Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_604.001 p1b_604.006 Was blasen die Trompeten? Husaren heraus! p1b_604.008 Es reitet der Feldmarschall im fliegenden Saus. p1b_604.009 Er reitet so freudig sein mutiges Pferd, p1b_604.010 Er schwinget so schneidig sein blitzendes Schwert u. s. w. p1b_604.011 p1b_604.013 [Musik] p1b_604.019 p1b_604.023 Laßt Blondel, meinen Sännger, rief Rnichard Lowenherz, p1b_604.026 Herzu, daß er mit Tönen mir nehme meinen Schmerz. p1b_604.027 Jch war oft änrger am Herzen, als jetzt am Leibe, wund. p1b_604.028 Da schuf von allen Schmerzen | mich immer sein Gesang gesund. p1b_604.029 So kam mit den Normannen, in der Erobrung Lauf, p1b_604.030 Von Sagen noch ein andrer | herzerobernder Hauf; p1b_604.031 Andere sind gekommen, man weiß nicht, wann und wie, p1b_604.032 Von wannen an das Ufer | die Welle getrieben hat sie. p1b_604.033
Aus alter Jugend Tagen klingt in mir an ein Lied, p1b_604.034 Wie ein schwebender Schatten ünber | spielendes Wasser zieht: p1b_604.035 Meinem kranken Konige, | damit sein Schmerz sei gestillt, p1b_604.036 Will ich die Märe künden | von Hornkind und Maid Rimenild. p1b_604.001 p1b_604.006 Was blásen dié Trompéten? Husárén heráus! p1b_604.008 Es réitét der Féldmarschall im fliégénden Saús. p1b_604.009 Er réitét so fréudig sein mútíges Pférd, p1b_604.010 Er schwíngét so schnéidig sein blítzéndes Schwért u. s. w. p1b_604.011 p1b_604.013 [Musik] p1b_604.019 p1b_604.023 Laßt Blōndel, mēinen Sǟnger, rief R̄ichard Lȫwenhērz, p1b_604.026 Herzu, daß er mit Tönen mir nehme meinen Schmerz. p1b_604.027 Jch wār oft ǟrgĕr ăm Hērzen, als jetzt am Leibe, wund. p1b_604.028 Da schuf von allen Schmerzen │ mich īmmer sēin Gesāng gesūnd. p1b_604.029 So kam mit den Normannen, in der Erobrung Lauf, p1b_604.030 Von Sagen noch ein andrer │ hērzĕrōbĕrndĕr Hāuf; p1b_604.031 Andere sind gekommen, man weiß nicht, wann und wie, p1b_604.032 Von wannen an das Ufer │ die Wēllĕ gĕtrīebĕn hāt sīe. p1b_604.033
Aus alter Jugend Tagen klingt in mir an ein Lied, p1b_604.034 Wĭe ĕin schwēbĕndĕr Schāttĕn ǖbĕr │ spīelĕndĕs Wāssĕr zīeht: p1b_604.035 Mēinĕm krānkĕn Kȫnĭgĕ, │ dămīt sĕin Schmērz sĕi gĕstīllt, p1b_604.036 Will ich die Märe künden │ vŏn Hōrnkīnd ŭnd Māid Rĭmĕnīld. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0638" n="604"/> <p><lb n="p1b_604.001"/><hi rendition="#g">Arndt</hi> war der erste Dichter, welcher den Versuch wagte, die alte <lb n="p1b_604.002"/> Nibelungenstrophe im „Liede vom Feldmarschall“ nachzubilden. Er schien darauf <lb n="p1b_604.003"/> zu rechnen, daß das nach dem Prinzip einer <hi rendition="#g">mittelhochdeutschen schwankenden <lb n="p1b_604.004"/> Betonung skandierende Lesen den Versrhythmus wahren</hi> <lb n="p1b_604.005"/> und <hi rendition="#g">sechs Hebungen in den Vers</hi> legen werde.</p> <p><lb n="p1b_604.006"/> Sonach muß man sein Gedicht folgendermaßen lesen:</p> <lb n="p1b_604.007"/> <lg> <l>Was blásen dié Trompéten? Husárén heráus!</l> <lb n="p1b_604.008"/> <l>Es réitét der Féldmarschall im fliégénden Saús.</l> <lb n="p1b_604.009"/> <l>Er réitét so fréudig sein mútíges Pférd,</l> <lb n="p1b_604.010"/> <l>Er schwíngét so schnéidig sein blítzéndes Schwért u. s. w.</l> </lg> <p><lb n="p1b_604.011"/> Wollte man nach unserer heutigen Betonung accentuieren, so kämen in <lb n="p1b_604.012"/> jede Zeile nur 4 Hebungen. Vgl. die Skansion auf S. 375 d. B.</p> <p><lb n="p1b_604.013"/> Die musikalische Komposition dieses Liedes, ─ eine Volksweise, ─ hat <lb n="p1b_604.014"/> mit Recht die schwankende Betonung der alten Nibelungenstrophe verschmäht <lb n="p1b_604.015"/> und die gegenwärtige accentuierende Metrik acceptiert, indem sie nur 4 Hebungen <lb n="p1b_604.016"/> in jeder Verszeile durch längere Noten oder durch Verteilung von 2 gleichwertigen <lb n="p1b_604.017"/> Noten auf nur 1 Silbe auszeichnete:</p> <lb n="p1b_604.018"/> <figure type="notatedMusic"/> <p><lb n="p1b_604.019"/> Einen Schritt weiter als Arndt ist Rückert gegangen, indem er in seinen <lb n="p1b_604.020"/> Nibelungenstrophen (vgl. Kind Horn) sechs wirkliche Hebungen mit willkürlichen <lb n="p1b_604.021"/> Thesen in jeder Verszeile gab, womit er ein strophisches Charakteristikum in <lb n="p1b_604.022"/> der 4. (zuweilen auch in der 3.) Verszeile verband.