Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_461.001 p2b_461.005 p2b_461.019 p2b_461.024 p2b_461.025 Traun wir uns den Anton selbsthändig tot zu schauen, p2b_461.030 So denn fällt's uns nicht schwer, durch unser Liljenbrust, p2b_461.031 Durch den benelkten Mund zu zwingen den August. p2b_461.032 Bereitet ihn zu einer Mäusekost p2b_461.033 Und laßt das Rad die Schienbein ihm zerbrechen. p2b_461.034 Wenn nun nach diesem Kurzweilspiel p2b_461.035 Anton nicht länger trauern will, p2b_461.036 So sterbe ja der Hund, der mich hat tot gepeinigt. p2b_461.037 Man wind ihm seine Därmer aus dem Bauche, p2b_461.038 Tränkt ihn mit Krötensaft, speist ihn mit Hüttenrauche, p2b_461.039 Näht ihn in Bärenhaut und werft ihn Hunden für &c. - - p2b_461.040 p2b_461.043 p2b_461.001 p2b_461.005 p2b_461.019 p2b_461.024 p2b_461.025 Traun wir uns den Anton selbsthändig tot zu schauen, p2b_461.030 So denn fällt's uns nicht schwer, durch unser Liljenbrust, p2b_461.031 Durch den benelkten Mund zu zwingen den August. p2b_461.032 Bereitet ihn zu einer Mäusekost p2b_461.033 Und laßt das Rad die Schienbein ihm zerbrechen. p2b_461.034 Wenn nun nach diesem Kurzweilspiel p2b_461.035 Anton nicht länger trauern will, p2b_461.036 So sterbe ja der Hund, der mich hat tot gepeinigt. p2b_461.037 Man wind ihm seine Därmer aus dem Bauche, p2b_461.038 Tränkt ihn mit Krötensaft, speist ihn mit Hüttenrauche, p2b_461.039 Näht ihn in Bärenhaut und werft ihn Hunden für &c. ─ ─ p2b_461.040 p2b_461.043 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="5"> <pb facs="#f0483" n="461"/> <p><lb n="p2b_461.001"/><hi rendition="#aq">f</hi>. <hi rendition="#g">Jtalien.</hi> Als italienische Tragiker von Verdienst sind zu nennen: <lb n="p2b_461.002"/> Nicolini, Manzoni und besonders Alfieri († 1803), welcher 21 von <hi rendition="#g">Rehfues</hi> <lb n="p2b_461.003"/> und <hi rendition="#g">Tscharner</hi> in's Deutsche übersetzte Tragödien schrieb, von denen Maria <lb n="p2b_461.004"/> Stuart, Orest, Virginia, Abel und Agamemnon die bekanntesten sind &c.</p> <p><lb n="p2b_461.005"/><hi rendition="#aq">g</hi>. <hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Jn Deutschland, wo die ersten Anfänge im Drama <lb n="p2b_461.006"/> (nach Tacitus in Germania <hi rendition="#aq">cp</hi>. 24) auf theatralische Aufführung von Waffentänzen <lb n="p2b_461.007"/> zurückzuführen sind und wo nur die hochgelehrte Äbtissin Rhoswitha um <lb n="p2b_461.008"/> 980 sechs dem Terenz in lat. Sprache nachgebildete Lustspiele schrieb, ging <lb n="p2b_461.009"/> die Tragödie wie bei den Griechen aus dem religiösen Kultus (aus Passionsspielen) <lb n="p2b_461.010"/> hervor, welche das Leben und Leiden des Erlösers erzählten und in <lb n="p2b_461.011"/> den 3 letzten Tagen der Charwoche erzählend aufgeführt wurden. Jn diesen <lb n="p2b_461.012"/> epischen Mysterien war die tragische Stimmung vorherrschend. Das erste, <lb n="p2b_461.013"/> lateinisch geschriebene Mysterium stammt aus dem 12. Jahrhundert. Das Volk <lb n="p2b_461.014"/> hatte ein gewisses Schaubedürfnis; es mußte Christus zum Kreuze wanken sehen. <lb n="p2b_461.015"/> Jm folgenden Jahrhundert mischte man deutsche Strophen ein. Überwiegend <lb n="p2b_461.016"/> wurde in den Mysterien die deutsche Sprache im 14. Jahrhundert. Jm 15. <lb n="p2b_461.017"/> Jahrhundert wurde die Mysterie überall auf den Märkten und in Kirchen aufgeführt <lb n="p2b_461.018"/> (<hi rendition="#aq">I</hi>. 