Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_003.001 p2b_003.005 Es wollt' ein Mägdlein tanzen gehn, p2b_003.013 Sucht Rosen auf der Heide, p2b_003.014 Was fand sie da am Wege stehn? p2b_003.015 Eine Hasel, die war grüne. p2b_003.016 "Nun grüß' dich Gott, Frau Haselin! p2b_003.017 Von was bist du so grüne?" p2b_003.018 "Nun grüß' dich Gott, feins Mägdelein! p2b_003.019 Von was bist du so schöne?" p2b_003.020 "Von was daß ich so schöne bin, p2b_003.021 Das kann ich dir wohl sagen: p2b_003.022 Jch eß' weiß Brod, trink kühlen Wein, p2b_003.023 Davon bin ich so schöne." p2b_003.024 "Jßt du weiß Brod, trinkst kühlen Wein p2b_003.025 Und bist davon so schöne, p2b_003.026 Auf mich so fällt der kühle Tau, p2b_003.027 Davon bin ich so grüne." p2b_003.028 "Hüt' dich, hüt' dich, lieb Haselin, p2b_003.029 Und thu' dich wohl umschauen; p2b_003.030 Jch hab' daheim zween Brüder stolz, p2b_003.031 Die wollen dich abhauen." p2b_003.032 p2b_003.036"Und hau'n sie mich im Winter ab, p2b_003.033 Jm Sommer grün' ich wieder; p2b_003.034 Verliert ein Mägdlein ihren Kranz, p2b_003.035 Den find't sie nimmer wieder." (Aus Uhlands Volkslieder Bd. 1. S. 66.) p2b_003.037 a. Die Verlassene von Geibel. p2b_003.043 O singt nur ihr Schwestern mit fröhlichem Mund, p2b_003.044
Und führet den Reigen im Lindengrund p2b_003.045 Mit den Burschen bei Zithern und Geigen! - p2b_003.046 Mich aber laßt gehn und schweigen. p2b_003.001 p2b_003.005 Es wollt' ein Mägdlein tanzen gehn, p2b_003.013 Sucht Rosen auf der Heide, p2b_003.014 Was fand sie da am Wege stehn? p2b_003.015 Eine Hasel, die war grüne. p2b_003.016 „Nun grüß' dich Gott, Frau Haselin! p2b_003.017 Von was bist du so grüne?“ p2b_003.018 „Nun grüß' dich Gott, feins Mägdelein! p2b_003.019 Von was bist du so schöne?“ p2b_003.020 „Von was daß ich so schöne bin, p2b_003.021 Das kann ich dir wohl sagen: p2b_003.022 Jch eß' weiß Brod, trink kühlen Wein, p2b_003.023 Davon bin ich so schöne.“ p2b_003.024 „Jßt du weiß Brod, trinkst kühlen Wein p2b_003.025 Und bist davon so schöne, p2b_003.026 Auf mich so fällt der kühle Tau, p2b_003.027 Davon bin ich so grüne.“ p2b_003.028 „Hüt' dich, hüt' dich, lieb Haselin, p2b_003.029 Und thu' dich wohl umschauen; p2b_003.030 Jch hab' daheim zween Brüder stolz, p2b_003.031 Die wollen dich abhauen.“ p2b_003.032 p2b_003.036„Und hau'n sie mich im Winter ab, p2b_003.033 Jm Sommer grün' ich wieder; p2b_003.034 Verliert ein Mägdlein ihren Kranz, p2b_003.035 Den find't sie nimmer wieder.“ (Aus Uhlands Volkslieder Bd. 1. S. 66.) p2b_003.037 a. Die Verlassene von Geibel. p2b_003.043 O singt nur ihr Schwestern mit fröhlichem Mund, p2b_003.044
Und führet den Reigen im Lindengrund p2b_003.045 Mit den Burschen bei Zithern und Geigen! ─ p2b_003.046 Mich aber laßt gehn und schweigen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0025" n="3"/> <p><lb n="p2b_003.001"/> 2. Die Kunstpoesie dagegen entreift dem individuellen Arbeiten <lb n="p2b_003.002"/> des Einzelnen und der Einzelnen. Sie reflektiert das wirkliche Leben <lb n="p2b_003.003"/> in der idealisierenden Phantasie und Empfindung des gebildeten Kunstdichters.</p> <lb n="p2b_003.004"/> <p><lb n="p2b_003.005"/> 1. Die ursprüngliche Volkspoesie (Naturpoesie) war meist objektive Poesie, <lb n="p2b_003.006"/> Hervorbrechen der Empfindung mit dazwischen liegender, unmittelbarer Darstellung <lb n="p2b_003.007"/> der Wirklichkeit oder des nach dem Typus derselben Erdichteten. Sie <lb n="p2b_003.008"/> war wesentlich beschreibend, auch wo es sich um Darlegung des subjektiven <lb n="p2b_003.009"/> Gefühls handelte: sie bedurfte daher weniger der schönen äußern Form, als <lb n="p2b_003.010"/> einer Alle gleichmäßig ergreifenden poetisch=naiven Sprache voll Wohllauts. <lb n="p2b_003.011"/> Ein Beispiel der Volkspoesie möge dies illustrieren:</p> <lb n="p2b_003.012"/> <p> <lg> <l>Es wollt' ein Mägdlein tanzen gehn,</l> <lb n="p2b_003.013"/> <l>Sucht Rosen auf der Heide,</l> <lb n="p2b_003.014"/> <l>Was fand sie da am Wege stehn?</l> <lb n="p2b_003.015"/> <l>Eine Hasel, die war grüne. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_003.016"/> <l>„Nun grüß' dich Gott, Frau Haselin!</l> <lb n="p2b_003.017"/> <l>Von was bist du so grüne?“</l> <lb n="p2b_003.018"/> <l>„Nun grüß' dich Gott, feins Mägdelein!