Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_508.001 Abend wars; auf fernem Steige p1b_508.008 Ging ich in des Waldes Grün, p1b_508.009 Wilde Apfelblütenzweige p1b_508.010 Wehten Flocken auf mich hin. p1b_508.011 Tausend süße Stimmen drangen p1b_508.012 Fröhlich durch den kühlen Hain, p1b_508.013 Bunt beschwingte Vögel sangen p1b_508.014 Süße Liebesmelodein. p1b_508.015 p1b_508.018 p1b_508.023 Mitten in der Wüste war es, wo wir Nachts am Boden ruhten, p1b_508.028 p1b_508.031Meine Beduinen schliefen bei den abgezäumten Stuten. p1b_508.029 Jn der Ferne lag das Mondlicht auf der Nilgebirge Jochen, p1b_508.030 Rings im Flugsand umgekommner Dromedare weiße Knochen &c. (Freiligraths Gesicht des Reisenden.) p1b_508.032 2. Strophe des Löwenritts: p1b_508.037Abends, wenn die hellen Feuer glühn im Hottentottenkraale, p1b_508.038 Wenn des jähen Tafelberges bunte, wechselnde Signale p1b_508.039 Nicht mehr glänzen, wenn der Kaffer einsam schweift durch die Karroo, p1b_508.040 Wenn im Busch die Antilope schlummert und am Strom das Gnu. p1b_508.041 p1b_508.001 Abend wars; auf fernem Steige p1b_508.008 Ging ich in des Waldes Grün, p1b_508.009 Wilde Apfelblütenzweige p1b_508.010 Wehten Flocken auf mich hin. p1b_508.011 Tausend süße Stimmen drangen p1b_508.012 Fröhlich durch den kühlen Hain, p1b_508.013 Bunt beschwingte Vögel sangen p1b_508.014 Süße Liebesmelodein. p1b_508.015 p1b_508.018 p1b_508.023 Mitten in der Wüste war es, wo wir Nachts am Boden ruhten, p1b_508.028 p1b_508.031Meine Beduinen schliefen bei den abgezäumten Stuten. p1b_508.029 Jn der Ferne lag das Mondlicht auf der Nilgebirge Jochen, p1b_508.030 Rings im Flugsand umgekommner Dromedare weiße Knochen &c. (Freiligraths Gesicht des Reisenden.) p1b_508.032 2. Strophe des Löwenritts: p1b_508.037Abends, wenn die hellen Feuer glühn im Hottentottenkraale, p1b_508.038 Wenn des jähen Tafelberges bunte, wechselnde Signale p1b_508.039 Nicht mehr glänzen, wenn der Kaffer einsam schweift durch die Karroo, p1b_508.040 Wenn im Busch die Antilope schlummert und am Strom das Gnu. p1b_508.041 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0542" n="508"/> <p><lb n="p1b_508.001"/> Ähnliche Strophen entbehren jeder Verbindung und können ─ da ihnen <lb n="p1b_508.002"/> das Reimband abgeht ─ ohne Weiteres auseinander geschrieben werden. Es <lb n="p1b_508.003"/> beweist Unkenntnis der Gesetze der Strophik, wenn eine Strophe wie die <lb n="p1b_508.004"/> folgende, die noch dazu durch das Charakteristikum des gekreuzten männlichen <lb n="p1b_508.005"/> Reims in zwei Strophen geteilt ist, als eine achtzeilige geschrieben wird. Wer <lb n="p1b_508.006"/> dieselbe lediglich lesen hört, wird sie zweifelsohne als zwei Strophen auffassen:</p> <lb n="p1b_508.007"/> <lg> <l>Abend wars; auf fernem Steige</l> <lb n="p1b_508.008"/> <l> Ging ich in des Waldes Grün,</l> <lb n="p1b_508.009"/> <l> Wilde Apfelblütenzweige</l> <lb n="p1b_508.010"/> <l> Wehten Flocken auf mich hin. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_508.011"/> <l> Tausend süße Stimmen drangen</l> <lb n="p1b_508.012"/> <l> Fröhlich durch den kühlen Hain,</l> <lb n="p1b_508.013"/> <l> Bunt beschwingte Vögel sangen</l> <lb n="p1b_508.014"/> <l> Süße Liebesmelodein.</l> </lg> <p><lb n="p1b_508.015"/> (Vgl. Schiller: Der Jüngling am Bache. Ferner Goethe: Gleich und <lb n="p1b_508.016"/> gleich <hi rendition="#aq">I</hi>. 20; Sehnsucht <hi rendition="#aq">I</hi>. 72; Meeresstille <hi rendition="#aq">I</hi>. 54; Der Fischer <hi rendition="#aq">II</hi>. 