Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
p1b_378.001
Sing deinen Lobsang, Falkenschluchtklausner, p1b_378.002
Rudre und sing ihn, daß laut er erschalle, p1b_378.003
Daß er den Unsichtbaren gefalle, p1b_378.004
Die den See umschweben als Geister des Orts p1b_378.005
Ungewohnt menschlicher Stimme. p1b_378.006
Hosiannah! p1b_378.007
Dank sei dem Herrn! p1b_378.008
Jhm der mich reicher und mächt'ger hier macht p1b_378.009
Als drunten, gehüllt in den Goldbrokat, p1b_378.010
Von schlepptragungwilligen Dienern umschwärmt, p1b_378.011
Gedrückt von des Hirtenamts Sorgen u. s. w.
p1b_378.012

(Scheffels Bergpsalmen.)

p1b_378.013
Einer der Urerschaffenen, p1b_378.014
Warm noch vom heiligen Götterhauch, p1b_378.015
Fühlte schon in des Herzens Drang p1b_378.016
Unbewußt p1b_378.017
Ein lebend Unaussprechliches, p1b_378.018
Das in geheimster p1b_378.019
Tiefe sich bildete.
p1b_378.020
Jn liebequälender Schöpfungslust p1b_378.021
Hätt' er es emporzieh'n mögen, p1b_378.022
Ein Erschaffen p1b_378.023
Neben sich.
p1b_378.024
Lange Nächte so durchträumte p1b_378.025
Der unglücklich Beglückte, p1b_378.026
Sich selber empfindend p1b_378.027
Und nur immer p1b_378.028
Die eigene Gottheit. p1b_378.029
Aber die alles reichende Sonne p1b_378.030
Sehnte ihn aus enger Hütte p1b_378.031
Zu Hain und Hügeln, p1b_378.032
Und in Hain und Hügeln p1b_378.033
Dehnte die Brust sich. p1b_378.034
Da auf den Fluren der Erde p1b_378.035
Die üpp'gen Glieder keusch verhüllt, p1b_378.036
Strahlte ihm froh entgegen p1b_378.037
Das schöne Weib Natur, p1b_378.038
Das glühende Weib p1b_378.039
Dem glühenden Sterblichen. p1b_378.040
Ach, da schauerte tief, p1b_378.041
Tiefer in ihm das Unaussprechliche p1b_378.042
Und regte sich und schmachtete p1b_378.043
Hinab zu ihr.
p1b_378.044
Jn abendlichen Duft gestreckt, p1b_378.045
Voll Götterruhe lag sie da, p1b_378.046
Und sie zog ihn, ach! an sich nieder, p1b_378.047
Zu den Brüsten der Ewigkeit.
p1b_378.048
Also liebend vermählte sich p1b_378.049
Der Mensch mit der Natur, p1b_378.050
Und der holden Umarmung entsproß p1b_378.051
Die Kunst, ihre gaukelnde Tochter.
p1b_378.052

(Otto Banck, die Kunst.)

p1b_378.001
Sing deinen Lobsang, Falkenschluchtklausner, p1b_378.002
Rudre und sing ihn, daß laut er erschalle, p1b_378.003
Daß er den Unsichtbaren gefalle, p1b_378.004
Die den See umschweben als Geister des Orts p1b_378.005
Ungewohnt menschlicher Stimme. p1b_378.006
Hosiannah! p1b_378.007
Dank sei dem Herrn! p1b_378.008
Jhm der mich reicher und mächt'ger hier macht p1b_378.009
Als drunten, gehüllt in den Goldbrokat, p1b_378.010
Von schlepptragungwilligen Dienern umschwärmt, p1b_378.011
Gedrückt von des Hirtenamts Sorgen u. s. w.
p1b_378.012

(Scheffels Bergpsalmen.)