</l> <lb n="p2b_003.019"/> <l>Von was bist du so schöne?“ </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_003.020"/> <l>„Von was daß ich so schöne bin,</l> <lb n="p2b_003.021"/> <l>Das kann ich dir wohl sagen:</l> <lb n="p2b_003.022"/> <l>Jch eß' weiß Brod, trink kühlen Wein,</l> <lb n="p2b_003.023"/> <l>Davon bin ich so schöne.“ </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_003.024"/> <l>„Jßt du weiß Brod, trinkst kühlen Wein</l> <lb n="p2b_003.025"/> <l>Und bist davon so schöne,</l> <lb n="p2b_003.026"/> <l>Auf mich so fällt der kühle Tau,</l> <lb n="p2b_003.027"/> <l>Davon bin ich so grüne.“ </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_003.028"/> <l>„Hüt' dich, hüt' dich, lieb Haselin,</l> <lb n="p2b_003.029"/> <l>Und thu' dich wohl umschauen;</l> <lb n="p2b_003.030"/> <l>Jch hab' daheim zween Brüder stolz,</l> <lb n="p2b_003.031"/> <l>Die wollen dich abhauen.“ </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_003.032"/> <l>„Und hau'n sie mich im Winter ab,</l> <lb n="p2b_003.033"/> <l>Jm Sommer grün' ich wieder;</l> <lb n="p2b_003.034"/> <l>Verliert ein Mägdlein ihren Kranz,</l> <lb n="p2b_003.035"/> <l>Den find't sie nimmer wieder.“</l> </lg> <lb n="p2b_003.036"/> <hi rendition="#right">(Aus Uhlands Volkslieder Bd. 1. S. 66.)</hi> </p> <p><lb n="p2b_003.037"/> 2. Die <hi rendition="#g">Kunstpoesie</hi> unterscheidet sich von der <hi rendition="#g">Naturpoesie</hi> dadurch, <lb n="p2b_003.038"/> daß sie durch geeignete Gestaltung des Stoffes, den sie mit der Naturpoesie <lb n="p2b_003.039"/> gemeinschaftlich haben kann, irgend eine <hi rendition="#g">bestimmte, beabsichtigte</hi> Jdee zu <lb n="p2b_003.040"/> Tage fördert. Die nachfolgenden drei Bearbeitungen des gleichen Stoffes <lb n="p2b_003.041"/> mögen dies beweisen.</p> <lb n="p2b_003.042"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">Die Verlassene von Geibel.</hi></hi> <lb n="p2b_003.043"/> <lg> <l>O singt nur ihr Schwestern mit fröhlichem Mund,</l> <lb n="p2b_003.044"/> <l>Und führet den Reigen im Lindengrund</l> <lb n="p2b_003.045"/> <l>Mit den Burschen bei Zithern und Geigen! ─</l> <lb n="p2b_003.046"/> <l>Mich aber laßt gehn und schweigen.</l> </lg> </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0025]
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2. Die Kunstpoesie dagegen entreift dem individuellen Arbeiten p2b_003.002
des Einzelnen und der Einzelnen. Sie reflektiert das wirkliche Leben p2b_003.003
in der idealisierenden Phantasie und Empfindung des gebildeten Kunstdichters.
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1. Die ursprüngliche Volkspoesie (Naturpoesie) war meist objektive Poesie, p2b_003.006
Hervorbrechen der Empfindung mit dazwischen liegender, unmittelbarer Darstellung p2b_003.007
der Wirklichkeit oder des nach dem Typus derselben Erdichteten. Sie p2b_003.008
war wesentlich beschreibend, auch wo es sich um Darlegung des subjektiven p2b_003.009
Gefühls handelte: sie bedurfte daher weniger der schönen äußern Form, als p2b_003.010
einer Alle gleichmäßig ergreifenden poetisch=naiven Sprache voll Wohllauts. p2b_003.011
Ein Beispiel der Volkspoesie möge dies illustrieren:
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Es wollt' ein Mägdlein tanzen gehn, p2b_003.013
Sucht Rosen auf der Heide, p2b_003.014
Was fand sie da am Wege stehn? p2b_003.015
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„Nun grüß' dich Gott, Frau Haselin! p2b_003.017
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Davon bin ich so schöne.“
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Die wollen dich abhauen.“
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(Aus Uhlands Volkslieder Bd. 1. S. 66.)
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2. Die Kunstpoesie unterscheidet sich von der Naturpoesie dadurch, p2b_003.038
daß sie durch geeignete Gestaltung des Stoffes, den sie mit der Naturpoesie p2b_003.039
gemeinschaftlich haben kann, irgend eine bestimmte, beabsichtigte Jdee zu p2b_003.040
Tage fördert. Die nachfolgenden drei Bearbeitungen des gleichen Stoffes p2b_003.041
mögen dies beweisen.
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Mit den Burschen bei Zithern und Geigen! ─ p2b_003.046
Mich aber laßt gehn und schweigen.
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