Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

p1b_382.001
Beispiele des R. Wagnerschen epischen Verses. (Abwechselnd p1b_382.002
3 und 2 Hebungen.)

p1b_382.003
Fänllen sollst du Siegmund, p1b_382.004
für Hunding erfechten den Sieg! p1b_382.005
Hünte dich wohl p1b_382.006
und halte dich stark; p1b_382.007
all deiner Künhnheit p1b_382.008
entbiete im Kampf: p1b_382.009
ein Sieg-Schwert p1b_382.010
schwingt Siegmund, - p1b_382.011
schwerlich fänllt er dir feig.
p1b_382.012

(Wagner, Ges. Schriften VI, 61.)

p1b_382.013
Du bist der Lenz, p1b_382.014
nach dem ich verlangte p1b_382.015
in frostigen Winters Frist; p1b_382.016
dich grünßte mein Herz p1b_382.017
mit heiligem Grau'n, p1b_382.018
als dein Blick zuerst mir erblünhte, - p1b_382.019
Fremdes nur sah ich von je, p1b_382.020
freundlos war mir das Nahe; p1b_382.021
als hätt' ich nie es gekannt p1b_382.022
war was immer mir kam. p1b_382.023
Doch dich kannt' ich p1b_382.024
deutlich und klar: p1b_382.025
als mein Auge dich sah, p1b_382.026
warst du mein Eigen: p1b_382.027
was im Busen ich barg, p1b_382.028
was ich bin, p1b_382.029
hell wie der Tag p1b_382.030
taucht' es mir auf, p1b_382.031
wie tönender Schall p1b_382.032
schlug's an mein Ohr, p1b_382.033
als in frostig öder Fremde p1b_382.034
zuerst den Freund ich ersah.
p1b_382.035

(R. Wagners Ring des Nibelungen I.)

p1b_382.036
§ 122. Freie Volksverse (Knüttelverse).

p1b_382.037
1. Es sind ungemessene Verse ohne bestimmten Rhythmus und p1b_382.038
ohne geordnetes Metrum. Jhre Gefügigkeit und ihr dichterischer Wert p1b_382.039
stehen meist auf schwachen Füßen, weshalb man bei dem Worte Knüttel=

p1b_382.001
Beispiele des R. Wagnerschen epischen Verses. (Abwechselnd p1b_382.002
3 und 2 Hebungen.)

p1b_382.003
Fǟllen sōllst du Sīegmund, p1b_382.004
für Hūnding erfēchten den Siēg! p1b_382.005
Hǖte dich wōhl p1b_382.006
und hālte dich stārk; p1b_382.007
āll deiner Kǖhnheit p1b_382.008
entbīete im Kāmpf: p1b_382.009
ein Sīeg-Schwērt p1b_382.010
schwingt Sīegmūnd, ─ p1b_382.011
schwērlich fǟllt er dir feīg.
p1b_382.012

(Wagner, Ges. Schriften VI, 61.)

p1b_382.013
Dū bist der Lēnz, p1b_382.014
nach dēm ich verlāngte p1b_382.015
in frōstigen Wīnters Frīst; p1b_382.016
dich grǖßte mein Hērz p1b_382.017
mit hēiligem Grāu'n, p1b_382.018
als dein Blīck zuērst mir erblǖhte, ─ p1b_382.019
Fremdes nur sah ich von je, p1b_382.020
freundlos war mir das Nahe; p1b_382.021
als hätt' ich nie es gekannt p1b_382.022
war was immer mir kam. p1b_382.023
Doch dich kannt' ich p1b_382.024
deutlich und klar: p1b_382.025
als mein Auge dich sah, p1b_382.026
warst du mein Eigen: p1b_382.027
was im Busen ich barg, p1b_382.028
was ich bin, p1b_382.029
hell wie der Tag p1b_382.030
taucht' es mir auf, p1b_382.031
wie tönender Schall p1b_382.032
schlug's an mein Ohr, p1b_382.033
als in frostig öder Fremde p1b_382.034
zuerst den Freund ich ersah.
p1b_382.035