149. <lb n="p1b_508.017"/> Endlich Uhland: Die versunkene Krone.)</p> <p><lb n="p1b_508.018"/> Solche Strophen, die sich in Gruppen auflösen lassen, tragen nicht die <lb n="p1b_508.019"/> Notwendigkeit der Zusammenfügung auf der Stirne. Dies trifft auch bei fast <lb n="p1b_508.020"/> allen vierzeiligen Strophen mit gepaarter Reimstellung zu (<hi rendition="#aq">a a, b b</hi>), sofern <lb n="p1b_508.021"/> nicht das Reimgeschlecht wechselt. Bei gleichem Reimgeschlecht vernimmt das <lb n="p1b_508.022"/> Ohr lediglich zweizeilige Strophen. (Vgl. § 201.)</p> <p><lb n="p1b_508.023"/> Wie sich in obiger Strophe die beiden Hemistichien <hi rendition="#g">so</hi> gleichen, daß man <lb n="p1b_508.024"/> sie als zwei selbständige, echte Strophen betrachten muß, so ist es in fast allen <lb n="p1b_508.025"/> Strophen des <hi rendition="#g">Freiligrathschen Löwenritts,</hi> ferner seines Gedichts „Gesicht <lb n="p1b_508.026"/> des Reisenden“ u. s. w., z. B.:</p> <lb n="p1b_508.027"/> <lg> <l>Mitten in der Wüste war es, wo wir Nachts am Boden ruhten,</l> <lb n="p1b_508.028"/> <l>Meine Beduinen schliefen bei den abgezäumten Stuten.</l> <lb n="p1b_508.029"/> <l>Jn der Ferne lag das Mondlicht auf der Nilgebirge Jochen,</l> <lb n="p1b_508.030"/> <l>Rings im Flugsand umgekommner Dromedare weiße Knochen &c.</l> </lg> <lb n="p1b_508.031"/> <p> <hi rendition="#right">(Freiligraths Gesicht des Reisenden.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_508.032"/> Nur zwei Strophen des <hi rendition="#g">Löwenritts</hi> (die 2. und die 7.) sind echte <lb n="p1b_508.033"/> Strophen, da sie durch Abwechselung des Reimgeschlechts binden und ein <lb n="p1b_508.034"/> strophisches Charakteristikum bieten, was bei den übrigen Strophen übersehen <lb n="p1b_508.035"/> wurde. Auch kettet sie der fortlaufende Gedanke.</p> <lb n="p1b_508.036"/> <p> <hi rendition="#c">2. <hi rendition="#g">Strophe des Löwenritts:</hi></hi> </p> <lb n="p1b_508.037"/> <lg> <l>Abends, wenn die hellen Feuer glühn im Hottentottenkraale,</l> <lb n="p1b_508.038"/> <l>Wenn des jähen Tafelberges bunte, wechselnde Signale</l> <lb n="p1b_508.039"/> <l>Nicht mehr glänzen, wenn der Kaffer einsam schweift durch die <hi rendition="#g">Karroo,</hi></l> <lb n="p1b_508.040"/> <l>Wenn im Busch die Antilope schlummert und am Strom das <hi rendition="#g">Gnu.</hi></l> </lg> <p><lb n="p1b_508.041"/> Abgesehen von <hi rendition="#g">fremden</hi> Formen (wie z. B. Sonett, Terzine, Sestine, <lb n="p1b_508.042"/> Ghasel &c. § 165 ff.) giebt es genug deutsche Strophen, die nur durch das <lb n="p1b_508.043"/> künstliche Reimband zusammengehalten sind. Jhre Verse werden also weder durch </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [508/0542]
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Ähnliche Strophen entbehren jeder Verbindung und können ─ da ihnen p1b_508.002
das Reimband abgeht ─ ohne Weiteres auseinander geschrieben werden. Es p1b_508.003
beweist Unkenntnis der Gesetze der Strophik, wenn eine Strophe wie die p1b_508.004
folgende, die noch dazu durch das Charakteristikum des gekreuzten männlichen p1b_508.005
Reims in zwei Strophen geteilt ist, als eine achtzeilige geschrieben wird. Wer p1b_508.006
dieselbe lediglich lesen hört, wird sie zweifelsohne als zwei Strophen auffassen:
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Abend wars; auf fernem Steige p1b_508.008
Ging ich in des Waldes Grün, p1b_508.009
Wilde Apfelblütenzweige p1b_508.010
Wehten Flocken auf mich hin.
