p2b_518.001 in Samt und Seide einherschreiten, brachte den Wechsel seiner belebten Scenen p2b_518.002 dadurch zu Stande, daß er im Hintergrunde eine in 4 Abteilungen geteilte, p2b_518.003 drehbare Scheibe anbringen ließ (IV 165), so daß immer diejenige Abteilung p2b_518.004 in den Vordergrund gedreht werden konnte, welche für die Handlung nötig p2b_518.005 war. Sein Komponist Staden verpflanzte bereits den ganzen Apparat der p2b_518.006 damaligen italienischen Oper auf deutschen Boden; er bot vor jedem der 3 in p2b_518.007 je 6 Scenen geteilten Akte eine mit Generalbaß geschriebene, kurze Ouvertürep2b_518.008 (vom Dichter "An- oder Gleichstimmung, Symphonie" genannt, für Geige, für p2b_518.009 Flöte und zuletzt für Pomparton oder Fagot), ferner strophische (liedartige) p2b_518.010 Einzelgesänge, Duette, Terzette, Quartette &c. und am Schluß eines p2b_518.011 jeden Akts einen Chor. Durch den verdienstlichen Versuch, die einzelnen Personen p2b_518.012 nach ihrer Verschiedenheit musikalisch zu charakterisieren, geht Staden p2b_518.013 bereits über die Jtaliener hinaus, welche sogar an Frauen Männerrollen übertrugen. p2b_518.014 Jn der 1. Handlung (Aufzug 4) läßt er die sentimental angelegte p2b_518.015 Seelewig in Moll singen, dagegen die sinnliche Sinnigunda in Dur antworten; p2b_518.016 bei der Charakteristik der Gwissulda und der Hertzigild bedient er sich des p2b_518.017 Soprans und des Alts, ferner gestaltet er die Partie der Hertzigild melodienreich, p2b_518.018 während die der matronenhaft belehrenden Gwissulda mehr recitativisch=deklamatorisch p2b_518.019 gehalten ist. Auch der Charakter des schlauen Künsteling, wie der des grobsinnlichen p2b_518.020 Trugewalt ist durch die eigenartige Musik gezeichnet. Ferner ist die p2b_518.021 Arie der Sinnigunda mit Läufen und Koloraturen geschmückt, um das Tirillieren p2b_518.022 und Schmettern der Nachtigall darzustellen; auch der Schmerz der Seelewig ist p2b_518.023 durch Anwendung des geraden Zeitmaßes angedeutet &c. Viele Partien (z. B. p2b_518.024 3. Aufz. der 3. Handlung) sind entschieden dramatisch gehalten. Außerdem erblickt p2b_518.025 der Kenner einzelne Partien als Ensembles, wie aus den Schlußchören jedes p2b_518.026 Akts das unsere Oper auszeichnende charakteristische Akt-Finale erwachsen ist.
p2b_518.027 Als 1678 eine weitere Oper in Hamburg (Adam und Eva, Text von p2b_518.028 Richter, Musik von Kapellmeister Johann Theile, einem Schüler Heinrich Schütz') p2b_518.029 aufgeführt wurde, erklärte der die Oper verteidigende Hamburger Prediger p2b_518.030 Elmenhorst (vgl. Aug. Reißmann, Allg. Gesch. d. Mus. II 168), daß p2b_518.031 dieselbe der Stadenschen Oper entspreche: ein Beweis, wie bekannt die p2b_518.032 Harsdörffersche Oper Seelewig gewesen sein muß.
p2b_518.033 Nach alledem war Harsdörffer (der im 5. Bd. seiner Gesprächsspiele p2b_518.034 auch noch die alten 7 Kirchentonarten mit den 7 Kardinaltugenden als musikalische p2b_518.035 Scene darstellt) der Begründer einer deutschen Oper; und der Meistersängerstadt p2b_518.036 Nürnberg gebührt durch ihn der Vorzug, für alle Zeiten p2b_518.037 als Geburtsstätte und Wiege der ältesten, deutsch=nationalen Oper p2b_518.038 gepriesen zu werden.
p2b_518.039 Mit Errichtung des Hamburger Theaters (1678) wurde Hamburg die p2b_518.040 erste Pflegstätte der deutschen Oper. Zur Eröffnung dieses Theaters p2b_518.041 wurde die oben erwähnte Oper "Adam und Eva" gewählt. Jn demselben p2b_518.042 Jahre (1678) ließ Theile (1646-1724) die dem Jtalienischen entlehnte Oper p2b_518.043 Orontes folgen, die bis heute sehr mit Unrecht als die erste deutsche Oper p2b_518.044 von allen Musik- und Litteraturgeschichten gerühmt wurde.