p1b_378.013
Einer der Urerschaffenen, p1b_378.014
Warm noch vom heiligen Götterhauch, p1b_378.015
Fühlte schon in des Herzens Drang p1b_378.016
Unbewußt p1b_378.017
Ein lebend Unaussprechliches, p1b_378.018
Das in geheimster p1b_378.019
Tiefe sich bildete.
p1b_378.020
Jn liebequälender Schöpfungslust p1b_378.021
Hätt' er es emporzieh'n mögen, p1b_378.022
Ein Erschaffen p1b_378.023
Neben sich.
p1b_378.024
Lange Nächte so durchträumte p1b_378.025
Der unglücklich Beglückte, p1b_378.026
Sich selber empfindend p1b_378.027
Und nur immer p1b_378.028
Die eigene Gottheit. p1b_378.029
Aber die alles reichende Sonne p1b_378.030
Sehnte ihn aus enger Hütte p1b_378.031
Zu Hain und Hügeln, p1b_378.032
Und in Hain und Hügeln p1b_378.033
Dehnte die Brust sich. p1b_378.034
Da auf den Fluren der Erde p1b_378.035
Die üpp'gen Glieder keusch verhüllt, p1b_378.036
Strahlte ihm froh entgegen p1b_378.037
Das schöne Weib Natur, p1b_378.038
Das glühende Weib p1b_378.039
Dem glühenden Sterblichen. p1b_378.040
Ach, da schauerte tief, p1b_378.041
Tiefer in ihm das Unaussprechliche p1b_378.042
Und regte sich und schmachtete p1b_378.043
Hinab zu ihr.
p1b_378.044
Jn abendlichen Duft gestreckt, p1b_378.045
Voll Götterruhe lag sie da, p1b_378.046
Und sie zog ihn, ach! an sich nieder, p1b_378.047
Zu den Brüsten der Ewigkeit.
p1b_378.048
Also liebend vermählte sich p1b_378.049
Der Mensch mit der Natur, p1b_378.050
Und der holden Umarmung entsproß p1b_378.051
Die Kunst, ihre gaukelnde Tochter.
p1b_378.052

