Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_734.001 p1b_734.005 p1b_734.010 Formen der vierzehnzeiligen Strophe. p1b_734.014 p1b_734.015 Kein Tadel kränkt wie solch ein Lob, p1b_734.017 p1b_734.030Und sei er giftig, sei er grob. p1b_734.018 Und ob er schnob und ob er stob p1b_734.019 Wie Sturm und Wetter, ob ich tob' p1b_734.020 Jm Augenblick ob dem, der ihn erhob; p1b_734.021 Kein scharfer Tadel kränkt, wie ich erprob', p1b_734.022 Auf Dauer so wie solch ein mattes Lob, p1b_734.023 Das dir ein kühler Freund zuschob, p1b_734.024 Und meint noch, daß er Ehrenkronen wob, p1b_734.025 Und du ihm schuldest Dank darob. p1b_734.026 Gott Lob! p1b_734.027 Das ist der Dank für solches Lob! p1b_734.028 Gott Lob, p1b_734.029 Daß überstanden ist ein solches Lob! (Rückert, Das Lob.) p1b_734.031 p1b_734.032 p1b_734.033 p1b_734.034 p1b_734.035 p1b_734.036 p1b_734.037 p1b_734.038 p1b_734.039 p1b_734.040 Zwölf Freier möcht' ich haben, dann hätt' ich genug, p1b_734.042
Wenn alle schön wären und alle nicht klug. p1b_734.043 Einen, um vor mir herzulaufen, p1b_734.044 Einen, um hinter mir drein zu schnaufen; p1b_734.001 p1b_734.005 p1b_734.010 Formen der vierzehnzeiligen Strophe. p1b_734.014 p1b_734.015 Kein Tadel kränkt wie solch ein Lob, p1b_734.017 p1b_734.030Und sei er giftig, sei er grob. p1b_734.018 Und ob er schnob und ob er stob p1b_734.019 Wie Sturm und Wetter, ob ich tob' p1b_734.020 Jm Augenblick ob dem, der ihn erhob; p1b_734.021 Kein scharfer Tadel kränkt, wie ich erprob', p1b_734.022 Auf Dauer so wie solch ein mattes Lob, p1b_734.023 Das dir ein kühler Freund zuschob, p1b_734.024 Und meint noch, daß er Ehrenkronen wob, p1b_734.025 Und du ihm schuldest Dank darob. p1b_734.026 Gott Lob! p1b_734.027 Das ist der Dank für solches Lob! p1b_734.028 Gott Lob, p1b_734.029 Daß überstanden ist ein solches Lob! (Rückert, Das Lob.) p1b_734.031 p1b_734.032 p1b_734.033 p1b_734.034 p1b_734.035 p1b_734.036 p1b_734.037 p1b_734.038 p1b_734.039 p1b_734.040 Zwölf Freier möcht' ich haben, dann hätt' ich genug, p1b_734.042
Wenn alle schön wären und alle nicht klug. p1b_734.043 Einen, um vor mir herzulaufen, p1b_734.044 Einen, um hinter mir drein zu schnaufen; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0768" n="734"/> <p><lb n="p1b_734.001"/> Die fremde Form des dreiteiligen Sonetts (§ 165) ist im Grunde <lb n="p1b_734.002"/> genommen nur eine Vierzehnzeile. (Vgl. besonders S. 534 d. B.) <lb n="p1b_734.003"/> Am beliebtesten ist die 14zeilige Strophe in der russischen Poesie. <lb n="p1b_734.004"/> Sie ist die Lieblingsform Puschkins und Lermontoffs.</p> <p><lb n="p1b_734.005"/> Bodenstedt hat durch seine mustergültige Übersetzung nunmehr der <lb n="p1b_734.006"/> 14zeiligen Strophe neue Bahnen geöffnet. Jm 5. und 6. Band seiner <lb n="p1b_734.007"/> gesammelten Schriften finden sich 417 und im 7. und 8 Bande 156 <lb n="p1b_734.008"/> 14zeilige Strophen, die sämtlich nach einem, nur hie und da im Abgesang <lb n="p1b_734.009"/> modifizierten Schema gebildet sind.</p> <p><lb n="p1b_734.010"/> Die Gliederung der 14zeiligen Strophe ist bei den Minnesingern <lb n="p1b_734.011"/> 4 + 4 + 6 oder 3 + 3 + 8 oder (bei Walther v. d. Vogelweide) <lb n="p1b_734.012"/> 5 + 5 + 4.</p> <lb n="p1b_734.013"/> <p> <hi rendition="#c">Formen der vierzehnzeiligen Strophe.</hi> </p> <p><lb n="p1b_734.014"/> 1. <hi rendition="#aq">a a a a a a a a a a a a a a</hi>.</p> <p> <lb n="p1b_734.015"/> <hi rendition="#g">Beispiel:</hi> </p> <lb n="p1b_734.016"/> <lg> <l>Kein Tadel kränkt wie solch ein Lob,</l> <lb n="p1b_734.017"/> <l>Und sei er giftig, sei er grob.</l> <lb n="p1b_734.018"/> <l>Und ob er schnob und ob er stob</l> <lb n="p1b_734.019"/> <l>Wie Sturm und Wetter, ob ich tob'</l> <lb n="p1b_734.020"/> <l>Jm Augenblick ob dem, der ihn erhob;</l> <lb n="p1b_734.021"/> <l>Kein scharfer Tadel kränkt, wie ich erprob',</l> <lb n="p1b_734.022"/> <l>Auf Dauer so wie solch ein mattes Lob,</l> <lb n="p1b_734.023"/> <l>Das dir ein kühler Freund zuschob,</l> <lb n="p1b_734.024"/> <l>Und meint noch, daß er Ehrenkronen wob,</l> <lb n="p1b_734.025"/> <l>Und du ihm schuldest Dank darob.</l> <lb n="p1b_734.026"/> <l>Gott Lob!