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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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Zarncke ließ diesem Vers in seiner gründlichen und vielseitigen Schrift p1b_312.002
("Über den fünffüßigen Jambus mit besonderer Rücksicht auf seine Behandlung p1b_312.003
durch Lessing, Schiller und Goethe") eine eingehende, erschöpfende Behandlung p1b_312.004
angedeihen und wies nach, wie er von den Provencalen zu den Jtalienern, p1b_312.005
dann zu den Engländern und von diesen zu den Deutschen gelangte, bei p1b_312.006
denen Lessing und Schiller den Widerstreit von Satz- und Versende wirkungsvoll p1b_312.007
lösten, während Goethe nach romanischem Vorbild die Messung veredelte, um p1b_312.008
ihn in der Jphigenia und im Tasso einer vollendeten Behandlung entgegen zu p1b_312.009
führen.

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Bei den Franzosen war der jambische Quinar neben dem Alexandriner p1b_312.011
der gebräuchlichste Vers. Sie benützten ihn als Reimvers und bildeten ihn mit p1b_312.012
einer konstanten Cäsur nach der vierten Silbe.

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Bei den Engländern war sein Ausgang verschieden. Der Miltonsche p1b_312.014
Blankvers war unvollständig (katalektisch). Der Shakespearesche Blankvers dagegen p1b_312.015
ist bald vollzählig, bald überzählig und hat also je nach dieser Form weibliche p1b_312.016
oder männliche Endung. Manche Gelehrte (neuerdings C. G. Ritter in: Theorie p1b_312.017
des deutschen Trauerspiels) haben sich gegen den jambischen Quinar im Drama p1b_312.018
erklärt. Giebt man aber zu, daß mit dem Dichtertalent ein feineres Sprachgefühl p1b_312.019
verbunden ist und somit unsere Sprache lediglich durch unsere Dichter p1b_312.020
auf ihre Höhe gehoben wurde, nicht aber durch deren negierende Kritiker, so p1b_312.021
wird man schon mit Rücksicht auf die Autorität dieser Dichter dem jambischen p1b_312.022
Quinar seine Berechtigung nicht bestreiten dürfen. Einzuräumen ist wohl, daß p1b_312.023
es ermüdend wirkt, immer denselben Vers zu hören. Aber dies sollte eben p1b_312.024
zur freieren Behandlung dieses Verses auffordern, nicht zur p1b_312.025
Beseitigung desselben.
Man sollte zur Vermeidung der Einförmigkeit p1b_312.026
mit den Cäsuren wechseln; man sollte sich ferner nicht scheuen, jambische p1b_312.027
Spondeen einzuflechten; man sollte kein Bedenken tragen, zuweilen den Quinar p1b_312.028
um einen oder mehrere Füße zu verkürzen, sofern der Satz schließt und die p1b_312.029
rhythmischen Pausen den Restteil zu füllen vermögen; man sollte namentlich p1b_312.030
die zur Beschaffung der üblichen fünf Furchen selbst von besseren Dichtern angewandten p1b_312.031
Flickwörter möglichst vermeiden, ja, hie und da mit dem Rhythmus p1b_312.032
wechseln, um auf diese Weise der bedenklich stumpf gewordenen fünffüßigen p1b_312.033
Pflugschar neue Schärfe zu verleihen. Es giebt nichts Widerwärtigeres als p1b_312.034
einerlei Musik; sie wird zum Geleier. Der jambische Grundcharakter muß p1b_312.035
selbstredend bei jedem Verse vorhanden bleiben, wenn dieser nicht der künstlerischen p1b_312.036
Basis entbehren soll. Allein auf diesem Boden kann doch manche p1b_312.037
Abweichung von der Schablone gepflanzt werden. Endlich kann durch Cäsur, p1b_312.038
Jncision, Einführung von Pausen innerhalb des Verses, Anwendung von p1b_312.039
Spondeen &c. (der Aufgabe aller Kunst entsprechend) die dichterische Schönsprache p1b_312.040
noch weitere Triumphe feiern. Wir setzen Alle ab bei besonderer innerer Bewegung p1b_312.041
in der Rede; sollte diese Freiheit dem Dichter verwehrt sein - nur aus p1b_312.042
dem Grunde, weil der Vers gerade fünf Schläge haben soll? Je näher der p1b_312.043
Dichter der Wahrheit bleibt, desto zutreffender wird seine Schilderung werden. p1b_312.044
Rückert hat sicher nicht ohne Absicht zwischen die jambischen Quinare jambische

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Zarncke ließ diesem Vers in seiner gründlichen und vielseitigen Schrift p1b_312.002
(„Über den fünffüßigen Jambus mit besonderer Rücksicht auf seine Behandlung p1b_312.003
durch Lessing, Schiller und Goethe“) eine eingehende, erschöpfende Behandlung p1b_312.004
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ihn in der Jphigenia und im Tasso einer vollendeten Behandlung entgegen zu p1b_312.009
führen.

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Bei den Franzosen war der jambische Quinar neben dem Alexandriner p1b_312.011
der gebräuchlichste Vers. Sie benützten ihn als Reimvers und bildeten ihn mit p1b_312.012
einer konstanten Cäsur nach der vierten Silbe.

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Bei den Engländern war sein Ausgang verschieden. Der Miltonsche p1b_312.014
Blankvers war unvollständig (katalektisch). Der Shakespearesche Blankvers dagegen p1b_312.015
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/346>, abgerufen am 22.11.2024.