(R. Wagners Ring des Nibelungen I.)

p1b_382.036
§ 122. Freie Volksverse (Knüttelverse).

p1b_382.037
1. Es sind ungemessene Verse ohne bestimmten Rhythmus und p1b_382.038
ohne geordnetes Metrum. Jhre Gefügigkeit und ihr dichterischer Wert p1b_382.039
stehen meist auf schwachen Füßen, weshalb man bei dem Worte Knüttel=

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0416" n="382"/>
            <p><lb n="p1b_382.001"/><hi rendition="#g">Beispiele des</hi> R. <hi rendition="#g">Wagnerschen epischen Verses.</hi> (Abwechselnd <lb n="p1b_382.002"/>
3 und 2 Hebungen.)</p>
            <lb n="p1b_382.003"/>
            <lg>
              <l>Fa&#x0308;&#x0304;llen s&#x014D;llst du S&#x012B;egmund,</l>
              <lb n="p1b_382.004"/>
              <l>für H&#x016B;nding erf&#x0113;chten den Si&#x0113;g!</l>
              <lb n="p1b_382.005"/>
              <l> Hu&#x0308;&#x0304;te dich w&#x014D;hl</l>
              <lb n="p1b_382.006"/>
              <l> und h&#x0101;lte dich st&#x0101;rk;</l>
              <lb n="p1b_382.007"/>
              <l> &#x0101;ll deiner Ku&#x0308;&#x0304;hnheit</l>
              <lb n="p1b_382.008"/>
              <l> entb&#x012B;ete im K&#x0101;mpf:</l>
              <lb n="p1b_382.009"/>
              <l> ein S&#x012B;eg-Schw&#x0113;rt</l>
              <lb n="p1b_382.010"/>
              <l> schwingt S&#x012B;egm&#x016B;nd, &#x2500;</l>
              <lb n="p1b_382.011"/>
              <l>schw&#x0113;rlich fa&#x0308;&#x0304;llt er dir fe&#x012B;g.</l>
            </lg>
            <lb n="p1b_382.012"/>
            <p> <hi rendition="#right">(Wagner, Ges. Schriften <hi rendition="#aq">VI</hi>, 61.)</hi> </p>
            <lb n="p1b_382.013"/>
            <lg>
              <l>  D&#x016B; bist der L&#x0113;nz,</l>
              <lb n="p1b_382.014"/>
              <l> nach d&#x0113;m ich verl&#x0101;ngte</l>
              <lb n="p1b_382.015"/>
              <l>in fr&#x014D;stigen W&#x012B;nters Fr&#x012B;st;</l>
              <lb n="p1b_382.016"/>
              <l>dich gru&#x0308;&#x0304;ßte mein H&#x0113;rz</l>
              <lb n="p1b_382.017"/>
              <l> mit h&#x0113;iligem Gr&#x0101;u'n,</l>
              <lb n="p1b_382.018"/>
              <l>als dein Bl&#x012B;ck zu&#x0113;rst mir erblu&#x0308;&#x0304;hte, &#x2500;</l>
              <lb n="p1b_382.019"/>
              <l>Fremdes nur sah ich von je,</l>
              <lb n="p1b_382.020"/>
              <l>freundlos war mir das Nahe;</l>
              <lb n="p1b_382.021"/>
              <l>als hätt' ich nie es gekannt</l>
              <lb n="p1b_382.022"/>
              <l>war was immer mir kam.</l>
              <lb n="p1b_382.023"/>
              <l> Doch dich kannt' ich</l>
              <lb n="p1b_382.024"/>
              <l> deutlich und klar:</l>
              <lb n="p1b_382.025"/>
              <l> als mein Auge dich sah,</l>
              <lb n="p1b_382.026"/>
              <l> warst du mein Eigen:</l>
              <lb n="p1b_382.027"/>
