Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_108.001 Mein Vaterland. p3b_108.002 Lösung. Von Julius Grosse. p3b_108.015Das "Vaterland", ich hab' es stets geliebt; p3b_108.016 p3b_108.018Doch sagt, was ist das Vaterland hienieden, p3b_108.017 Wenn Sturm und Feuer durch die Völker stiebt? Jst das ein Vaterland, wo lang' im Frieden p3b_108.019 p3b_108.021Die farbgen Pfähle an der Grenze stehn p3b_108.020 Und herdenweis die Völker abgeschieden? Jst's, wo die deutschen Adlerfahnen wehn p3b_108.022 p3b_108.024Vor Fremden, die im Donner der Kanonen p3b_108.023 Für ihre Sprache auch zum Tode gehn? - Mein Vaterland ist, wo noch Menschen wohnen, p3b_108.025 p3b_108.027Wo Gottes Frieden über Alpen schwebt p3b_108.026 Und wo ihn betend ahnen Millionen. Mein Vaterland ist, wo die Eintracht lebt, p3b_108.028 p3b_108.030Wo Liedesklang der Brust entquillt mit Wonnen p3b_108.029 Und Mut der Freiheit durch die Seelen bebt. Mein Vaterland ist, wo in goldner Sonnen p3b_108.031 p3b_108.033Das Leben schäumt aus nie erschloss'nem Grund p3b_108.032 Und Geister trinken aus des Geistes Bronnen. - Mein Vaterland ist, wo ein süßer Mund p3b_108.034 p3b_108.036Von Liebe flüstert, treue Augen glänzen: p3b_108.035 Die weite Welt ist's, bis die andre kund. - Mein Vaterland hat irdisch keine Grenzen. p3b_108.037 § 41. Bildung von Oktaven (Stanzen). p3b_108.038 p3b_108.001 Mein Vaterland. p3b_108.002 Lösung. Von Julius Grosse. p3b_108.015Das „Vaterland“, ich hab' es stets geliebt; p3b_108.016 p3b_108.018Doch sagt, was ist das Vaterland hienieden, p3b_108.017 Wenn Sturm und Feuer durch die Völker stiebt? Jst das ein Vaterland, wo lang' im Frieden p3b_108.019 p3b_108.021Die farbgen Pfähle an der Grenze stehn p3b_108.020 Und herdenweis die Völker abgeschieden? Jst's, wo die deutschen Adlerfahnen wehn p3b_108.022 p3b_108.024Vor Fremden, die im Donner der Kanonen p3b_108.023 Für ihre Sprache auch zum Tode gehn? ─ Mein Vaterland ist, wo noch Menschen wohnen, p3b_108.025 p3b_108.027Wo Gottes Frieden über Alpen schwebt p3b_108.026 Und wo ihn betend ahnen Millionen. Mein Vaterland ist, wo die Eintracht lebt, p3b_108.028 p3b_108.030Wo Liedesklang der Brust entquillt mit Wonnen p3b_108.029 Und Mut der Freiheit durch die Seelen bebt. Mein Vaterland ist, wo in goldner Sonnen p3b_108.031 p3b_108.033Das Leben schäumt aus nie erschloss'nem Grund p3b_108.032 Und Geister trinken aus des Geistes Bronnen. ─ Mein Vaterland ist, wo ein süßer Mund p3b_108.034 p3b_108.036Von Liebe flüstert, treue Augen glänzen: p3b_108.035 Die weite Welt ist's, bis die andre kund. ─ Mein Vaterland hat irdisch keine Grenzen. p3b_108.037 § 41. Bildung von Oktaven (Stanzen). p3b_108.038 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0134" n="108"/> <lb n="p3b_108.001"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Mein Vaterland.</hi> </hi> </p> <p><lb n="p3b_108.002"/><hi rendition="#g">Stoff.</hi> 1. Jch habe mein Vaterland stets <hi rendition="#g">geliebt.