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Tausend süße Stimmen drangen p1b_508.012
Fröhlich durch den kühlen Hain, p1b_508.013
Bunt beschwingte Vögel sangen p1b_508.014
Süße Liebesmelodein.
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(Vgl. Schiller: Der Jüngling am Bache. Ferner Goethe: Gleich und p1b_508.016
gleich I. 20; Sehnsucht I. 72; Meeresstille I. 54; Der Fischer II. 149. p1b_508.017
Endlich Uhland: Die versunkene Krone.)
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Solche Strophen, die sich in Gruppen auflösen lassen, tragen nicht die p1b_508.019
Notwendigkeit der Zusammenfügung auf der Stirne. Dies trifft auch bei fast p1b_508.020
allen vierzeiligen Strophen mit gepaarter Reimstellung zu (a a, b b), sofern p1b_508.021
nicht das Reimgeschlecht wechselt. Bei gleichem Reimgeschlecht vernimmt das p1b_508.022
Ohr lediglich zweizeilige Strophen. (Vgl. § 201.)
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Wie sich in obiger Strophe die beiden Hemistichien so gleichen, daß man p1b_508.024
sie als zwei selbständige, echte Strophen betrachten muß, so ist es in fast allen p1b_508.025
Strophen des Freiligrathschen Löwenritts, ferner seines Gedichts „Gesicht p1b_508.026
des Reisenden“ u. s. w., z. B.:
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Mitten in der Wüste war es, wo wir Nachts am Boden ruhten, p1b_508.028
Meine Beduinen schliefen bei den abgezäumten Stuten. p1b_508.029
Jn der Ferne lag das Mondlicht auf der Nilgebirge Jochen, p1b_508.030
Rings im Flugsand umgekommner Dromedare weiße Knochen &c.
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(Freiligraths Gesicht des Reisenden.)
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Nur zwei Strophen des Löwenritts (die 2. und die 7.) sind echte p1b_508.033
Strophen, da sie durch Abwechselung des Reimgeschlechts binden und ein p1b_508.034
strophisches Charakteristikum bieten, was bei den übrigen Strophen übersehen p1b_508.035
wurde. Auch kettet sie der fortlaufende Gedanke.
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2. Strophe des Löwenritts:
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Abends, wenn die hellen Feuer glühn im Hottentottenkraale, p1b_508.038
Wenn des jähen Tafelberges bunte, wechselnde Signale p1b_508.039
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Wenn im Busch die Antilope schlummert und am Strom das Gnu.
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Abgesehen von fremden Formen (wie z. B. Sonett, Terzine, Sestine, p1b_508.042
Ghasel &c. § 165 ff.) giebt es genug deutsche Strophen, die nur durch das p1b_508.043
künstliche Reimband zusammengehalten sind. Jhre Verse werden also weder durch
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