49).</p> <p><lb n="p2b_461.019"/> Das Studium der klassischen Litteratur führte zu Versuchen in der Tragödie. <lb n="p2b_461.020"/> Besonders <hi rendition="#g">Hans Sachs,</hi> der 55 Tragödien schrieb, wurde der Schöpfer <lb n="p2b_461.021"/> der deutschen Tragödie wie des deutschen Drama überhaupt. Gryphius und <lb n="p2b_461.022"/> Lohenstein im 17. Jahrhundert gaben sodann der Tragödie anerkennenswerten <lb n="p2b_461.023"/> Aufschwung.</p> <p><lb n="p2b_461.024"/> Gryphius (<hi rendition="#aq">I</hi> 51) schrieb mehrere Tragödien.</p> <p><lb n="p2b_461.025"/> Lohenstein noch mehr. Des Letzteren Trauerspiele können trotz der Jnschutznahme <lb n="p2b_461.026"/> Kerckhoffs (v. Lohensteins Trauerspiele &c., Paderborn 1877) weder <lb n="p2b_461.027"/> nach Jnhalt und Art der Bearbeitung noch hinsichtlich ihres poetischen Gehalts <lb n="p2b_461.028"/> gepriesen werden. Man vgl. nur wenige Verse aus der Kleopatra:</p> <lb n="p2b_461.029"/> <lg> <l>Traun wir uns den Anton selbsthändig tot zu schauen,</l> <lb n="p2b_461.030"/> <l>So denn fällt's uns nicht schwer, durch unser Liljenbrust,</l> <lb n="p2b_461.031"/> <l>Durch den benelkten Mund zu zwingen den August.</l> <lb n="p2b_461.032"/> <l>Bereitet ihn zu einer Mäusekost</l> <lb n="p2b_461.033"/> <l>Und laßt das Rad die Schienbein ihm zerbrechen.</l> <lb n="p2b_461.034"/> <l>Wenn nun nach diesem Kurzweilspiel</l> <lb n="p2b_461.035"/> <l>Anton nicht länger trauern will,</l> <lb n="p2b_461.036"/> <l>So sterbe ja der Hund, der mich hat tot gepeinigt.</l> <lb n="p2b_461.037"/> <l>Man wind ihm seine Därmer aus dem Bauche,</l> <lb n="p2b_461.038"/> <l>Tränkt ihn mit Krötensaft, speist ihn mit Hüttenrauche,</l> <lb n="p2b_461.039"/> <l>Näht ihn in Bärenhaut und werft ihn Hunden für &c. ─ ─</l> </lg> <p><lb n="p2b_461.040"/> Klopstock schrieb biblische und nationale Tragödien (z. B. der Tod Adams); <lb n="p2b_461.041"/> v. Cronegk lieferte die Preistragödie Codrus (<hi rendition="#aq">I</hi>. 54); Wieland schrieb Lady <lb n="p2b_461.042"/> Johanna Gray &c.</p> <p><lb n="p2b_461.043"/> Aber erst Lessings, des genialen Verfassers der Hamburger Dramaturgie, <lb n="p2b_461.044"/> Tragödien waren epochebildend. Lessing brach mit den alten Traditionen. <lb n="p2b_461.045"/> Jhm folgten Schiller und Goethe, die sich dem Einfluß der antiken Tragödie </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [461/0483]
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f. Jtalien. Als italienische Tragiker von Verdienst sind zu nennen: p2b_461.002
Nicolini, Manzoni und besonders Alfieri († 1803), welcher 21 von Rehfues p2b_461.003
und Tscharner in's Deutsche übersetzte Tragödien schrieb, von denen Maria p2b_461.004
Stuart, Orest, Virginia, Abel und Agamemnon die bekanntesten sind &c.
