Jch weiß ein Grab jenseits des bewegten Meers:p3b_130.002 Dort wuchert Unkraut rings und der Dornenbusch,p3b_130.003 Und wenn die Welt entschlief am Abend,
p3b_130.005
Ob dich der Mond, weltfernes, verlass'nes Grab,p3b_130.006 Wohl nächtens küßt, wenn Wind durch die Gräser streicht?p3b_130.007 - Mich faßt unendlich Weh: Von ferne
p3b_130.009 (Das freundliche Gedicht würde noch größeren Eindruck machen, wenn die p3b_130.010 beiden letzten Zeilen [d. h. ihr Jnhalt] die 5. und 6. Zeile ergeben würden.)
p3b_130.012 1. Man unterscheidet zwei Formen asklepiadeischer Strophen. p3b_130.013 Die erste enthält drei asklepiadeische Verse und einen abschließenden p3b_130.014 glykonischen Vers, während die zweite an Stelle des dritten asklepiadeischen p3b_130.015 Verses einen pherekratischen Vers eingefügt hat und dadurch p3b_130.016 dreigliedrig wird: ein trikolisches Tetrastichon.
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1. Form: - - Breve Breve - | - Breve Breve - Breve - p3b_130.018 - - Breve Breve - | - Breve Breve - Breve - p3b_130.019 - - Breve Breve - | - Breve Breve - Breve - p3b_130.020 - - Breve Breve - Breve - p3b_130.021 2. Form: - - Breve Breve - | - Breve Breve - Breve - p3b_130.022 - - Breve Breve - | - Breve Breve - Breve - p3b_130.023 - - Breve Breve - p3b_130.024 - - Breve Breve - Breve
p3b_130.025 2. Es herrscht der Choriambus (- Breve Breve -) vor und zwar ist in der p3b_130.026 letzten Zeile 1 Choriambus, in den andern Zeilen je 2 Choriamben p3b_130.027 zwischen einen halbierten gestellt. Die beiden ersten und die beiden p3b_130.028 letzten Silben jedes Verses ergeben wieder einen ganzen Choriambus.
p3b_130.029 3. Der den Hauptteil der Strophe bildende asklepiadeische Vers p3b_130.030 gleicht dem Pentameter durch den Einschnitt des Verses in der Mitte; p3b_130.031 ja, er müßte als solcher erkannt werden, wenn sein vorletzter Takt p3b_130.032 anstatt eines Trochäus ein Daktylus sein würde. Der Unterschied p3b_130.033 liegt darin, daß beim Pentameter der 1. Takt ein Daktylus sein kann, p3b_130.034 während der vorletzte ein solcher sein muß. (Vgl. Poetik I, 357.)
p3b_130.035 4. An Schönheit gewinnen die Verse der asklepiadeischen Strophe, p3b_130.036 wenn sie mit einem trochäischen Spondeus beginnen. Klopstock, Platen p3b_130.037 u. a. haben ihre Strophen (nach Horazens Vorgang) mehrfach p3b_130.038 auf diese Weise gebildet (I, 522 dieser Poetik. Vgl. Platens Werke p3b_130.039 II, 179).
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Jch weiß ein Grab jenseits des bewegten Meers:p3b_130.002 Dort wuchert Unkraut rings und der Dornenbusch,p3b_130.003 Und wenn die Welt entschlief am Abend,
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Ob dich der Mond, weltfernes, verlass'nes Grab,p3b_130.006 Wohl nächtens küßt, wenn Wind durch die Gräser streicht?p3b_130.007 ─ Mich faßt unendlich Weh: Von ferne
p3b_130.009 (Das freundliche Gedicht würde noch größeren Eindruck machen, wenn die p3b_130.010 beiden letzten Zeilen [d. h. ihr Jnhalt] die 5. und 6. Zeile ergeben würden.)
p3b_130.012 1. Man unterscheidet zwei Formen asklepiadeischer Strophen. p3b_130.013 Die erste enthält drei asklepiadeische Verse und einen abschließenden p3b_130.014 glykonischen Vers, während die zweite an Stelle des dritten asklepiadeischen p3b_130.015 Verses einen pherekratischen Vers eingefügt hat und dadurch p3b_130.016 dreigliedrig wird: ein trikolisches Tetrastichon.