(Otto Banck, die Kunst.)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0412" n="378"/>
            <lb n="p1b_378.001"/>
            <lg>
              <l>Sing deinen Lobsang, Falkenschluchtklausner,</l>
              <lb n="p1b_378.002"/>
              <l>Rudre und sing ihn, daß laut er erschalle,</l>
              <lb n="p1b_378.003"/>
              <l>Daß er den Unsichtbaren gefalle,</l>
              <lb n="p1b_378.004"/>
              <l>Die den See umschweben als Geister des Orts</l>
              <lb n="p1b_378.005"/>
              <l>Ungewohnt menschlicher Stimme.</l>
              <lb n="p1b_378.006"/>
              <l>Hosiannah!</l>
              <lb n="p1b_378.007"/>
              <l>Dank sei dem Herrn!</l>
              <lb n="p1b_378.008"/>
              <l>Jhm der mich reicher und mächt'ger hier macht</l>
              <lb n="p1b_378.009"/>
              <l>Als drunten, gehüllt in den Goldbrokat,</l>
              <lb n="p1b_378.010"/>
              <l>Von schlepptragungwilligen Dienern umschwärmt,</l>
              <lb n="p1b_378.011"/>
              <l>Gedrückt von des Hirtenamts Sorgen u. s. w.</l>
            </lg>
            <lb n="p1b_378.012"/>
            <p> <hi rendition="#right">(Scheffels Bergpsalmen.)</hi> </p>
            <lb n="p1b_378.013"/>
            <lg>
              <l>Einer der Urerschaffenen,</l>
              <lb n="p1b_378.014"/>
              <l>Warm noch vom heiligen Götterhauch,</l>
              <lb n="p1b_378.015"/>
              <l>Fühlte schon in des Herzens Drang</l>
              <lb n="p1b_378.016"/>
              <l>Unbewußt</l>
              <lb n="p1b_378.017"/>
              <l>Ein lebend Unaussprechliches,</l>
              <lb n="p1b_378.018"/>
              <l>Das in geheimster</l>
              <lb n="p1b_378.019"/>
              <l>Tiefe sich bildete. </l>
            </lg>
            <lg>
              <lb n="p1b_378.020"/>
              <l>Jn liebequälender Schöpfungslust</l>
              <lb n="p1b_378.021"/>
              <l>Hätt' er es emporzieh'n mögen,</l>
              <lb n="p1b_378.022"/>
              <l>Ein Erschaffen</l>
              <lb n="p1b_378.023"/>
              <l>Neben sich. </l>
            </lg>
            <lg>
              <lb n="p1b_378.024"/>
              <l>Lange Nächte so durchträumte</l>
              <lb n="p1b_378.025"/>
              <l>Der unglücklich Beglückte,</l>
              <lb n="p1b_378.026"/>
              <l>Sich selber empfindend</l>
              <lb n="p1b_378.027"/>
              <l>Und nur immer</l>
              <lb n="p1b_378.028"/>
              <l>Die eigene Gottheit.</l>
              <lb n="p1b_378.029"/>
              <l>Aber die alles reichende Sonne</l>
              <lb n="p1b_378.030"/>
              <l>Sehnte ihn aus enger Hütte</l>
              <lb n="p1b_378.031"/>
              <l>Zu Hain und Hügeln,</l>
              <lb n="p1b_378.032"/>
              <l>Und in Hain und Hügeln</l>
              <lb n="p1b_378.033"/>
              <l>Dehnte die Brust sich.</l>
              <lb n="p1b_378.034"/>
              <l>Da auf den Fluren der Erde</l>
              <lb n="p1b_378.035"/>
              <l>Die üpp'gen Glieder keusch verhüllt,</l>
              <lb n="p1b_378.036"/>
              <l>Strahlte ihm froh entgegen</l>
              <lb n="p1b_378.037"/>
              <l>Das schöne Weib Natur,</l>
              <lb n="p1b_378.038"/>
              <l>Das glühende Weib</l>
              <lb n="p1b_378.039"/>
              <l>Dem glühenden Sterblichen.</l>
              <lb n="p1b_378.040"/>
              <l>Ach, da schauerte tief,</l>
              <lb n="p1b_378.041"/>
              <l>Tiefer in ihm das Unaussprechliche</l>
              <lb n="p1b_378.042"/>
              <l>Und regte sich und schmachtete</l>
              <lb n="p1b_378.043"/>
              <l>Hinab zu ihr. </l>
            </lg>
            <lg>
              <lb n="p1b_378.044"/>
              <l>Jn abendlichen Duft gestreckt,</l>
              <lb n="p1b_378.045"/>
              <l>Voll Götterruhe lag sie da,</l>
              <lb n="p1b_378.046"/>
              <l>Und sie zog ihn, ach! an sich nieder,</l>
              <lb n="p1b_378.047"/>
              <l>Zu den Brüsten der Ewigkeit. </l>
            </lg>
            <lg>
              <lb n="p1b_378.048"/>
              <l>Also liebend vermählte sich</l>
              <lb n="p1b_378.049"/>
              <l>Der Mensch mit der Natur,</l>
              <lb n="p1b_378.050"/>
              <l>Und der holden Umarmung entsproß</l>
              <lb n="p1b_378.051"/>
              <l>Die Kunst, ihre gaukelnde Tochter.</l>
            </lg>
            <lb n="p1b_378.052"/>
            <p> <hi rendition="#right">(Otto Banck, die Kunst.)</hi> </p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0412] p1b_378.001 Sing deinen Lobsang, Falkenschluchtklausner, p1b_378.002 Rudre und sing ihn, daß laut er erschalle, p1b_378.003 Daß er den Unsichtbaren gefalle, p1b_378.004 Die den See umschweben als Geister des Orts p1b_378.005 Ungewohnt menschlicher Stimme. p1b_378.006 Hosiannah! p1b_378.007 Dank sei dem Herrn! p1b_378.008 Jhm der mich reicher und mächt'ger hier macht p1b_378.009 Als drunten, gehüllt in den Goldbrokat, p1b_378.010 Von schlepptragungwilligen Dienern umschwärmt, p1b_378.011 Gedrückt von des Hirtenamts Sorgen u. s. w. p1b_378.012 (Scheffels Bergpsalmen.) p1b_378.013 Einer der Urerschaffenen, p1b_378.014 Warm noch vom heiligen Götterhauch, p1b_378.015 Fühlte schon in des Herzens Drang p1b_378.016 Unbewußt p1b_378.017 Ein lebend Unaussprechliches, p1b_378.018 Das in geheimster p1b_378.019 Tiefe sich bildete. p1b_378.020 Jn liebequälender Schöpfungslust p1b_378.021 Hätt' er es emporzieh'n mögen, p1b_378.022 Ein Erschaffen p1b_378.023 Neben sich. p1b_378.024 Lange Nächte so durchträumte p1b_378.025 Der unglücklich Beglückte, p1b_378.026 Sich selber empfindend p1b_378.027 Und nur immer p1b_378.028 Die eigene Gottheit. p1b_378.029 Aber die alles reichende Sonne p1b_378.030 Sehnte ihn aus enger Hütte p1b_378.031 Zu Hain und Hügeln, p1b_378.032 Und in Hain und Hügeln p1b_378.033 Dehnte die Brust sich. p1b_378.034 Da auf den Fluren der Erde p1b_378.035 Die üpp'gen Glieder keusch verhüllt, p1b_378.036 Strahlte ihm froh entgegen p1b_378.037 Das schöne Weib Natur, p1b_378.038 Das glühende Weib p1b_378.039 Dem glühenden Sterblichen. p1b_378.040 Ach, da schauerte tief, p1b_378.041 Tiefer in ihm das Unaussprechliche p1b_378.042 Und regte sich und schmachtete p1b_378.043 Hinab zu ihr. p1b_378.044 Jn abendlichen Duft gestreckt, p1b_378.045 Voll Götterruhe lag sie da, p1b_378.046 Und sie zog ihn, ach! an sich nieder, p1b_378.047 Zu den Brüsten der Ewigkeit. p1b_378.048 Also liebend vermählte sich p1b_378.049 Der Mensch mit der Natur, p1b_378.050 Und der holden Umarmung entsproß p1b_378.051 Die Kunst, ihre gaukelnde Tochter. p1b_378.052 (Otto Banck, die Kunst.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/412
Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/412>, abgerufen am 22.11.2024.