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g. Deutschland. Jn Deutschland, wo die ersten Anfänge im Drama p2b_461.006
(nach Tacitus in Germania cp. 24) auf theatralische Aufführung von Waffentänzen p2b_461.007
zurückzuführen sind und wo nur die hochgelehrte Äbtissin Rhoswitha um p2b_461.008
980 sechs dem Terenz in lat. Sprache nachgebildete Lustspiele schrieb, ging p2b_461.009
die Tragödie wie bei den Griechen aus dem religiösen Kultus (aus Passionsspielen) p2b_461.010
hervor, welche das Leben und Leiden des Erlösers erzählten und in p2b_461.011
den 3 letzten Tagen der Charwoche erzählend aufgeführt wurden. Jn diesen p2b_461.012
epischen Mysterien war die tragische Stimmung vorherrschend. Das erste, p2b_461.013
lateinisch geschriebene Mysterium stammt aus dem 12. Jahrhundert. Das Volk p2b_461.014
hatte ein gewisses Schaubedürfnis; es mußte Christus zum Kreuze wanken sehen. p2b_461.015
Jm folgenden Jahrhundert mischte man deutsche Strophen ein. Überwiegend p2b_461.016
wurde in den Mysterien die deutsche Sprache im 14. Jahrhundert. Jm 15. p2b_461.017
Jahrhundert wurde die Mysterie überall auf den Märkten und in Kirchen aufgeführt p2b_461.018
(I. 49).
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Das Studium der klassischen Litteratur führte zu Versuchen in der Tragödie. p2b_461.020
Besonders Hans Sachs, der 55 Tragödien schrieb, wurde der Schöpfer p2b_461.021
der deutschen Tragödie wie des deutschen Drama überhaupt. Gryphius und p2b_461.022
Lohenstein im 17. Jahrhundert gaben sodann der Tragödie anerkennenswerten p2b_461.023
Aufschwung.
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Gryphius (I 51) schrieb mehrere Tragödien.
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Lohenstein noch mehr. Des Letzteren Trauerspiele können trotz der Jnschutznahme p2b_461.026
Kerckhoffs (v. Lohensteins Trauerspiele &c., Paderborn 1877) weder p2b_461.027
nach Jnhalt und Art der Bearbeitung noch hinsichtlich ihres poetischen Gehalts p2b_461.028
gepriesen werden. Man vgl. nur wenige Verse aus der Kleopatra:
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Traun wir uns den Anton selbsthändig tot zu schauen, p2b_461.030
So denn fällt's uns nicht schwer, durch unser Liljenbrust, p2b_461.031
Durch den benelkten Mund zu zwingen den August. p2b_461.032
Bereitet ihn zu einer Mäusekost p2b_461.033
Und laßt das Rad die Schienbein ihm zerbrechen. p2b_461.034
Wenn nun nach diesem Kurzweilspiel p2b_461.035
Anton nicht länger trauern will, p2b_461.036
So sterbe ja der Hund, der mich hat tot gepeinigt. p2b_461.037
Man wind ihm seine Därmer aus dem Bauche, p2b_461.038
Tränkt ihn mit Krötensaft, speist ihn mit Hüttenrauche, p2b_461.039
Näht ihn in Bärenhaut und werft ihn Hunden für &c. ─ ─
p2b_461.040
Klopstock schrieb biblische und nationale Tragödien (z. B. der Tod Adams); p2b_461.041
v. Cronegk lieferte die Preistragödie Codrus (I. 54); Wieland schrieb Lady p2b_461.042
Johanna Gray &c.
p2b_461.043
Aber erst Lessings, des genialen Verfassers der Hamburger Dramaturgie, p2b_461.044
Tragödien waren epochebildend. Lessing brach mit den alten Traditionen. p2b_461.045
Jhm folgten Schiller und Goethe, die sich dem Einfluß der antiken Tragödie
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