p2b_518.001 in Samt und Seide einherschreiten, brachte den Wechsel seiner belebten Scenen p2b_518.002 dadurch zu Stande, daß er im Hintergrunde eine in 4 Abteilungen geteilte, p2b_518.003 drehbare Scheibe anbringen ließ (IV 165), so daß immer diejenige Abteilung p2b_518.004 in den Vordergrund gedreht werden konnte, welche für die Handlung nötig p2b_518.005 war. Sein Komponist Staden verpflanzte bereits den ganzen Apparat der p2b_518.006 damaligen italienischen Oper auf deutschen Boden; er bot vor jedem der 3 in p2b_518.007 je 6 Scenen geteilten Akte eine mit Generalbaß geschriebene, kurze Ouvertürep2b_518.008 (vom Dichter „An- oder Gleichstimmung, Symphonie“ genannt, für Geige, für p2b_518.009 Flöte und zuletzt für Pomparton oder Fagot), ferner strophische (liedartige) p2b_518.010 Einzelgesänge, Duette, Terzette, Quartette &c. und am Schluß eines p2b_518.011 jeden Akts einen Chor. Durch den verdienstlichen Versuch, die einzelnen Personen p2b_518.012 nach ihrer Verschiedenheit musikalisch zu charakterisieren, geht Staden p2b_518.013 bereits über die Jtaliener hinaus, welche sogar an Frauen Männerrollen übertrugen. p2b_518.014 Jn der 1. Handlung (Aufzug 4) läßt er die sentimental angelegte p2b_518.015 Seelewig in Moll singen, dagegen die sinnliche Sinnigunda in Dur antworten; p2b_518.016 bei der Charakteristik der Gwissulda und der Hertzigild bedient er sich des p2b_518.017 Soprans und des Alts, ferner gestaltet er die Partie der Hertzigild melodienreich, p2b_518.018 während die der matronenhaft belehrenden Gwissulda mehr recitativisch=deklamatorisch p2b_518.019 gehalten ist. Auch der Charakter des schlauen Künsteling, wie der des grobsinnlichen p2b_518.020 Trugewalt ist durch die eigenartige Musik gezeichnet. Ferner ist die p2b_518.021 Arie der Sinnigunda mit Läufen und Koloraturen geschmückt, um das Tirillieren p2b_518.022 und Schmettern der Nachtigall darzustellen; auch der Schmerz der Seelewig ist p2b_518.023 durch Anwendung des geraden Zeitmaßes angedeutet &c. Viele Partien (z. B. p2b_518.024 3. Aufz. der 3. Handlung) sind entschieden dramatisch gehalten. Außerdem erblickt p2b_518.025 der Kenner einzelne Partien als Ensembles, wie aus den Schlußchören jedes p2b_518.026 Akts das unsere Oper auszeichnende charakteristische Akt-Finale erwachsen ist.
p2b_518.027 Als 1678 eine weitere Oper in Hamburg (Adam und Eva, Text von p2b_518.028 Richter, Musik von Kapellmeister Johann Theile, einem Schüler Heinrich Schütz') p2b_518.029 aufgeführt wurde, erklärte der die Oper verteidigende Hamburger Prediger p2b_518.030 Elmenhorst (vgl. Aug. Reißmann, Allg. Gesch. d. Mus. II 168), daß p2b_518.031 dieselbe der Stadenschen Oper entspreche: ein Beweis, wie bekannt die p2b_518.032 Harsdörffersche Oper Seelewig gewesen sein muß.
p2b_518.033 Nach alledem war Harsdörffer (der im 5. Bd. seiner Gesprächsspiele p2b_518.034 auch noch die alten 7 Kirchentonarten mit den 7 Kardinaltugenden als musikalische p2b_518.035 Scene darstellt) der Begründer einer deutschen Oper; und der Meistersängerstadt p2b_518.036 Nürnberg gebührt durch ihn der Vorzug, für alle Zeiten p2b_518.037 als Geburtsstätte und Wiege der ältesten, deutsch=nationalen Oper p2b_518.038 gepriesen zu werden.
p2b_518.039 Mit Errichtung des Hamburger Theaters (1678) wurde Hamburg die p2b_518.040 erste Pflegstätte der deutschen Oper. Zur Eröffnung dieses Theaters p2b_518.041 wurde die oben erwähnte Oper „Adam und Eva“ gewählt. Jn demselben p2b_518.042 Jahre (1678) ließ Theile (1646─1724) die dem Jtalienischen entlehnte Oper p2b_518.043 Orontes folgen, die bis heute sehr mit Unrecht als die erste deutsche Oper p2b_518.044 von allen Musik- und Litteraturgeschichten gerühmt wurde.
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3. Aufz. der 3. Handlung) sind entschieden dramatisch gehalten. Außerdem erblickt p2b_518.025
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Als 1678 eine weitere Oper in Hamburg (Adam und Eva, Text von p2b_518.028
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/540>, abgerufen am 22.11.2024.
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