Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_436.001 f. Umsonst umschlangen sie, umsonst umflochten sie, p1b_436.002 p1b_436.005Vergebens rangen sie, vergebens fochten sie. p1b_436.003 Voll Wut andrangen sie, voll Wut aufkochten sie, p1b_436.004 Sich nicht bezwangen sie, noch über mochten sie. (Rückert, Rostem und Suhrab.) p1b_436.006 p1b_436.007 p1b_436.010 Wenn langsam Welle sich an Welle schließet, p1b_436.012 Jm breiten Bette fließet still das Leben, p1b_436.013 Wird jeder Wunsch verschweben in den einen: p1b_436.014 Nichts soll des Daseins reinen Fluß dir stören. p1b_436.015 Läßt du dein Herz bethören durch die Liebe, p1b_436.016 So werden alle Triebe, losgelassen, p1b_436.017 Die Kraft in vollen Massen sich entladen, p1b_436.018 Daß unten tief sich baden die Gefühle, p1b_436.019 Jm buntesten Gewühle milder rauschen, p1b_436.020 Bis ferne Männer lauschen, und voll Bangen p1b_436.021 Das nah zu sehn verlangen, was mit Grausen p1b_436.022 Die Seel' erfüllt im Sausen solcher Wogen, p1b_436.023 Die manchen schon betrogen und nicht ruhten, p1b_436.024 Bis tiefer in die Fluten ew'ger Leiden p1b_436.025 Verschlungen sie die beiden, die vereinet p1b_436.026 Jm Silberschaum den süßen Tod beweinet. (Fr. Schlegel.) p1b_436.027 p1b_436.028 Geben Wolken den Weinreben p1b_436.030 p1b_436.031Tau, so geben die Reben Wein u. s. w. Oder: Schöne Frau, nach euern süßen Reizen, p1b_436.032 Reizen, die zwar meines Todes Schuld, p1b_436.033 Müssen meine Lebensgeister geizen, p1b_436.034 Geizen alle doch nach eurer Huld. Geizen &c. p1b_436.035 p1b_436.036 p1b_436.040 p1b_436.001 f. Umsonst umschlangen sie, umsonst umflochten sie, p1b_436.002 p1b_436.005Vergebens rangen sie, vergebens fochten sie. p1b_436.003 Voll Wut andrangen sie, voll Wut aufkochten sie, p1b_436.004 Sich nicht bezwangen sie, noch über mochten sie. 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Der Kettenreim.</p> <p><lb n="p1b_436.007"/> Bei ihm reimt das Ende der Verszeile fortlaufend mit einem <lb n="p1b_436.008"/> Worte innerhalb des folgenden Verses, so daß sich der Reim wie <lb n="p1b_436.009"/> eine geschlossene Kette durch die ganze Dichtung zieht.</p> <p> <lb n="p1b_436.010"/> <hi rendition="#g">Beispiele:</hi> </p> <lb n="p1b_436.011"/> <lg> <l>Wenn langsam Welle sich an Welle <hi rendition="#g">schließet,</hi></l> <lb n="p1b_436.012"/> <l>Jm breiten Bette <hi rendition="#g">fließet</hi> still das <hi rendition="#g">Leben,</hi></l> <lb n="p1b_436.013"/> <l>Wird jeder Wunsch ver<hi rendition="#g">schweben</hi> in den <hi rendition="#g">einen:</hi></l> <lb n="p1b_436.014"/> <l>Nichts soll des Daseins <hi rendition="#g">reinen</hi> Fluß dir <hi rendition="#g">stören.</hi></l> <lb n="p1b_436.015"/> <l>Läßt du dein Herz be<hi rendition="#g">thören</hi> durch die <hi rendition="#g">Liebe,</hi></l> <lb n="p1b_436.016"/> <l>So werden alle <hi rendition="#g">Triebe,</hi> losge<hi rendition="#g">lassen,</hi></l> <lb n="p1b_436.017"/> <l>Die Kraft in vollen <hi rendition="#g">Massen</hi> sich <hi rendition="#g">entladen,</hi></l> <lb n="p1b_436.018"/> <l>Daß unten tief sich <hi rendition="#g">baden</hi> die Ge<hi rendition="#g">fühle,</hi></l> <lb n="p1b_436.019"/> <l>Jm buntesten Ge<hi rendition="#g">wühle</hi> milder <hi rendition="#g">rauschen,</hi></l> <lb n="p1b_436.020"/> <l>Bis ferne Männer <hi rendition="#g">lauschen,</hi> und voll <hi rendition="#g">Bangen</hi></l> <lb n="p1b_436.021"/> <l>Das nah zu sehn ver<hi rendition="#g">langen,</hi> was mit <hi rendition="#g">Grausen</hi></l> <lb n="p1b_436.022"/> <l>Die Seel' erfüllt im <hi rendition="#g">Sausen</hi> solcher <hi rendition="#g">Wogen,</hi></l> <lb n="p1b_436.023"/> <l>Die manchen schon be<hi rendition="#g">trogen</hi> und nicht <hi rendition="#g">ruhten,</hi></l> <lb n="p1b_436.024"/> <l>Bis tiefer in die <hi rendition="#g">Fluten</hi> ew'ger <hi rendition="#g">Leiden</hi></l> <lb n="p1b_436.025"/> <l>Verschlungen sie die <hi rendition="#g">beiden,</hi> die ver<hi rendition="#g">einet</hi></l> <lb n="p1b_436.026"/> <l>Jm Silberschaum den süßen Tod be<hi rendition="#g">weinet.