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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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man den Niederschlag, welcher auf die betonte Silbe fällt, den Jktus p1b_292.002
(== Schlag, von ico schlagen. Nach Quintilian ist Jktus der Nachdruck beim p1b_292.003
Aussprechen einer betonten Silbe).

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Da der Jktus nur die betonte Silbe (Arsis) treffen kann, so erfolgt er p1b_292.005
im Jambus (Breve -) bei der zweiten, im Anapäst (Breve Breve -) bei der dritten p1b_292.006
Silbe. Hierin liegt eine Verschiedenheit vom Taktieren in der Musik, wo immer p1b_292.007
die erste Note des Taktes den Jktus mit dem Stabe erhält, jedoch nicht immer p1b_292.008
der schwere Taktteil (== Arsis) ist. Ein monoton gelesener Vers vernichtet die p1b_292.009
wunderbare Musik, welche eine richtige Skansion durch die Deklamation über p1b_292.010
die einzelnen Metren zu gießen vermag. Es ist die allergeringste Anforderung p1b_292.011
an die verständnisvolle Skansion, jede Arsis mindestens kräftiger zu betonen p1b_292.012
als die Thesis, woraus sich das zeitliche Übergewicht von selbst ergiebt.

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Der Anfänger thut gut, bei Gedichten erst die Stammsilben zu bezeichnen p1b_292.014
(s. Beispiel a), sodann die Thesen und die Taktstriche einzufügen (s. Beisp. b).

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a.

Du riefst mich im Traume p1b_292.016
Jn dunkler Nacht, p1b_292.017
Von deinem Ruf p1b_292.018
Bin ich erwacht.
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b.

Du riefst | mich im Trau | me p1b_292.020
Jn dun | kler Nacht, | p1b_292.021
Von dei | nem Ruf | p1b_292.022
Bin ich | erwacht. |

(Wilh. Jensen.)

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Denkt man sich die Verszeilen mit Noten bezeichnet, so werden folgende p1b_292.024
Beispiele verschiedener Metren durch Skansion folgendermaßen hörbar zu machen p1b_292.025
sein:

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1. Schema: - Breve

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[Musik]

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2. Schema: Breve -

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[Musik]

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3. Schema: Breve Breve -

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[Musik]

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4. Schema: - Breve Breve

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[Musik]

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man den Niederschlag, welcher auf die betonte Silbe fällt, den Jktus p1b_292.002
(== Schlag, von ico schlagen. Nach Quintilian ist Jktus der Nachdruck beim p1b_292.003
Aussprechen einer betonten Silbe).

p1b_292.004
Da der Jktus nur die betonte Silbe (Arsis) treffen kann, so erfolgt er p1b_292.005
im Jambus (⏑ –) bei der zweiten, im Anapäst (⏑ ⏑ –) bei der dritten p1b_292.006
Silbe. Hierin liegt eine Verschiedenheit vom Taktieren in der Musik, wo immer p1b_292.007
die erste Note des Taktes den Jktus mit dem Stabe erhält, jedoch nicht immer p1b_292.008
der schwere Taktteil (== Arsis) ist. Ein monoton gelesener Vers vernichtet die p1b_292.009
wunderbare Musik, welche eine richtige Skansion durch die Deklamation über p1b_292.010
die einzelnen Metren zu gießen vermag. Es ist die allergeringste Anforderung p1b_292.011
an die verständnisvolle Skansion, jede Arsis mindestens kräftiger zu betonen p1b_292.012
als die Thesis, woraus sich das zeitliche Übergewicht von selbst ergiebt.

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Der Anfänger thut gut, bei Gedichten erst die Stammsilben zu bezeichnen p1b_292.014
(s. Beispiel a), sodann die Thesen und die Taktstriche einzufügen (s. Beisp. b).

p1b_292.015

a.

Du rīefst mich im Traūme p1b_292.016
Jn dūnkler Nācht, p1b_292.017
Von dēinem Rūf p1b_292.018
Bin īch erwācht.
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b.

Dŭ rīefst │ mĭch ĭm Traū │ mĕ p1b_292.020
J̆n dūn │ klĕr Nācht, │ p1b_292.021
Vŏn dēi │ nĕm Rūf │ p1b_292.022
Bĭn īch │ ĕrwācht. │

(Wilh. Jensen.)

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Denkt man sich die Verszeilen mit Noten bezeichnet, so werden folgende p1b_292.024
Beispiele verschiedener Metren durch Skansion folgendermaßen hörbar zu machen p1b_292.025
sein:

p1b_292.026
1. Schema: – ⏑

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[Musik]

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2. Schema: ⏑ –

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[Musik]

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3. Schema: ⏑ ⏑ –

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[Musik]

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[Musik]
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/326>, abgerufen am 22.11.2024.