Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_340.001 Heißt's Unstern nicht, daß grade des Königs Blick sich wählte p2b_340.002 Zur Rast das einz'ge Knopfloch, an dem der Knopf mir fehlte? p2b_340.003 Da hat es sich getroffen, - o schwärzester Schicksalsbock! - p2b_340.004 Daß eben mich getroffen von Rohr der königliche Stock. p2b_340.005 Der stand nicht im Kontrakte! Da macht' ich mich von dannen, p2b_340.006 Und steh euch hier zu Dienste, ein Opfer des Tyrannen.'''' p2b_340.007 Den Stift schon nimmt der Kanzler, den Steckbrief aufzusetzen, p2b_340.008 Der Herzog Moritz Wilhelm doch ruft in freudigem Entsetzen: p2b_340.009 "Nun hab ich auch den Riesen, - o Anblick, Götter zu laben! p2b_340.010 Der Kontrabaß als kleine Armgeige kann handhaben!" p2b_340.011 Ohnmächtig all' der Wonne, sinkt er mit bleichen Wangen, p2b_340.012 Es war von seinem Glücksmond das letzte Viertel eingegangen. p2b_340.013 Der Riese lädt auf den Rücken den Herzog huckepack, p2b_340.014 Der Kanzler wallt daneben, das Zwerglein in dem Sack, p2b_340.015 Wie Baß- und Violaträger zur Stadt heimwandeln sie, p2b_340.016 Selbst tragend und getragen, ein schönes Bild der Harmonie. p2b_340.017 III. Tulifäntchen, von Karl Jmmermann. Dieses komische p2b_340.018 p2b_340.020 p2b_340.027 [Beginn Spaltensatz] Schlagadodro! Schlagadodro! p2b_340.029 Ungeschlacht hieß dein Herr Vater, p2b_340.030 Tramplagonde die Frau Mutter, p2b_340.031 Doch du selbst heißt Schlagadodro! p2b_340.032 O bedeutungsvolle Wahrheit p2b_340.033 Jenes tiefen Spruchs aus Osten: p2b_340.034 Was das Hänschen nicht gelernet, p2b_340.035 Wird der Hans wohl wissen schwerlich! p2b_340.036 Folgt mir jetzo zu dem Haushalt p2b_340.037 Meines alten Riesenschülers p2b_340.038 Schlagadodro, Schlagadodro! p2b_340.039 Nur mir nach! Der Weg ist schlüpfrig; p2b_340.040 Felsenauf, durch Waldgerinnicht p2b_340.041 Winden sich die Pfade rieselnd. p2b_340.042 Hütet das Gesicht vor Nesseln! p2b_340.043 Nehmt in acht die Hand vor Dornen, p2b_340.044 Vor dem Pfriemkraut, vor den Brombeer'n! p2b_340.045 Fürchtet nichts! Euch führt der Dichter, p2b_340.046 Und ihn führt die freud'ge Muse; p2b_340.047 Nur den Fels noch! 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Noch speist der Riese. p2b_340.107 Seht, sie ist durchaus von Gußstahl. p2b_340.108 Schlagadodro holt' aus England p2b_340.109 Sich den Meister, der sie baute p2b_340.110 Mit geheimnisvoller Kunsthand. p2b_340.111 Nirgends seht ihr eine Schraube, p2b_340.112 Nirgends eines Stücks Verbindung, p2b_340.113 Frisch und ganz steht diese Mauer, p2b_340.114 Wie ein Kind aus Mutterleibe, p2b_340.115 Und doch wurden viele tausend p2b_340.116 Eisenplatten in einander p2b_340.117 Eingefüget; wer entdecket' p2b_340.118 Dieses Werks verstecktes Wunder? p2b_340.119 Scheuern läßt der Riese Samstags p2b_340.120 Seine Mohren diese Mauer, p2b_340.121 Sie mit Schmirgel reinlich putzen, p2b_340.122 Daß sie glänzt, ein blauer Spiegel, p2b_340.123 Weit vom Berg in alle Landschaft. p2b_340.124 Denn er hält auf sie unendlich, p2b_340.125 Und sie ist sein Glück, sein Abgott. p2b_340.126 Schlaft um aller Götter willen p2b_340.127 Nicht, ihr Teuren, wenn die Mauer[Ende