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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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aus dem Jsländischen in's Neuhochdeutsche übertragen. Amara George, Alexander p2b_250.002
Kaufmann und Georg Friedrich Daumer haben den Versuch gemacht, in einer p2b_250.003
Sammlung eigner Gedichte (Mythoterpe. Ein Mythen=, Sagen- und Legendenbuch) p2b_250.004
das weite, auf dem ganzen Erdkreis in den mannigfachsten Gestaltungen p2b_250.005
verbreitete Reich der Mythe und Sage von ihrer Entstehung an bis zu den p2b_250.006
noch heute im Volksmunde lebenden Nachklängen, zu ergründen, die Beziehungen p2b_250.007
daraus auf Religion, Sitte und Sprache zu folgern und so nicht nur dem p2b_250.008
eigenen Volke, sondern der gesamten Menschheit einen durch die Zeit und ihre p2b_250.009
Umwälzungen halb verschütteten Schatz wieder an das Licht des Tages zu p2b_250.010
fördern.

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Wissenschaftliche Untersuchungen über Mythus haben außerdem geliefert: p2b_250.012
Lobeck (im Aglaophamus); G. Hermann (in De mythologia Graecorum); p2b_250.013
Buttmann (der den Mythus nicht wesentlich von der Geschichte verschieden findet, p2b_250.014
im Mythologus); Welcker (die griechische Götterlehre); O. Müller (in Prolegomena), p2b_250.015
Preller, Hartung u. a.

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§ 107. Legende.

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Legende (von legere - legenda == das dem Volke beim Gottesdienst p2b_250.018
Vorzulesende) nennt man diejenige poetische Erzählung, welche p2b_250.019
Heiligen- und Märtyrer-Geschichten aus den ersten Zeiten des Christentums p2b_250.020
oder kirchliche Überlieferungen und wunderbare, dem frommen p2b_250.021
Sagengebiete entstammende Begebenheiten poetisch darstellt.

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Sie ist also die poetische Erzählung einer von der Kirche überlieferten p2b_250.023
frommen Handlung von wunderbarem Erfolg, eine religiöse p2b_250.024
Sage, deren Helden Christus und die Heiligen sind, ja, in der (wie p2b_250.025
auch in der Sage und in der Mythe) selbst der Teufel auftreten kann.

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Der Name Legende leitet sich her von Legenda, d. i. jenem Buche der p2b_250.027
alten katholischen Kirche, welches unverbürgte, ungeschichtliche, fromme Sagen p2b_250.028
von Heiligen und Märtyrern enthielt, die den Christen empfohlen wurden als p2b_250.029
Legenda, d. i. etwas, das gelesen werden soll.

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Der Charakter der Legende ist Einfachheit und Kindlichkeit des Stils. p2b_250.031
Sie ist geeignet, Rührung und Erhebung hervorzurufen. Nie darf sie zum historischen p2b_250.032
Denkmal werden, sondern sie muß immer den zarten Schimmer des p2b_250.033
Wunders und des frommen Glaubens als Schmuck behalten. Hie und da p2b_250.034
nähert sie sich in diesem Zuge der Frömmigkeit oder der Schwärmerei der p2b_250.035
Romanze.

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Die katholische Kirche, die in den Legenden eine Art christlicher Mythologie p2b_250.037
besitzt, hat den meisten Stoff zur Legendenbildung geliefert.

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Jn Spanien, wo jeder Christ als Kämpfer für die Gottessache erschien, p2b_250.039
findet man die älteste Bearbeitung der Legende. Es giebt auch indische, p2b_250.040
jüdische Legenden &c.

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Herder hat die Legende als poetische Gattung in unsere Litteratur eingeführt. p2b_250.042
Er sagt von ihr: "Nebst den Ritterbüchern war die Legende die

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/272>, abgerufen am 22.11.2024.