Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_656.001 p1b_656.003 p1b_656.021 p1b_656.027 a. Drei Worte nenn' ich euch, inhaltschwer, p1b_656.029 p1b_656.034Sie gehen von Munde zu Munde, p1b_656.030 Doch stammen sie nicht von außen her; p1b_656.031 Das Herz nur giebt davon Kunde. p1b_656.032 Dem Menschen ist aller Wert geraubt, p1b_656.033 Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt.(Schiller.) b. Siehst du die Spitzen der Alpen erglänzen, p1b_656.035 p1b_656.040Schimmernd umlagert von ewigem Schnee? p1b_656.036 Siehst du die dunkelnden Tannen umkränzen p1b_656.037 Dort in der Tiefe den ruhenden See? p1b_656.038 Droben in nächtlicher Ferne p1b_656.039 Ewige Sterne?(Otto Roquette.) c. Über Nacht, über Nacht p1b_656.041 Kommt still das Leid, p1b_656.042 Und bist du erwacht, - p1b_656.043 O traurige Zeit! - p1b_656.044 Du grüßest den dämmernden Morgen p1b_656.045 Mit Weinen und Sorgen. (Julius Sturm.) p1b_656.001 p1b_656.003 p1b_656.021 p1b_656.027 a. Drei Worte nenn' ich euch, inhaltschwer, p1b_656.029 p1b_656.034Sie gehen von Munde zu Munde, p1b_656.030 Doch stammen sie nicht von außen her; p1b_656.031 Das Herz nur giebt davon Kunde. p1b_656.032 Dem Menschen ist aller Wert geraubt, p1b_656.033 Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt.(Schiller.) b. Siehst du die Spitzen der Alpen erglänzen, p1b_656.035 p1b_656.040Schimmernd umlagert von ewigem Schnee? p1b_656.036 Siehst du die dunkelnden Tannen umkränzen p1b_656.037 Dort in der Tiefe den ruhenden See? p1b_656.038 Droben in nächtlicher Ferne p1b_656.039 Ewige Sterne?(Otto Roquette.) c. Über Nacht, über Nacht p1b_656.041 Kommt still das Leid, p1b_656.042 Und bist du erwacht, ─ p1b_656.043 O traurige Zeit! ─ p1b_656.044 Du grüßest den dämmernden Morgen p1b_656.045 Mit Weinen und Sorgen. 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Seidl „Herr, du bist groß“; <lb n="p1b_656.009"/> Mahlmann „Hoffnung auf Gott“). <hi rendition="#aq">c</hi>. <hi rendition="#g">bei den Dichtern im Minnesang <lb n="p1b_656.010"/> bis in die Neuzeit.</hi> Jch nenne von den bekannten: Ulrich von Liechtenstein <lb n="p1b_656.011"/> (Liebesglück), Gryphius (Wie eitel ist &c.), Flemming (Das getreue Herz), <lb n="p1b_656.012"/> Bürger (Die Weiber von Weinsberg), Arndt (Feuerlied), Goethe (Der Junggesell <lb n="p1b_656.013"/> und der Mühlbach), J. Hammer (Durch die Felder mußt du schweifen), <lb n="p1b_656.014"/> Ad. Stöber (Wachtelschlag), J. G. Fischer (Schillers Auferstehung), Herm. <lb n="p1b_656.015"/> Lingg (Pausanias), Otto Roquette (Siehst du die Spitzen der Alpen erglänzen), <lb n="p1b_656.016"/> Julius Mosen (Jm Sommer, und Die letzten Zehn vom 4. Regiment), Alfred <lb n="p1b_656.017"/> Meißner (Jn der Gebirgswüste, und Trümmer), Fritz Hofmann (Mütterleins <lb n="p1b_656.018"/> Feldpostpaket), Max Moltke (Frühlingseinkehr), Ölbermann (Weihe der Poesie), <lb n="p1b_656.019"/> Luise Otto-Peters (Jm Wald), Heinrich Pröhle (Der Gattin), Jul. Sturm <lb n="p1b_656.020"/> (Über Nacht), Jeg<hi rendition="#aq">ó</hi>r v. Sivers (Gewissen), Platen, W. Müller, Chamisso &c.</p> <p><lb n="p1b_656.021"/> Schiller und Rückert wetteifern mit einander in der Häufigkeit der Anwendung <lb n="p1b_656.022"/> dieser Strophe. Ersterer schrieb in ihr den Taucher, den Alpenjäger, <lb n="p1b_656.023"/> Die Worte des Glaubens, Die Worte des Wahns, Die 4 Weltalter, Das Mädchen <lb n="p1b_656.024"/> von Orleans, Berglied, An Emma, Reiterlied &c.; Rückert: Gott und <lb n="p1b_656.025"/> die Fürsten, Weltglanz, Gestillte Sehnsucht, Zu meinem Hochzeitfeste, September, <lb n="p1b_656.026"/> Grablied, Mai &c.</p> <p> <lb n="p1b_656.027"/> <hi rendition="#g">Beispiele:</hi> </p> <lb n="p1b_656.028"/> <p rendition="#left"><hi rendition="#aq">a</hi>.</p> <lg> <l>Drei Worte nenn' ich euch, inhaltschwer,</l> <lb n="p1b_656.029"/> <l>Sie gehen von Munde zu Munde,</l> <lb n="p1b_656.030"/> <l>Doch stammen sie nicht von außen her;</l> <lb n="p1b_656.031"/> <l>Das Herz nur giebt davon Kunde.</l> <lb n="p1b_656.032"/> <l>Dem Menschen ist aller Wert geraubt,</l> <lb n="p1b_656.033"/> <l>Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt.<hi rendition="#right">(Schiller.)</hi> </l> </lg> <lb n="p1b_656.034"/> <p rendition="#left"><hi rendition="#aq">b</hi>.</p> <lg> <l>Siehst du die Spitzen der Alpen erglänzen,</l> <lb n="p1b_656.035"/> <l>Schimmernd umlagert von ewigem Schnee?</l> <lb n="p1b_656.036"/> <l>Siehst du die dunkelnden Tannen umkränzen</l> <lb n="p1b_656.037"/> <l>Dort in der Tiefe den ruhenden See?</l> <lb n="p1b_656.038"/> <l>Droben in nächtlicher Ferne</l> <lb n="p1b_656.039"/> <l>Ewige Sterne?<hi rendition="#right">(Otto Roquette.)</hi> </l> </lg> <lb n="p1b_656.040"/> <p rendition="#left"><hi rendition="#aq">c</hi>.</p> <lg> <l>Über Nacht, über Nacht</l> <lb n="p1b_656.041"/> <l>Kommt still das Leid,</l> <lb n="p1b_656.042"/> <l>Und bist du erwacht, ─</l> <lb n="p1b_656.043"/> <l>O traurige Zeit! ─</l> <lb n="p1b_656.044"/> <l>Du grüßest den dämmernden Morgen</l> <lb n="p1b_656.045"/> <l>Mit Weinen und Sorgen.</l> </lg> <p> <hi rendition="#right">(Julius Sturm.)</hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [656/0690]
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zumeist zu didaktisch=philosophischen Gedichten, weshalb sie wohl die Bezeichnung: p1b_656.002
Schillers Lehr- und Anapästenstrophe verdienen dürfte.
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Wir finden diese Strophe a im Volkslied (z. B. Die Spinnerin, p1b_656.004
in Volksliedern von Erk II. Nr. 72; ferner das Lied von Schleswig-Holstein; p1b_656.005
ferner Der alte Dessauer in Kretzschmers Volksliedern N. 131. &c.). b. in p1b_656.006
geistlichen Liedern (vgl. Novalis „Wenn ich ihn nur habe“ und „Sehnsucht p1b_656.007
nach dem Tode“; Knapps Liederschatz Nr. 3175 und 3198: „christl. p1b_656.008
Gewitterlied“ und „christl. Erntelied“; J. G. Seidl „Herr, du bist groß“; p1b_656.009
Mahlmann „Hoffnung auf Gott“). c. bei den Dichtern im Minnesang p1b_656.010
bis in die Neuzeit. Jch nenne von den bekannten: Ulrich von Liechtenstein p1b_656.011
(Liebesglück), Gryphius (Wie eitel ist &c.), Flemming (Das getreue Herz), p1b_656.012
Bürger (Die Weiber von Weinsberg), Arndt (Feuerlied), Goethe (Der Junggesell p1b_656.013
und der Mühlbach), J. Hammer (Durch die Felder mußt du schweifen), p1b_656.014
Ad. Stöber (Wachtelschlag), J. G. Fischer (Schillers Auferstehung), Herm. p1b_656.015
Lingg (Pausanias), Otto Roquette (Siehst du die Spitzen der Alpen erglänzen), p1b_656.016
Julius Mosen (Jm Sommer, und Die letzten Zehn vom 4. Regiment), Alfred p1b_656.017
Meißner (Jn der Gebirgswüste, und Trümmer), Fritz Hofmann (Mütterleins p1b_656.018
Feldpostpaket), Max Moltke (Frühlingseinkehr), Ölbermann (Weihe der Poesie), p1b_656.019
Luise Otto-Peters (Jm Wald), Heinrich Pröhle (Der Gattin), Jul. Sturm p1b_656.020
(Über Nacht), Jegór v. Sivers (Gewissen), Platen, W. Müller, Chamisso &c.
p1b_656.021
Schiller und Rückert wetteifern mit einander in der Häufigkeit der Anwendung p1b_656.022
dieser Strophe. Ersterer schrieb in ihr den Taucher, den Alpenjäger, p1b_656.023
Die Worte des Glaubens, Die Worte des Wahns, Die 4 Weltalter, Das Mädchen p1b_656.024
von Orleans, Berglied, An Emma, Reiterlied &c.; Rückert: Gott und p1b_656.025
die Fürsten, Weltglanz, Gestillte Sehnsucht, Zu meinem Hochzeitfeste, September, p1b_656.026
Grablied, Mai &c.
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Beispiele:
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a.
Drei Worte nenn' ich euch, inhaltschwer, p1b_656.029
Sie gehen von Munde zu Munde, p1b_656.030
Doch stammen sie nicht von außen her; p1b_656.031
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Dem Menschen ist aller Wert geraubt, p1b_656.033
Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt.(Schiller.)
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b.
Siehst du die Spitzen der Alpen erglänzen, p1b_656.035
Schimmernd umlagert von ewigem Schnee? p1b_656.036
Siehst du die dunkelnden Tannen umkränzen p1b_656.037
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O traurige Zeit! ─ p1b_656.044
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Mit Weinen und Sorgen.
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