Spaltensatz] p2b_340.001 Heißt's Unstern nicht, daß grade des Königs Blick sich wählte p2b_340.002 Zur Rast das einz'ge Knopfloch, an dem der Knopf mir fehlte? p2b_340.003 Da hat es sich getroffen, ─ o schwärzester Schicksalsbock! ─ p2b_340.004 Daß eben mich getroffen von Rohr der königliche Stock. p2b_340.005 Der stand nicht im Kontrakte! Da macht' ich mich von dannen, p2b_340.006 Und steh euch hier zu Dienste, ein Opfer des Tyrannen.'''' p2b_340.007 Den Stift schon nimmt der Kanzler, den Steckbrief aufzusetzen, p2b_340.008 Der Herzog Moritz Wilhelm doch ruft in freudigem Entsetzen: p2b_340.009 „Nun hab ich auch den Riesen, ─ o Anblick, Götter zu laben! p2b_340.010 Der Kontrabaß als kleine Armgeige kann handhaben!“ p2b_340.011 Ohnmächtig all' der Wonne, sinkt er mit bleichen Wangen, p2b_340.012 Es war von seinem Glücksmond das letzte Viertel eingegangen. p2b_340.013 Der Riese lädt auf den Rücken den Herzog huckepack, p2b_340.014 Der Kanzler wallt daneben, das Zwerglein in dem Sack, p2b_340.015 Wie Baß- und Violaträger zur Stadt heimwandeln sie, p2b_340.016 Selbst tragend und getragen, ein schönes Bild der Harmonie. p2b_340.017 III. Tulifäntchen, von Karl Jmmermann. Dieses komische p2b_340.018 p2b_340.020 p2b_340.027 [Beginn Spaltensatz] Schlagadodro! Schlagadodro! p2b_340.029 Ungeschlacht hieß dein Herr Vater, p2b_340.030 Tramplagonde die Frau Mutter, p2b_340.031 Doch du selbst heißt Schlagadodro! p2b_340.032 O bedeutungsvolle Wahrheit p2b_340.033 Jenes tiefen Spruchs aus Osten: p2b_340.034 Was das Hänschen nicht gelernet, p2b_340.035 Wird der Hans wohl wissen schwerlich! p2b_340.036 Folgt mir jetzo zu dem Haushalt p2b_340.037 Meines alten Riesenschülers p2b_340.038 Schlagadodro, Schlagadodro! p2b_340.039 Nur mir nach! Der Weg ist schlüpfrig; p2b_340.040 Felsenauf, durch Waldgerinnicht p2b_340.041 Winden sich die Pfade rieselnd. p2b_340.042 Hütet das Gesicht vor Nesseln! p2b_340.043 Nehmt in acht die Hand vor Dornen, p2b_340.044 Vor dem Pfriemkraut, vor den Brombeer'n! p2b_340.045 Fürchtet nichts! Euch führt der Dichter, p2b_340.046 Und ihn führt die freud'ge Muse; p2b_340.047 Nur den Fels noch! 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Daß eben mich getroffen von Rohr der königliche Stock.
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Der stand nicht im Kontrakte! Da macht' ich mich von dannen, p2b_340.006
Und steh euch hier zu Dienste, ein Opfer des Tyrannen.'''' p2b_340.007
Den Stift schon nimmt der Kanzler, den Steckbrief aufzusetzen, p2b_340.008
Der Herzog Moritz Wilhelm doch ruft in freudigem Entsetzen:
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„Nun hab ich auch den Riesen, ─ o Anblick, Götter zu laben! p2b_340.010
Der Kontrabaß als kleine Armgeige kann handhaben!“ p2b_340.011
Ohnmächtig all' der Wonne, sinkt er mit bleichen Wangen, p2b_340.012
Es war von seinem Glücksmond das letzte Viertel eingegangen.
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Der Riese lädt auf den Rücken den Herzog huckepack, p2b_340.014
Der Kanzler wallt daneben, das Zwerglein in dem Sack, p2b_340.015
Wie Baß- und Violaträger zur Stadt heimwandeln sie, p2b_340.016
Selbst tragend und getragen, ein schönes Bild der Harmonie.