</hi> Doch wo ist <lb n="p3b_108.003"/> das Vaterland <hi rendition="#g">hienieden,</hi> wenn der Krieg die Völker gegen einander hetzt? ‖ <lb n="p3b_108.004"/> 2. Jst das ein Vaterland, wo die farbigen Grenzpfähle <hi rendition="#g">stehn,</hi> welche die <lb n="p3b_108.005"/> Völker wie Herden trennen? ‖ 3. Oder ist es da, wo die deutschen Adlerfahnen <lb n="p3b_108.006"/> vor Fremden wehen, die im Donner der <hi rendition="#g">Kanonen</hi> für ihre Sprache kämpfend <lb n="p3b_108.007"/> den Tod erleiden? ‖ 4. Mein Vaterland ist der Menschheit ganze Breite, wo <lb n="p3b_108.008"/> der Friede Gottes uns über<hi rendition="#g">schwebt</hi> und wo man Gott verehrt. ‖ 5. Es ist <lb n="p3b_108.009"/> da, wo die Eintracht wohnt, wo man mit <hi rendition="#g">Wonnen</hi> Lieder singt und Freiheitsmut <lb n="p3b_108.010"/> die Brust schwellen macht. ‖ 6. Es ist da, wo das Leben aus nie erschlossenem <lb n="p3b_108.011"/> <hi rendition="#g">Grund</hi> emporquillt und Menschen wohnen, die geistiges Leben <lb n="p3b_108.012"/> lieben. ‖ 7. Es ist da, wo es Liebe giebt und treue Augen <hi rendition="#g">erglänzen;</hi> <lb n="p3b_108.013"/> es ist die weite Welt. ‖ 8. Mein Vaterland hat keine irdischen <hi rendition="#g">Grenzen.</hi> ‖</p> <lb n="p3b_108.014"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Lösung. Von Julius Grosse.</hi> </hi> </p> <lb n="p3b_108.015"/> <lg> <l>Das „Vaterland“, ich hab' es stets geliebt;</l> <lb n="p3b_108.016"/> <l>Doch sagt, was ist das Vaterland hienieden,</l> <lb n="p3b_108.017"/> <l>Wenn Sturm und Feuer durch die Völker stiebt? </l> </lg> <lb n="p3b_108.018"/> <lg> <l>Jst das ein Vaterland, wo lang' im Frieden</l> <lb n="p3b_108.019"/> <l>Die farbgen Pfähle an der Grenze stehn</l> <lb n="p3b_108.020"/> <l>Und herdenweis die Völker abgeschieden? </l> </lg> <lb n="p3b_108.021"/> <lg> <l>Jst's, wo die deutschen Adlerfahnen wehn</l> <lb n="p3b_108.022"/> <l>Vor Fremden, die im Donner der Kanonen</l> <lb n="p3b_108.023"/> <l>Für ihre Sprache auch zum Tode gehn? ─ </l> </lg> <lb n="p3b_108.024"/> <lg> <l>Mein Vaterland ist, wo noch Menschen wohnen,</l> <lb n="p3b_108.025"/> <l>Wo Gottes Frieden über Alpen schwebt</l> <lb n="p3b_108.026"/> <l>Und wo ihn betend ahnen Millionen. </l> </lg> <lb n="p3b_108.027"/> <lg> <l>Mein Vaterland ist, wo die Eintracht lebt,</l> <lb n="p3b_108.028"/> <l>Wo Liedesklang der Brust entquillt mit Wonnen</l> <lb n="p3b_108.029"/> <l>Und Mut der Freiheit durch die Seelen bebt. </l> </lg> <lb n="p3b_108.030"/> <lg> <l>Mein Vaterland ist, wo in goldner Sonnen</l> <lb n="p3b_108.031"/> <l>Das Leben schäumt aus nie erschloss'nem Grund</l> <lb n="p3b_108.032"/> <l>Und Geister trinken aus des Geistes Bronnen. ─ </l> </lg> <lb n="p3b_108.033"/> <lg> <l>Mein Vaterland ist, wo ein süßer Mund</l> <lb n="p3b_108.034"/> <l>Von Liebe flüstert, treue Augen glänzen:</l> <lb n="p3b_108.035"/> <l>Die weite Welt ist's, bis die andre kund. ─ </l> </lg> <lb n="p3b_108.036"/> <lg> <l>Mein Vaterland hat irdisch keine Grenzen.</l> </lg> </div> <div n="2"> <lb n="p3b_108.037"/> <head> <hi rendition="#c">§ 41. Bildung von Oktaven (Stanzen).</hi> </head> <p><lb n="p3b_108.038"/> 1. Der Begriff Stanze ist ein ziemlich weitgehender, elastischer. <lb n="p3b_108.039"/> Man kann darunter zunächst und im weitesten Sinn die um 1 oder </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0134]
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Mein Vaterland.
