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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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II. Der Ausklang.
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§ 133. Wesen des Ausklangs und seine Verwendung.

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1. Eine Art Allitteration, welche in Übereinstimmung der die p1b_417.004
Silben schließenden Konsonanten besteht, heißt Ausklang. (Vgl. p1b_417.005
§ 129. 1. 6.)

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2. Er wurde nicht zur metrischen Gliederung gebraucht.

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3. Er wird zuweilen durch den Anlaut verstärkt.

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1. Beispiele: Macht - Pracht - Sucht; Hinz - Kunz; Dampf - p1b_417.009
Rumpf; Ost - West; leben - schieben; sterben - darben; schlicht - schlecht; p1b_417.010
tuscheln - zischeln; guten Tag - guten Weg; Wald - Feld; Geld - p1b_417.011
Gold; Jammer - Kummer; Hand - Mund; sündlich - schändlich.

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2. Der Auslaut ist nicht angewendet worden, um der Rede eine bestimmte p1b_417.013
Gliederung zu verleihen; man hat durch ihn lediglich den Begriffswörtern eine p1b_417.014
eigenartige tonliche Auszeichnung geben wollen, einen Nachdruck in der Betonung, p1b_417.015
welcher ihre Bedeutung malen und charakterisieren sollte.

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3. Der Ausklang kann verstärkt werden, wenn er mit dem ähnlich anlautenden p1b_417.017
Konsonanten verbunden wird.

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Beispiele: Piff - paff - puff; Sing und Sang; Kling und Klang; p1b_417.019
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Nach Aufnahme des Christentums mit seiner tiefinnerlichen Gemütswelt p1b_417.021
verlangte die Verinnerlichung des Volkslebens nach einem Fallenlassen der p1b_417.022
"heidnischen" mythischen Allitteration im Anlaut wie im Ausklang. Man p1b_417.023
erstrebte ein wirksameres, kräftigeres Kunstmittel für metrische Bindung der Verse p1b_417.024
und gelangte zur Assonanz wie zum Reime.

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III. Die Assonanz oder der Vokalreim.
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§ 134. Wesen der Assonanz und Anforderungen.

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1. Die Wiederkehr der gleichen Vokale oder Diphthonge in den p1b_417.028
betonten Silben (Stammsilben) einer Verszeile, oder auch nur im p1b_417.029
letzten Verstakte der einzelnen Verszeilen heißt Assonanz, auch Stimmreim p1b_417.030
oder Vokalreim. (Vgl. § 126. 1. c. und 2. d. S. 394. 395.)

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2. Die Assonanz hat ein versregelndes Ziel.

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3. Sie verlangt daher Reinheit der assonierenden Vokale.

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4. Der Kunst des Dichters ist es vorbehalten, schon im Anfang p1b_417.034
seines Gedichts durch Binnenassonanzen zu betonen und auf die p1b_417.035
Schluß-Assonanz hinzuweisen.

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II. Der Ausklang.
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welcher ihre Bedeutung malen und charakterisieren sollte.

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Konsonanten verbunden wird.

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Thür und Thor.

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und gelangte zur Assonanz wie zum Reime.

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III. Die Assonanz oder der Vokalreim.
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§ 134. Wesen der Assonanz und Anforderungen.

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1. Die Wiederkehr der gleichen Vokale oder Diphthonge in den p1b_417.028
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oder Vokalreim. (Vgl. § 126. 1. c. und 2. d. S. 394. 395.)

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2. Die Assonanz hat ein versregelndes Ziel.

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/451>, abgerufen am 22.11.2024.