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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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§ 124. Zur Entstehungs-Geschichte des Gleichklangs im p1b_390.002
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des Vollreims - lassen sich wissenschaftlich verbürgte Angaben nicht p1b_390.005
machen.

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2. Einzelne leiten ihn von den Persern her, andere von den p1b_390.007
Hebräern, wieder andere von den Arabern.

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3. Jedenfalls entwickelte er sich als Naturnotwendigkeit unserer p1b_390.009
accentuierenden Sprache von selbst.

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1. Die Griechen, welche wir als Vorbilder geschichtlicher dichterischer Form p1b_390.011
verehren, haben den Gleichklang als Kunstmittel nicht angewandt. Sie hatten p1b_390.012
kein Bedürfnis für denselben. Jhnen genügte der Versrhythmus, der sich im p1b_390.013
Wechsel von Kürzen und Längen manifestierte. Jm Lateinischen ist die Anwendung p1b_390.014
des Reims als sog. Leoninischer Reim bekannt (vom Kanonikus Leo, p1b_390.015
der um 1160 Hexameter und Pentameter reimte. Vgl. S. 354 d. B.).

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Die Chinesen mit ihren einsilbigen, des Rhythmus schwer fähigen Wörtern p1b_390.017
sind das einzige Volk, welches den Reim mindestens 2000 Jahre vor Chr. p1b_390.018
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2. Ebenso findet sich der Reim in der ältesten persischen Litteratur, weshalb p1b_390.020
einige meinen, der deutsche Reim rühre von den Persern her.

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Rückert sagt hinsichtlich der Entstehung des persischen Reimes als eines p1b_390.022
"Nachtönens" oder Echos:

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Wißt ihr, Perser, wie es kam, p1b_390.024
Daß der Reim den Ursprung nahm? p1b_390.025
Auf dem Sassanidenthron p1b_390.026
Saß der große Schah Behram. p1b_390.027
Seines Thrones Edelstein p1b_390.028
War die Sklavin Dilaram. p1b_390.029
Wann mit Lust er sprach zu ihr, p1b_390.030
Hörte sie ihn ohne Gram. p1b_390.031
Nachzutönen drängt' es sie p1b_390.032
Jedes Wort, das sie vernahm. p1b_390.033
Wie sein Wort gemessen war, p1b_390.034
Maß sie ihres ebensam. p1b_390.035
Und wie er die Rede schloß, p1b_390.036
Schloß sie ihre wundersam. p1b_390.037
Dilaram! so schloß er stets; p1b_390.038
Und stets schloß sie: Schah Behram. p1b_390.039
Und so war der Reim entblüht, p1b_390.040
Wie der Held zur Huldin kam. p1b_390.041
Darum, Perser, achten wir p1b_390.042
Nicht den Reim für leeren Kram, p1b_390.043
Lied, das ohne Reime fliegt, p1b_390.044
Jst an beiden Schwingen lahm. p1b_390.045
Darum, Perser, nenn' ich mich p1b_390.046
Freimund Reimar ohne Scham.
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1. Über die erste Entstehung des Gleichklangs ─ beziehungsweise p1b_390.004
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1. Die Griechen, welche wir als Vorbilder geschichtlicher dichterischer Form p1b_390.011
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2. Ebenso findet sich der Reim in der ältesten persischen Litteratur, weshalb p1b_390.020
einige meinen, der deutsche Reim rühre von den Persern her.

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Rückert sagt hinsichtlich der Entstehung des persischen Reimes als eines p1b_390.022
„Nachtönens“ oder Echos:

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/424>, abgerufen am 22.11.2024.