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Stoff. 1. Jch habe mein Vaterland stets geliebt. Doch wo ist p3b_108.003
das Vaterland hienieden, wenn der Krieg die Völker gegen einander hetzt? ‖ p3b_108.004
2. Jst das ein Vaterland, wo die farbigen Grenzpfähle stehn, welche die p3b_108.005
Völker wie Herden trennen? ‖ 3. Oder ist es da, wo die deutschen Adlerfahnen p3b_108.006
vor Fremden wehen, die im Donner der Kanonen für ihre Sprache kämpfend p3b_108.007
den Tod erleiden? ‖ 4. Mein Vaterland ist der Menschheit ganze Breite, wo p3b_108.008
der Friede Gottes uns überschwebt und wo man Gott verehrt. ‖ 5. Es ist p3b_108.009
da, wo die Eintracht wohnt, wo man mit Wonnen Lieder singt und Freiheitsmut p3b_108.010
die Brust schwellen macht. ‖ 6. Es ist da, wo das Leben aus nie erschlossenem p3b_108.011
Grund emporquillt und Menschen wohnen, die geistiges Leben p3b_108.012
lieben. ‖ 7. Es ist da, wo es Liebe giebt und treue Augen erglänzen; p3b_108.013
es ist die weite Welt. ‖ 8. Mein Vaterland hat keine irdischen Grenzen. ‖
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Lösung. Von Julius Grosse.
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Das „Vaterland“, ich hab' es stets geliebt; p3b_108.016
Doch sagt, was ist das Vaterland hienieden, p3b_108.017
Wenn Sturm und Feuer durch die Völker stiebt?
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Jst das ein Vaterland, wo lang' im Frieden p3b_108.019
Die farbgen Pfähle an der Grenze stehn p3b_108.020
Und herdenweis die Völker abgeschieden?
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Jst's, wo die deutschen Adlerfahnen wehn p3b_108.022
Vor Fremden, die im Donner der Kanonen p3b_108.023
Für ihre Sprache auch zum Tode gehn? ─
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Mein Vaterland ist, wo noch Menschen wohnen, p3b_108.025
Wo Gottes Frieden über Alpen schwebt p3b_108.026
Und wo ihn betend ahnen Millionen.
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Mein Vaterland ist, wo die Eintracht lebt, p3b_108.028
Wo Liedesklang der Brust entquillt mit Wonnen p3b_108.029
Und Mut der Freiheit durch die Seelen bebt.
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Mein Vaterland ist, wo in goldner Sonnen p3b_108.031
Das Leben schäumt aus nie erschloss'nem Grund p3b_108.032
Und Geister trinken aus des Geistes Bronnen. ─
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Mein Vaterland ist, wo ein süßer Mund p3b_108.034
Von Liebe flüstert, treue Augen glänzen: p3b_108.035
Die weite Welt ist's, bis die andre kund. ─
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Mein Vaterland hat irdisch keine Grenzen.
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§ 41. Bildung von Oktaven (Stanzen). p3b_108.038
1. Der Begriff Stanze ist ein ziemlich weitgehender, elastischer. p3b_108.039
Man kann darunter zunächst und im weitesten Sinn die um 1 oder
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/134>, abgerufen am 16.02.2025. |