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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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O dürft' ich sitzen jetzt bei dir daheim, p1b_548.002
Die nicht zu neiden braucht den reinen Schnee, p1b_548.003
Die mit der sonn'gen Augen sanfter Glut p1b_548.004
Selbst Funken weiß zu locken aus dem Frost! p1b_548.005
Beschwören sollte sie in mir den Sturm, p1b_548.006
Und tauen sollte meines Busens Eis.
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Erst muß am Blick des Frühlinges das Eis p1b_548.008
Des Winters schmelzen, und nach Norden heim, p1b_548.009
Verscheucht vom Lenzhauch, ziehn der laute Sturm; p1b_548.010
Eh ich darf ziehn dorthin, wo ich den Schnee p1b_548.011
Der Hand will küssen, den, weil Winterfrost p1b_548.012
Jhn nicht erschuf, nicht tötet Sommerglut.
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Die Sehnsucht brennt in mir wie Sommerglut, p1b_548.014
Aufzehrend innerlich, wie mürbes Eis p1b_548.015
Mein Herz, in Mitten von des Winters Frost; p1b_548.016
Und rastlos stäuben die Gedanken heim, p1b_548.017
Nach ihrem Ziel, sich kreuzend wie der Schnee, p1b_548.018
Den flockend durcheinander treibt der Sturm.
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O daß mich fassend zu ihr trüg' ein Sturm, p1b_548.020
Damit gestillet würde meine Glut! p1b_548.021
Und dürft' ich als ein Flöckchen auch von Schnee p1b_548.022
Nur, oder als ein Nädelchen von Eis p1b_548.023
Das Dach berühren, wo sie ist daheim; p1b_548.024
Nicht fühlen wollt' ich da des Winters Frost.
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Wer fühlet, wo der Frühling atmet, Frost? p1b_548.026
Wen schrecket, wo die Liebe sonnet, Sturm? p1b_548.027
Wer kennet Ungemach, wo Sie daheim? p1b_548.028
Sie, die mir zuhaucht sanfte Lebensglut p1b_548.029
So fern her über manch Gefild von Eis p1b_548.030
Und manch Gebirg, bedeckt von rauhem Schnee.
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Mit Blütenschnee schmückt sich der kahle Frost, p1b_548.032
Das Eis wird Licht-Krystall und Wohllaut Sturm p1b_548.033
Wo ich voll Glut zu Dir mich denke heim.
p1b_548.034

(Fr. Rückert.)

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Ganz dasselbe Schema wendet Petrarca an (nach A. W. p1b_548.036
v. Schlegel):

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Vers 2.Zum süßen Schatten der so schönen Blätter p1b_548.038
Lief ich, entfliehend einem wilden Strahle, p1b_548.039
Der niederbrannt' auf euch vom dritten Himmel. p1b_548.040
Und schon entlastete vom Schnee die Hügel p1b_548.041
Der laue Hauch, der uns erneut' die Zeiten, p1b_548.042
Und Kräuter blühten auf den Au'n und Sprossen.
p1b_548.043
Es sah die Welt nie so anmut'ge Sprossen, p1b_548.044
Es regte nie der Wind so grüne Blätter, p1b_548.045
Als mir sich wiesen in den ersten Zeiten, p1b_548.046
So daß ich bange vor dem glüh'nden Strahle p1b_548.047
Die Zuflucht nicht im Schatten nahm der Hügel, p1b_548.048
Nein, jenes Baums, vor allen wert dem Himmel.
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O dürft' ich sitzen jetzt bei dir daheim, p1b_548.002
Die nicht zu neiden braucht den reinen Schnee, p1b_548.003
Die mit der sonn'gen Augen sanfter Glut p1b_548.004
Selbst Funken weiß zu locken aus dem Frost! p1b_548.005
Beschwören sollte sie in mir den Sturm, p1b_548.006
Und tauen sollte meines Busens Eis.
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Erst muß am Blick des Frühlinges das Eis p1b_548.008
Des Winters schmelzen, und nach Norden heim, p1b_548.009
Verscheucht vom Lenzhauch, ziehn der laute Sturm; p1b_548.010
Eh ich darf ziehn dorthin, wo ich den Schnee p1b_548.011
Der Hand will küssen, den, weil Winterfrost p1b_548.012
Jhn nicht erschuf, nicht tötet Sommerglut.
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Die Sehnsucht brennt in mir wie Sommerglut, p1b_548.014
Aufzehrend innerlich, wie mürbes Eis p1b_548.015
Mein Herz, in Mitten von des Winters Frost; p1b_548.016
Und rastlos stäuben die Gedanken heim, p1b_548.017
Nach ihrem Ziel, sich kreuzend wie der Schnee, p1b_548.018
Den flockend durcheinander treibt der Sturm.
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Das Eis wird Licht-Krystall und Wohllaut Sturm p1b_548.033
Wo ich voll Glut zu Dir mich denke heim.
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(Fr. Rückert.)

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Ganz dasselbe Schema wendet Petrarca an (nach A. W. p1b_548.036
v. Schlegel):

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Vers 2.Zum süßen Schatten der so schönen Blätter p1b_548.038
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/582>, abgerufen am 22.11.2024.