              <l>was im Busen ich barg,</l>
              <lb n="p1b_382.028"/>
              <l> was ich bin,</l>
              <lb n="p1b_382.029"/>
              <l> hell wie der Tag</l>
              <lb n="p1b_382.030"/>
              <l> taucht' es mir auf,</l>
              <lb n="p1b_382.031"/>
              <l> wie tönender Schall</l>
              <lb n="p1b_382.032"/>
              <l> schlug's an mein Ohr,</l>
              <lb n="p1b_382.033"/>
              <l>als in frostig öder Fremde</l>
              <lb n="p1b_382.034"/>
              <l>zuerst den Freund ich ersah.</l>
            </lg>
            <lb n="p1b_382.035"/>
            <p> <hi rendition="#right">(R. Wagners Ring des Nibelungen <hi rendition="#aq">I</hi>.)</hi> </p>
          </div>
          <div n="3">
            <lb n="p1b_382.036"/>
            <head> <hi rendition="#c">§ 122. Freie Volksverse (Knüttelverse).</hi> </head>
            <p><lb n="p1b_382.037"/>
1. Es sind ungemessene Verse ohne bestimmten Rhythmus und <lb n="p1b_382.038"/>
ohne geordnetes Metrum. Jhre Gefügigkeit und ihr dichterischer Wert <lb n="p1b_382.039"/>
stehen meist auf schwachen Füßen, weshalb man bei dem Worte Knüttel=
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0416] p1b_382.001 Beispiele des R. Wagnerschen epischen Verses. (Abwechselnd p1b_382.002 3 und 2 Hebungen.) p1b_382.003 Fǟllen sōllst du Sīegmund, p1b_382.004 für Hūnding erfēchten den Siēg! p1b_382.005 Hǖte dich wōhl p1b_382.006 und hālte dich stārk; p1b_382.007 āll deiner Kǖhnheit p1b_382.008 entbīete im Kāmpf: p1b_382.009 ein Sīeg-Schwērt p1b_382.010 schwingt Sīegmūnd, ─ p1b_382.011 schwērlich fǟllt er dir feīg. p1b_382.012 (Wagner, Ges. Schriften VI, 61.) p1b_382.013 Dū bist der Lēnz, p1b_382.014 nach dēm ich verlāngte p1b_382.015 in frōstigen Wīnters Frīst; p1b_382.016 dich grǖßte mein Hērz p1b_382.017 mit hēiligem Grāu'n, p1b_382.018 als dein Blīck zuērst mir erblǖhte, ─ p1b_382.019 Fremdes nur sah ich von je, p1b_382.020 freundlos war mir das Nahe; p1b_382.021 als hätt' ich nie es gekannt p1b_382.022 war was immer mir kam. p1b_382.023 Doch dich kannt' ich p1b_382.024 deutlich und klar: p1b_382.025 als mein Auge dich sah, p1b_382.026 warst du mein Eigen: p1b_382.027 was im Busen ich barg, p1b_382.028 was ich bin, p1b_382.029 hell wie der Tag p1b_382.030 taucht' es mir auf, p1b_382.031 wie tönender Schall p1b_382.032 schlug's an mein Ohr, p1b_382.033 als in frostig öder Fremde p1b_382.034 zuerst den Freund ich ersah. p1b_382.035 (R. Wagners Ring des Nibelungen I.) p1b_382.036 § 122. Freie Volksverse (Knüttelverse). p1b_382.037 1. Es sind ungemessene Verse ohne bestimmten Rhythmus und p1b_382.038 ohne geordnetes Metrum. Jhre Gefügigkeit und ihr dichterischer Wert p1b_382.039 stehen meist auf schwachen Füßen, weshalb man bei dem Worte Knüttel=

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/416
Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/416>, abgerufen am 22.11.2024.