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III. Tulifäntchen, von Karl Jmmermann. Dieses komische p2b_340.018
Epos besteht aus 3 Gesängen, I. Tulifäntchen Fliegentöter, II. Die p2b_340.019
Mauer von Brambambra, III. Balsamine.
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Jnhalt: Das Zwerglein Tulifäntchen bewährt sich als Fliegentöter. Es p2b_340.021
fordert den Riesen Schlagadodro zum Kampf heraus, den seine eiserne Mauer p2b_340.022
mit seinen 50 Mohren erschlägt, wobei nur ein geschwärzter, die Nibelungen p2b_340.023
lesender Professor davonkommt. Tulifäntchen vermählt sich sodann mit Balsamine, p2b_340.024
die ihn in einen Käfig sperrt. Er sucht den Tod und wagt einen kühnen p2b_340.025
Sprung. Aber anstatt zu zerschmettern fällt er in der Fee Libellens Schoß p2b_340.026
und wurde nun nicht mehr auf Erden gesehn.
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Probe aus Tulifäntchen. (Nr. 3 des II. Gesangs.)
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Schlagadodro! Schlagadodro! p2b_340.029
Ungeschlacht hieß dein Herr Vater, p2b_340.030
Tramplagonde die Frau Mutter, p2b_340.031
Doch du selbst heißt Schlagadodro!
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O bedeutungsvolle Wahrheit p2b_340.033
Jenes tiefen Spruchs aus Osten: p2b_340.034
Was das Hänschen nicht gelernet, p2b_340.035
Wird der Hans wohl wissen schwerlich! p2b_340.036
Folgt mir jetzo zu dem Haushalt p2b_340.037
Meines alten Riesenschülers p2b_340.038
Schlagadodro, Schlagadodro!
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Nur mir nach! Der Weg ist schlüpfrig; p2b_340.040
Felsenauf, durch Waldgerinnicht p2b_340.041
Winden sich die Pfade rieselnd. p2b_340.042
Hütet das Gesicht vor Nesseln! p2b_340.043
Nehmt in acht die Hand vor Dornen, p2b_340.044
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Fürchtet nichts! Euch führt der Dichter, p2b_340.046
Und ihn führt die freud'ge Muse; p2b_340.047
Nur den Fels noch! So, da sind wir p2b_340.048
Auf der Blöße, hoch im Dickicht.
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Seht, da steht das Schloß Brambambra! p2b_340.050
Gelt, das ist ein Riesenlustschloß? p2b_340.051
Kost't dreihunderttausend Thaler! p2b_340.052
Vater sel'ger Schlagadodro's p2b_340.053
Kauft' es einst. Nun aber ratet,
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Ratet klug, von wem er's kaufte? p2b_340.102
Von dem alten Tulifanten, p2b_340.103
Welcher damals Gelder brauchte. p2b_340.104
Ha Verhängnis! Tulifäntchen!
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Geht nur näher zu der Mauer, p2b_340.106
Ohne Scheu! Noch speist der Riese. p2b_340.107
Seht, sie ist durchaus von Gußstahl. p2b_340.108
Schlagadodro holt' aus England p2b_340.109
Sich den Meister, der sie baute p2b_340.110
Mit geheimnisvoller Kunsthand. p2b_340.111
Nirgends seht ihr eine Schraube, p2b_340.112
Nirgends eines Stücks Verbindung, p2b_340.113
Frisch und ganz steht diese Mauer, p2b_340.114
Wie ein Kind aus Mutterleibe, p2b_340.115
Und doch wurden viele tausend p2b_340.116
Eisenplatten in einander p2b_340.117
Eingefüget; wer entdecket' p2b_340.118
Dieses Werks verstecktes Wunder? p2b_340.119
Scheuern läßt der Riese Samstags p2b_340.120
Seine Mohren diese Mauer, p2b_340.121
Sie mit Schmirgel reinlich putzen, p2b_340.122
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Weit vom Berg in alle Landschaft. p2b_340.124
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Schlaft um aller Götter willen p2b_340.127
Nicht, ihr Teuren, wenn die Mauer
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/362>, abgerufen am 16.07.2024. |