</p> <p><lb n="p1b_604.023"/><hi rendition="#g">Beispiele aus Kind Horn</hi> (ged. 1817. Vgl. des Verf. biogr. <lb n="p1b_604.024"/> Denkm. Fr. Rückerts. S. 92):</p> <lb n="p1b_604.025"/> <lg> <l>Laßt Blōndel, mēinen Sǟnger, rief R̄ichard Lȫwenhērz,</l> <lb n="p1b_604.026"/> <l>Herzu, daß er mit Tönen mir nehme meinen Schmerz.</l> <lb n="p1b_604.027"/> <l>Jch wār oft ǟrgĕr ăm Hērzen, als jetzt am Leibe, wund.</l> <lb n="p1b_604.028"/> <l>Da schuf von allen Schmerzen │ mich īmmer sēin Gesāng gesūnd. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_604.029"/> <l>So kam mit den Normannen, in der Erobrung Lauf,</l> <lb n="p1b_604.030"/> <l>Von Sagen noch ein andrer │ hērzĕrōbĕrndĕr Hāuf;</l> <lb n="p1b_604.031"/> <l>Andere sind gekommen, man weiß nicht, wann und wie,</l> <lb n="p1b_604.032"/> <l>Von wannen an das Ufer │ die Wēllĕ gĕtrīebĕn hāt sīe. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_604.033"/> <l>Aus alter Jugend Tagen klingt in mir an ein Lied,</l> <lb n="p1b_604.034"/> <l>Wĭe ĕin schwēbĕndĕr Schāttĕn ǖbĕr │ spīelĕndĕs Wāssĕr zīeht:</l> <lb n="p1b_604.035"/> <l>Mēinĕm krānkĕn Kȫnĭgĕ, │ dămīt sĕin Schmērz sĕi gĕstīllt,</l> <lb n="p1b_604.036"/> <l>Will ich die Märe künden │ vŏn Hōrnkīnd ŭnd Māid Rĭmĕnīld.</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [604/0638]
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Arndt war der erste Dichter, welcher den Versuch wagte, die alte p1b_604.002
Nibelungenstrophe im „Liede vom Feldmarschall“ nachzubilden. Er schien darauf p1b_604.003
zu rechnen, daß das nach dem Prinzip einer mittelhochdeutschen schwankenden p1b_604.004
Betonung skandierende Lesen den Versrhythmus wahren p1b_604.005
und sechs Hebungen in den Vers legen werde.
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Sonach muß man sein Gedicht folgendermaßen lesen:
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Was blásen dié Trompéten? Husárén heráus! p1b_604.008
Es réitét der Féldmarschall im fliégénden Saús. p1b_604.009
Er réitét so fréudig sein mútíges Pférd, p1b_604.010
Er schwíngét so schnéidig sein blítzéndes Schwért u. s. w.
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Wollte man nach unserer heutigen Betonung accentuieren, so kämen in p1b_604.012
jede Zeile nur 4 Hebungen. Vgl. die Skansion auf S. 375 d. B.
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Die musikalische Komposition dieses Liedes, ─ eine Volksweise, ─ hat p1b_604.014
mit Recht die schwankende Betonung der alten Nibelungenstrophe verschmäht p1b_604.015
und die gegenwärtige accentuierende Metrik acceptiert, indem sie nur 4 Hebungen p1b_604.016
in jeder Verszeile durch längere Noten oder durch Verteilung von 2 gleichwertigen p1b_604.017
Noten auf nur 1 Silbe auszeichnete:
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Einen Schritt weiter als Arndt ist Rückert gegangen, indem er in seinen p1b_604.020
Nibelungenstrophen (vgl. Kind Horn) sechs wirkliche Hebungen mit willkürlichen p1b_604.021
Thesen in jeder Verszeile gab, womit er ein strophisches Charakteristikum in p1b_604.022
der 4. (zuweilen auch in der 3.) Verszeile verband.
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Beispiele aus Kind Horn (ged. 1817. Vgl. des Verf. biogr. p1b_604.024
Denkm. Fr. Rückerts. S. 92):
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Laßt Blōndel, mēinen Sǟnger, rief R̄ichard Lȫwenhērz, p1b_604.026
Herzu, daß er mit Tönen mir nehme meinen Schmerz. p1b_604.027
Jch wār oft ǟrgĕr ăm Hērzen, als jetzt am Leibe, wund. p1b_604.028
Da schuf von allen Schmerzen │ mich īmmer sēin Gesāng gesūnd.
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So kam mit den Normannen, in der Erobrung Lauf, p1b_604.030
Von Sagen noch ein andrer │ hērzĕrōbĕrndĕr Hāuf; p1b_604.031
Andere sind gekommen, man weiß nicht, wann und wie, p1b_604.032
Von wannen an das Ufer │ die Wēllĕ gĕtrīebĕn hāt sīe.
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Aus alter Jugend Tagen klingt in mir an ein Lied, p1b_604.034
Wĭe ĕin schwēbĕndĕr Schāttĕn ǖbĕr │ spīelĕndĕs Wāssĕr zīeht: p1b_604.035
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Will ich die Märe künden │ vŏn Hōrnkīnd ŭnd Māid Rĭmĕnīld.
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