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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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wünschen, Jongleur oder Löwenbändiger zu sein. Sein Streben sollte bleiben, p2b_061.002
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ihm identificieren kann. Dann erst wird es mit ihm leiden, fürchten, lachen.

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Jst es nicht genug, wenn der Schauspieler die ihm vom Dichter geschaffenen p2b_061.005
Charaktere belebt, sie zur menschlichen Existenz erhebt, muß er auch noch durch p2b_061.006
virtuose Künsteleien und Unnatürlichkeiten glänzen und Überraschung und eine p2b_061.007
dem Seiltänzer gezollte Bewunderung suchen? Die neue Schule hascht nach p2b_061.008
Bewunderung und findet Bewunderung. Aber ein jeder sagt sich: "Dieser p2b_061.009
Mann auf den Brettern ist dem Menschen unähnlich; so wie er, bist du nicht." p2b_061.010
Vor lauter Bewunderung geht sodann die ethische Wirkung des Drama, die p2b_061.011
Würde der Poesie und der Schauspielkunst verloren. Das Haschen nach Bewunderung p2b_061.012
verleitet den Darsteller, nicht nach der Gediegenheit des aufzuführenden p2b_061.013
Dramas zu sehen, sondern darnach, ob seine Rolle viele auf Erregung p2b_061.014
von Bewunderung auslaufende Effekt-Scenen habe!

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Die Effekthascher unter den Schauspielern würdigen das Publikum zum p2b_061.016
"Janhagel einer Reiterbude" herab, anstatt durch Erregung aller menschlichen p2b_061.017
Affekte sittlich zu reinigen und auf Verschönerung des Lebens hinzuwirken. p2b_061.018
So verleiten sie auch den Schriftsteller, nur noch Bravourscenen zu schreiben. p2b_061.019
So tragen sie zum Verfall der Bühne bei, und das Publikum rächt sich durch p2b_061.020
"grobsinnliche Unersättlichkeit seiner gesunkenen Bildung".

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Jn neuester Zeit sind es in Deutschland in hervorragender Weise die p2b_061.022
Meininger-Schauspieler, welche ihre Aufgabe begreifen und lösen, welche in p2b_061.023
Wiedergabe der klassischen Dichtungen in ihrer Totalität künstlerische Thaten p2b_061.024
liefern, die ihresgleichen in Vergangenheit und Gegenwart der deutschen Kunst p2b_061.025
nicht haben. Jm harmonischen Zusammenwirken aller Künste ist es ein Kultus, p2b_061.026
den sie feiern, ein Triumph des wahrhaft Schönen. Die harmonische Zusammenwirkung p2b_061.027
ist hinreißend, erschütternd, erhebend. Wir betrachten diese Thaten p2b_061.028
edler und wahrer Kunst als den Beginn einer neuen Ära deutscher Schauspielkunst.

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§ 43. Erfolg der dramatischen Dichtung.

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1. Jst ein Drama in Hinsicht auf Erfindung wie auf innere und p2b_061.032
äußere Technik gelungen, und wird es gut aufgeführt, dann ist seine p2b_061.033
Wirkung eine bedeutende.

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2. Das gute Drama hat die Aufgabe, die Bildung des Jahrhunderts p2b_061.035
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1. "Hier sieht," wie schon A. W. Schlegel (Sämtl. Werke V 37) sagt, p2b_061.037
"der Fürst, der Staatsmann und Heerführer die großen Weltbegebenheiten der p2b_061.038
Vorzeit, denen ähnlich, in welchen er selbst mitwirken konnte, nach ihren innern p2b_061.039
Triebfedern und Beziehungen entfaltet; der Denker findet Anlaß zu den tiefsten p2b_061.040
Betrachtungen über die Natur und Bestimmung des Menschen; der Künstler p2b_061.041
folgt mit lauschendem Blick den vorüberfliehenden Gruppen, die er seiner p2b_061.042
Phantasie als Keime künftiger Gemälde einprägt; die empfängliche Jugend

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/83>, abgerufen am 22.11.2024.