</l> <lb n="p1b_734.027"/> <l>Das ist der Dank für solches Lob!</l> <lb n="p1b_734.028"/> <l>Gott Lob,</l> <lb n="p1b_734.029"/> <l>Daß überstanden ist ein solches Lob!</l> </lg> <lb n="p1b_734.030"/> <p> <hi rendition="#right">(Rückert, Das Lob.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_734.031"/> 2. <hi rendition="#aq">a a a b │ c c c b │ d e e e e d</hi>.</p> <p><lb n="p1b_734.032"/><hi rendition="#g">Beispiel:</hi> Kraft v. Toggenburg (Hagens Minnes. <hi rendition="#aq">I</hi>. 22. 5).</p> <p><lb n="p1b_734.033"/> 3. <hi rendition="#aq">a a a b │ c c c b │ d e d f f e</hi>.</p> <p><lb n="p1b_734.034"/><hi rendition="#g">Beispiel:</hi> Gottfr. v. Straßburg (Hagens Minnes. <hi rendition="#aq">II</hi>. 266. 2).</p> <p><lb n="p1b_734.035"/> 4. <hi rendition="#aq">a a b c │ c d e e │ f g g h i i</hi>.</p> <p><lb n="p1b_734.036"/><hi rendition="#g">Beispiel:</hi> Trinklied für Philister von W. Müller.</p> <p><lb n="p1b_734.037"/> 5. <hi rendition="#aq">a a a b │ c c c b │ d d e e e d</hi>.</p> <p><lb n="p1b_734.038"/><hi rendition="#g">Beispiel:</hi> Gottfr. v. Nifen (Hagens Minnes. <hi rendition="#aq">I</hi>. 60).</p> <p><lb n="p1b_734.039"/> 6. <hi rendition="#aq">a a b b c c d d e e f f g g</hi>.</p> <p> <lb n="p1b_734.040"/> <hi rendition="#g">Beispiel:</hi> </p> <lb n="p1b_734.041"/> <lg> <l>Zwölf Freier möcht' ich haben, dann hätt' ich genug,</l> <lb n="p1b_734.042"/> <l>Wenn alle schön wären und alle nicht klug.</l> <lb n="p1b_734.043"/> <l>Einen, um vor mir herzulaufen,</l> <lb n="p1b_734.044"/> <l>Einen, um hinter mir drein zu schnaufen;</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [734/0768]
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Die fremde Form des dreiteiligen Sonetts (§ 165) ist im Grunde p1b_734.002
genommen nur eine Vierzehnzeile. (Vgl. besonders S. 534 d. B.) p1b_734.003
Am beliebtesten ist die 14zeilige Strophe in der russischen Poesie. p1b_734.004
Sie ist die Lieblingsform Puschkins und Lermontoffs.
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Bodenstedt hat durch seine mustergültige Übersetzung nunmehr der p1b_734.006
14zeiligen Strophe neue Bahnen geöffnet. Jm 5. und 6. Band seiner p1b_734.007
gesammelten Schriften finden sich 417 und im 7. und 8 Bande 156 p1b_734.008
14zeilige Strophen, die sämtlich nach einem, nur hie und da im Abgesang p1b_734.009
modifizierten Schema gebildet sind.
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Die Gliederung der 14zeiligen Strophe ist bei den Minnesingern p1b_734.011
4 + 4 + 6 oder 3 + 3 + 8 oder (bei Walther v. d. Vogelweide) p1b_734.012
5 + 5 + 4.
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Formen der vierzehnzeiligen Strophe.
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1. a a a a a a a a a a a a a a.
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Beispiel:
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Kein Tadel kränkt wie solch ein Lob, p1b_734.017
Und sei er giftig, sei er grob. p1b_734.018
Und ob er schnob und ob er stob p1b_734.019
Wie Sturm und Wetter, ob ich tob' p1b_734.020
Jm Augenblick ob dem, der ihn erhob; p1b_734.021
Kein scharfer Tadel kränkt, wie ich erprob', p1b_734.022
Auf Dauer so wie solch ein mattes Lob, p1b_734.023
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Gott Lob! p1b_734.027
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Gott Lob, p1b_734.029
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(Rückert, Das Lob.)
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2. a a a b │ c c c b │ d e e e e d.
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Beispiel: Kraft v. Toggenburg (Hagens Minnes. I. 22. 5).
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Beispiel: Gottfr. v. Straßburg (Hagens Minnes. II. 266. 2).
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4. a a b c │ c d e e │ f g g h i i.
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Beispiel: Trinklied für Philister von W. Müller.
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5. a a a b │ c c c b │ d d e e e d.
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Beispiel: Gottfr. v. Nifen (Hagens Minnes. I. 60).
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