hērz ĕmpfānd. <lb n="p1b_266.018"/> (Albert Träger.) <lb n="p1b_266.019"/> <foreign xml:lang="grc">β</foreign>. Sēlĭgĕ, frȫhlĭchĕ Wēihnăchtszēit.</hi> </p> <p><lb n="p1b_266.020"/> Jn den antiken Sprachen giebt es noch den aus zwei Längen (– –) <lb n="p1b_266.021"/> bestehenden schwebenden Rhythmus, der ─ wenn wir reine Spondeen hätten <lb n="p1b_266.022"/> ─ in unserer Sprache das Verharren und die ernste Ruhe bedeuten müßte.</p> </div> </div> <div n="3"> <lb n="p1b_266.023"/> <head> <hi rendition="#c">§ 87. Prinzip des ursprünglichen urdeutschen Rhythmus <lb n="p1b_266.024"/> und seine Wandlung.</hi> </head> <p><lb n="p1b_266.025"/> 1. Der freie Rhythmus war ursprünglich das Prinzip unserer <lb n="p1b_266.026"/> deutschen Verskunst.</p> <p><lb n="p1b_266.027"/> 2. Der Versuch, den ursprünglichen accentuierenden Rhythmus <lb n="p1b_266.028"/> durch den quantitierenden zu verdrängen, war ein beklagenswerter <lb n="p1b_266.029"/> Jrrgang und eine Versündigung am deutschen Sprachgeist.</p> <p><lb n="p1b_266.030"/> 1. Die Herrschaft des accentuierenden freien Rhythmus in der althochdeutschen <lb n="p1b_266.031"/> Poesie beweisen die sämmtlichen, in Handschriften erhaltenen altdeutschen <lb n="p1b_266.032"/> Dichtungen. Vor Allem zeigt uns das Nibelungenlied den freien <lb n="p1b_266.033"/> Rhythmus. Seine Verse enthalten je 6 Arsen mit willkürlichen, unbestimmten <lb n="p1b_266.034"/> Thesen, z. B.</p> <lb n="p1b_266.035"/> <cb type="start"/> <lg> <l>Ŭns īst ĭn āltĕn mǟrĕn</l> <lb n="p1b_266.036"/> <l>Vŏn hēlĕdĕn lōbĕbǟrĕn</l> <lb n="p1b_266.037"/> <l>Vŏn frȫudĕn, hōchgĕzīten</l> <lb n="p1b_266.038"/> <l>Vŏn kǖenĕr rēckĕn strītĕn</l> </lg> <cb/> <lb n="p1b_266.101"/> <lg> <l>wūndĕrs vīl gĕsēit</l> <lb n="p1b_266.102"/> <l>vŏn grōzĕr ārĕbēit;</l> <lb n="p1b_266.103"/> <l>vŏn wēinĕn ūndĕ klāgĕn,</l> <lb n="p1b_266.104"/> <l>mǖgĕt ĭr n̆u wūndĕr hȫrĕn sāgăn.</l> </lg> <cb type="end"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [266/0300]
p1b_266.001
4. Steigender und fallender Rhythmus.
p1b_266.002
Da die Thesis fast tonlos ist, so gewinnt der mit ihr beginnende Rhythmus p1b_266.003
eine fortdrängende, aufsteigende Bedeutung, weshalb man ihn steigend p1b_266.004
nennen kann. Umgekehrt wird die Gewalt des Rhythmus (sofern er nämlich p1b_266.005
mit der Arsis einsetzt) durch die folgende Thesis mehr abfallend, geringer, p1b_266.006
weshalb man ihn füglich als fallend bezeichnen kann.
p1b_266.007
Beispiele:
p1b_266.008
a. Steigender Rhythmus.
p1b_266.009
J̆ch wīll │ eŭch ĕrzǟh │ lĕn eĭn Mǟr │ chĕn găr schnūrrĭg &c.
p1b_266.010
(Bürger.)
p1b_266.011
b. Fallender Rhythmus.
p1b_266.012
α. Sēinĕ hēimătlōsĕn Līedĕr p1b_266.013
Lēgt dĕr flǖcht'gĕ Dīchtĕr nīedĕr p1b_266.014
Gērn ĭn zārtĕ Fraūĕnhānd; p1b_266.015
Blēibt ăuch ēr dĕm Kāmpf vĕrkēttĕt, p1b_266.016
Rūht dŏch sānft ŭnd wēich gĕbēttĕt, p1b_266.017
Wās seĭn tiēfstĕs Hērz ĕmpfānd. p1b_266.018
(Albert Träger.) p1b_266.019
β. Sēlĭgĕ, frȫhlĭchĕ Wēihnăchtszēit.
p1b_266.020
Jn den antiken Sprachen giebt es noch den aus zwei Längen (– –) p1b_266.021
bestehenden schwebenden Rhythmus, der ─ wenn wir reine Spondeen hätten p1b_266.022
─ in unserer Sprache das Verharren und die ernste Ruhe bedeuten müßte.
p1b_266.023
§ 87. Prinzip des ursprünglichen urdeutschen Rhythmus p1b_266.024
und seine Wandlung. p1b_266.025
1. Der freie Rhythmus war ursprünglich das Prinzip unserer p1b_266.026
deutschen Verskunst.
p1b_266.027
2. Der Versuch, den ursprünglichen accentuierenden Rhythmus p1b_266.028
durch den quantitierenden zu verdrängen, war ein beklagenswerter p1b_266.029
Jrrgang und eine Versündigung am deutschen Sprachgeist.
p1b_266.030
1. Die Herrschaft des accentuierenden freien Rhythmus in der althochdeutschen p1b_266.031
Poesie beweisen die sämmtlichen, in Handschriften erhaltenen altdeutschen p1b_266.032
Dichtungen. Vor Allem zeigt uns das Nibelungenlied den freien p1b_266.033
Rhythmus. Seine Verse enthalten je 6 Arsen mit willkürlichen, unbestimmten p1b_266.034
Thesen, z. B.
p1b_266.035
Ŭns īst ĭn āltĕn mǟrĕn p1b_266.036
Vŏn hēlĕdĕn lōbĕbǟrĕn p1b_266.037
Vŏn frȫudĕn, hōchgĕzīten p1b_266.038
Vŏn kǖenĕr rēckĕn strītĕn
p1b_266.101
wūndĕrs vīl gĕsēit p1b_266.102
vŏn grōzĕr ārĕbēit; p1b_266.103
vŏn wēinĕn ūndĕ klāgĕn, p1b_266.104
mǖgĕt ĭr n̆u wūndĕr hȫrĕn sāgăn.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |