Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_603.001 Allez howende | die Guntheres man. p1b_603.004 a. Ez troumde Kriemhilde | in tugenden, der si pflac, p1b_603.007 wie si einen valken wilden | züge manegen tac, p1b_603.008 den ir zwen arn erkrummen, | daz si daz muoste sehen. p1b_603.009 ir enkunde in dirre werlde | nimmer leider sein geschehen. p1b_603.010 p1b_603.014(Es träumte Kriemhilden in Tugenden, deren sie pflag, (== pflog) p1b_603.011 Wie sie einen wilden Falken zöge manchen Tag, p1b_603.012 Den ihr zwei Aar' ergriffen, daß sie es mußte sehen. p1b_603.013 Jhr konnt' in dieser Welt nie schlimmeres Leid geschehen.) b. Den troum si do sagete | ir muoter Uoten. p1b_603.015 sin kunde in niht bescheiden | baz der guoten: p1b_603.016 "der valke, den du ziuhest, - daz ist ein edel man. p1b_603.017 "in welle got behüeten, | du muost in schiere vloren han." p1b_603.018 p1b_603.022(Den Traum sie da sagte ihrer Mutter Uten, p1b_603.019 Sie konnt' ihn nicht auslegen besser der Guten: p1b_603.020 "der Falke, den du ziehest, das ist ein edler Mann; p1b_603.021 "Jhn wolle Gott behüten, du mußt ihn schier verloren han.") c. "Waz saget ir mir von manne, | vil liebiu muoter mein? p1b_603.023 "ane reckenminne | wil ich immer sein; p1b_603.024 "sus schoene wil ich beleiben | unz an meinen tot, p1b_603.025 "daz ich sol von manne | nimmer gewinnen deheine not." p1b_603.026 ("Was saget ihr mir von Manne, viel liebe Mutter mein? p1b_603.027 Ohne Reckenminne will ich immer sein. p1b_603.028 So schön will ich bleiben bis an meinen Tod, p1b_603.029 Daß ich soll von einem Manne nimmer gewinnen irgend Not.") p1b_603.030 § 191. Verwendung der mittelhochdeutschen Nibelungenstrophe p1b_603.031 in der Neuzeit. p1b_603.032 p1b_603.001 Āllĕz hōwēndĕ │ dĭe Gūnthērĕs mān. p1b_603.004 a. Ez troumde Kriemhilde │ in tugenden, der si pflac, p1b_603.007 wie si einen valken wilden │ züge manegen tac, p1b_603.008 den ir zwên arn erkrummen, │ daz si daz muoste sehen. p1b_603.009 ir enkunde in dirre werlde │ nimmer leider sîn geschehen. p1b_603.010 p1b_603.014(Es träumte Kriemhilden in Tugenden, deren sie pflag, (== pflog) p1b_603.011 Wie sie einen wilden Falken zöge manchen Tag, p1b_603.012 Den ihr zwei Aar' ergriffen, daß sie es mußte sehen. p1b_603.013 Jhr konnt' in dieser Welt nie schlimmeres Leid geschehen.) b. Den troum si dô sagete │ ir muoter Uoten. p1b_603.015 sin kunde in niht bescheiden │ baz der guoten: p1b_603.016 „der valke, den du ziuhest, ─ daz ist ein edel man. p1b_603.017 „in welle got behüeten, │ du muost in schiere vloren hân.“ p1b_603.018 p1b_603.022(Den Traum sie da sagte ihrer Mutter Uten, p1b_603.019 Sie konnt' ihn nicht auslegen besser der Guten: p1b_603.020 „der Falke, den du ziehest, das ist ein edler Mann; p1b_603.021 „Jhn wolle Gott behüten, du mußt ihn schier verloren han.“) c. „Waz saget ir mir von manne, │ vil liebiu muoter mîn? p1b_603.023 „âne reckenminne │ wil ich immer sîn; p1b_603.024 „sus schoene wil ich belîben │ unz an mînen tôt, p1b_603.025 „daz ich sol von manne │ nimmer gewinnen deheine nôt.“ p1b_603.026 („Was saget ihr mir von Manne, viel liebe Mutter mein? p1b_603.027 Ohne Reckenminne will ich immer sein. p1b_603.028 So schön will ich bleiben bis an meinen Tod, p1b_603.029 Daß ich soll von einem Manne nimmer gewinnen irgend Not.“) p1b_603.030 § 191. 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Gūnthēr, Rǖdĭgĕr und Rǖdĭgēr. Das Partizipium Präsentis, das bei uns p1b_603.002
schon immer daktylisch ist, findet sich bei den Alten noch häufig bacchisch. Z. B.
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Āllĕz hōwēndĕ │ dĭe Gūnthērĕs mān.
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Beispiele der mittelhochdeutschen Nibelungenstrophe. Ausg. p1b_603.005
von Vollmer (S. 2).
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a.
Ez troumde Kriemhilde │ in tugenden, der si pflac, p1b_603.007
wie si einen valken wilden │ züge manegen tac, p1b_603.008
den ir zwên arn erkrummen, │ daz si daz muoste sehen. p1b_603.009
ir enkunde in dirre werlde │ nimmer leider sîn geschehen.
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(Es träumte Kriemhilden in Tugenden, deren sie pflag, (== pflog) p1b_603.011
Wie sie einen wilden Falken zöge manchen Tag, p1b_603.012
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b.
Den troum si dô sagete │ ir muoter Uoten. p1b_603.015
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„der valke, den du ziuhest, ─ daz ist ein edel man. p1b_603.017
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(Den Traum sie da sagte ihrer Mutter Uten, p1b_603.019
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„der Falke, den du ziehest, das ist ein edler Mann; p1b_603.021
„Jhn wolle Gott behüten, du mußt ihn schier verloren han.“)
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c.
„Waz saget ir mir von manne, │ vil liebiu muoter mîn? p1b_603.023
„âne reckenminne │ wil ich immer sîn; p1b_603.024
„sus schoene wil ich belîben │ unz an mînen tôt, p1b_603.025
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(„Was saget ihr mir von Manne, viel liebe Mutter mein? p1b_603.027
Ohne Reckenminne will ich immer sein. p1b_603.028
So schön will ich bleiben bis an meinen Tod, p1b_603.029
Daß ich soll von einem Manne nimmer gewinnen irgend Not.“)
p1b_603.030
§ 191. Verwendung der mittelhochdeutschen Nibelungenstrophe p1b_603.031
in der Neuzeit. p1b_603.032
Die besten Dichter unsers Jahrhunderts, welche das althochdeutsche p1b_603.033
Betonungsprinzip zu dem ihrigen erhoben, haben die mittelhochdeutsche p1b_603.034
Nibelungenstrophe in einzelnen Dichtungen gut verwertet. p1b_603.035
Es sind vor Allen Arndt, Rückert, Geibel, Hamerling, Heine, Scheffel p1b_603.036
und in allerjüngster Zeit Paul Schönfeld.
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