p3b_130.025 2. Es herrscht der Choriambus (– ⏑ ⏑ –) vor und zwar ist in der p3b_130.026 letzten Zeile 1 Choriambus, in den andern Zeilen je 2 Choriamben p3b_130.027 zwischen einen halbierten gestellt. Die beiden ersten und die beiden p3b_130.028 letzten Silben jedes Verses ergeben wieder einen ganzen Choriambus.
p3b_130.029 3. Der den Hauptteil der Strophe bildende asklepiadeische Vers p3b_130.030 gleicht dem Pentameter durch den Einschnitt des Verses in der Mitte; p3b_130.031 ja, er müßte als solcher erkannt werden, wenn sein vorletzter Takt p3b_130.032 anstatt eines Trochäus ein Daktylus sein würde. Der Unterschied p3b_130.033 liegt darin, daß beim Pentameter der 1. Takt ein Daktylus sein kann, p3b_130.034 während der vorletzte ein solcher sein muß. (Vgl. Poetik I, 357.)
p3b_130.035 4. An Schönheit gewinnen die Verse der asklepiadeischen Strophe, p3b_130.036 wenn sie mit einem trochäischen Spondeus beginnen. Klopstock, Platen p3b_130.037 u. a. haben ihre Strophen (nach Horazens Vorgang) mehrfach p3b_130.038 auf diese Weise gebildet (I, 522 dieser Poetik. Vgl. Platens Werke p3b_130.039 II, 179).
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Jch weiß ein Grab jenseits des bewegten Meers: p3b_130.002
Dort wuchert Unkraut rings und der Dornenbusch, p3b_130.003
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Ob dich der Mond, weltfernes, verlass'nes Grab, p3b_130.006
Wohl nächtens küßt, wenn Wind durch die Gräser streicht? p3b_130.007
─ Mich faßt unendlich Weh: Von ferne
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(Das freundliche Gedicht würde noch größeren Eindruck machen, wenn die p3b_130.010
beiden letzten Zeilen [d. h. ihr Jnhalt] die 5. und 6. Zeile ergeben würden.)
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1. Man unterscheidet zwei Formen asklepiadeischer Strophen. p3b_130.013
Die erste enthält drei asklepiadeische Verse und einen abschließenden p3b_130.014
glykonischen Vers, während die zweite an Stelle des dritten asklepiadeischen p3b_130.015
Verses einen pherekratischen Vers eingefügt hat und dadurch p3b_130.016
dreigliedrig wird: ein trikolisches Tetrastichon.
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1. Form: – ⏒ – ⏑ ⏑ – │ – ⏑ ⏑ – ⏑ – p3b_130.018
– ⏒ – ⏑ ⏑ – │ – ⏑ ⏑ – ⏑ – p3b_130.019
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2. Es herrscht der Choriambus (– ⏑ ⏑ –) vor und zwar ist in der p3b_130.026
letzten Zeile 1 Choriambus, in den andern Zeilen je 2 Choriamben p3b_130.027
zwischen einen halbierten gestellt. Die beiden ersten und die beiden p3b_130.028
letzten Silben jedes Verses ergeben wieder einen ganzen Choriambus.
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3. Der den Hauptteil der Strophe bildende asklepiadeische Vers p3b_130.030
gleicht dem Pentameter durch den Einschnitt des Verses in der Mitte; p3b_130.031
ja, er müßte als solcher erkannt werden, wenn sein vorletzter Takt p3b_130.032
anstatt eines Trochäus ein Daktylus sein würde. Der Unterschied p3b_130.033
liegt darin, daß beim Pentameter der 1. Takt ein Daktylus sein kann, p3b_130.034
während der vorletzte ein solcher sein muß. (Vgl. Poetik I, 357.)
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4. An Schönheit gewinnen die Verse der asklepiadeischen Strophe, p3b_130.036
wenn sie mit einem trochäischen Spondeus beginnen. Klopstock, Platen p3b_130.037
u. a. haben ihre Strophen (nach Horazens Vorgang) mehrfach p3b_130.038
auf diese Weise gebildet (I, 522 dieser Poetik. Vgl. Platens Werke p3b_130.039
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/156>, abgerufen am 16.02.2025.
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