</hi></l> </lg> <p> <hi rendition="#right">(Fr. 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Das Echo.</p> <p><lb n="p1b_436.036"/> Das Echo gehört (wie auch der Refrain) streng genommen zu <lb n="p1b_436.037"/> den Wiederholungen. Wir zählen es zu den Reimarten, da es lediglich <lb n="p1b_436.038"/> eine Wiederholung des Reimes ist. Zuweilen wiederholt es eine ganze <lb n="p1b_436.039"/> Verszeile und wird dann selbst zum Vers.</p> <p><lb n="p1b_436.040"/> Das Echo bringt den Gleichklang zur höchsten Bedeutung und steigert so <lb n="p1b_436.041"/> das malerisch musikalische Moment. Zugleich wirkt es dadurch auf unsere <lb n="p1b_436.042"/> Phantasie, daß unsere Natur durch dasselbe am Reime spielend sich beteiligt. <lb n="p1b_436.043"/> Spanische Dichter des 16. und 17. Jahrhunderts, sowie die Pegnitzschäfer wandten <lb n="p1b_436.044"/> es mehrfach an. Auch bei den Romantikern findet man es, z. B. bei Tieck <lb n="p1b_436.045"/> im Oktavian, bei A. W. v. Schlegel im Waldgespräch, in Volksliedern, ferner <lb n="p1b_436.046"/> bei Rückert u. A.</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [436/0470]
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f.
Umsonst umschlangen sie, umsonst umflochten sie, p1b_436.002
Vergebens rangen sie, vergebens fochten sie. p1b_436.003
Voll Wut andrangen sie, voll Wut aufkochten sie, p1b_436.004
Sich nicht bezwangen sie, noch über mochten sie.
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(Rückert, Rostem und Suhrab.)
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12. Der Kettenreim.
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Bei ihm reimt das Ende der Verszeile fortlaufend mit einem p1b_436.008
Worte innerhalb des folgenden Verses, so daß sich der Reim wie p1b_436.009
eine geschlossene Kette durch die ganze Dichtung zieht.
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Beispiele:
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Wenn langsam Welle sich an Welle schließet, p1b_436.012
Jm breiten Bette fließet still das Leben, p1b_436.013
Wird jeder Wunsch verschweben in den einen: p1b_436.014
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Läßt du dein Herz bethören durch die Liebe, p1b_436.016
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Jm Silberschaum den süßen Tod beweinet.
(Fr. Schlegel.)
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(Vgl. noch von demselben „Der welke Kranz“.)
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Ähnliche künstelnde Spielereien finden sich mehrfach bei Rückert, z. B.:
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Geben Wolken den Weinreben p1b_436.030
Tau, so geben die Reben Wein u. s. w.
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Oder:
Schöne Frau, nach euern süßen Reizen, p1b_436.032
Reizen, die zwar meines Todes Schuld, p1b_436.033
Müssen meine Lebensgeister geizen, p1b_436.034
Geizen alle doch nach eurer Huld. Geizen &c.
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13. Das Echo.
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Das Echo gehört (wie auch der Refrain) streng genommen zu p1b_436.037
den Wiederholungen. Wir zählen es zu den Reimarten, da es lediglich p1b_436.038
eine Wiederholung des Reimes ist. Zuweilen wiederholt es eine ganze p1b_436.039
Verszeile und wird dann selbst zum Vers.
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Das Echo bringt den Gleichklang zur höchsten Bedeutung und steigert so p1b_436.041
das malerisch musikalische Moment. Zugleich wirkt es dadurch auf unsere p1b_436.042
Phantasie, daß unsere Natur durch dasselbe am Reime spielend sich beteiligt. p1b_436.043
Spanische Dichter des 16. und 17. Jahrhunderts, sowie die Pegnitzschäfer wandten p1b_436.044
es mehrfach an. Auch bei den Romantikern findet man es, z. B. bei Tieck p1b_436.045
im Oktavian, bei A. W. v. Schlegel im Waldgespräch, in Volksliedern, ferner p1b_436.046
bei Rückert u. A.
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