Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_273.001 p3b_273.009 p3b_273.011 § 95. II. Feile oder Umarbeitung ganzer Gedichte. p3b_273.012 [Beginn Spaltensatz] Der Schwur von Lessing. p3b_273.021 Jch schwör' es Lauren nicht zu lieben, p3b_273.023 p3b_273.028Das ungetreue Kind! p3b_273.024 Jch schwör' es, nie ein Kind zu lieben, p3b_273.025 Weil alle treulos sind! p3b_273.026 Jch schwör' es und vor Amors Ohren p3b_273.027 Sei, was ich willig schwur, geschworen. Jch schwör' es, Laura, dich zu hassen! p3b_273.029 [Spaltenumbruch]
p3b_273.101Den Haß schwör' ich dir zu! p3b_273.030 Jch schwör' es, jedes Kind zu hassen; p3b_273.031 Denn jedes ist wie du. p3b_273.032 Jch schwör' es dir vor Amors Ohren, p3b_273.033 Daß ich .. ach! daß ich falsch geschworen! Der schwörende Liebhaber. p3b_273.102 Jch schwör' es dir, o Laura, dich zu hassen; p3b_273.104 [Ende Spaltensatz]
Gerechten Haß schwör' ich dir zu. p3b_273.105 Jch schwör' es allen Schönen, sie zu hassen; p3b_273.106 Weil alle treulos sind, wie du. p3b_273.107 Jch schwör' es dir, vor Amors Ohren, p3b_273.108 Daß ich ... ach! daß ich falsch geschworen. p3b_273.109 p3b_273.110 p3b_273.001 p3b_273.009 p3b_273.011 § 95. II. Feile oder Umarbeitung ganzer Gedichte. p3b_273.012 [Beginn Spaltensatz] Der Schwur von Lessing. p3b_273.021 Jch schwör' es Lauren nicht zu lieben, p3b_273.023 p3b_273.028Das ungetreue Kind! p3b_273.024 Jch schwör' es, nie ein Kind zu lieben, p3b_273.025 Weil alle treulos sind! p3b_273.026 Jch schwör' es und vor Amors Ohren p3b_273.027 Sei, was ich willig schwur, geschworen. Jch schwör' es, Laura, dich zu hassen! p3b_273.029 [Spaltenumbruch]
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Gerechten Haß schwör' ich dir zu. p3b_273.105 Jch schwör' es allen Schönen, sie zu hassen; p3b_273.106 Weil alle treulos sind, wie du. p3b_273.107 Jch schwör' es dir, vor Amors Ohren, p3b_273.108 Daß ich ... ach! daß ich falsch geschworen. p3b_273.109 p3b_273.110 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0299" n="273"/><lb n="p3b_273.001"/> Strophe mit hinüber, um dieselbe mit der ersten zu verketten. Der sachliche <lb n="p3b_273.002"/> Grund der Änderung liegt auf der Hand. Rückert hat hunderte solcher Änderungen, <lb n="p3b_273.003"/> Streichungen &c. in Ausübung einer schonungslosen Selbstkritik und Feile <lb n="p3b_273.004"/> angebracht. Dieselben finden sich in des Verfassers Werk „Neue Mitteilungen <lb n="p3b_273.005"/> Fr. Rückerts und kritische Gänge und Studien“ Bd. <hi rendition="#aq">II</hi>, S. 122─209 in <lb n="p3b_273.006"/> ihrem ganzen Umfang für eine zu erhoffende textkritische Ges.=Ausg. unter der <lb n="p3b_273.007"/> Überschrift verzeichnet: „Kritischer Nachweis zu Fr. Rückerts ges. Gedichten; bearbeitet <lb n="p3b_273.008"/> nach der Reihenfolge der Erlanger und Frankfurter Ausgabe.“</p> <p><lb n="p3b_273.009"/> Für Handhabung der Feile läßt sich aus diesem Kapitel ungemein viel <lb n="p3b_273.010"/> lernen, weshalb wir den jungen Dichter angelegentlichst darauf verweisen.</p> </div> </div> <div n="2"> <lb n="p3b_273.011"/> <head> <hi rendition="#c">§ 95. <hi rendition="#aq">II</hi>. Feile oder Umarbeitung ganzer Gedichte.</hi> </head> <p><lb n="p3b_273.012"/> Nicht immer gelingt dem Dichter ein einzelnes Gedicht derart, daß es <lb n="p3b_273.013"/> ihn vollständig befriedigt. Trotz aller Verbesserungen stört ihn ein unnennbares <lb n="p3b_273.014"/> Etwas, das er im Augenblick des Schaffens nicht zu beseitigen weiß. Oft <lb n="p3b_273.015"/> scheint ihm der Gedanke zu weit ausgesponnen, oder er hält mit einem Male <lb n="p3b_273.016"/> das Bild nicht mehr treffend genug aufgefaßt; oder es stört ihn der Rhythmus, <lb n="p3b_273.017"/> oder sein gewähltes Schema, bis ihn zu guter Stunde der selbstkritisierende <lb n="p3b_273.018"/> Geist der Erleuchtung überkommt. Wir erhärten dies an einem Beispiele <lb n="p3b_273.019"/> <hi rendition="#g">Lessings.</hi></p> <lb n="p3b_273.020"/> <cb type="start"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Schwur</hi> von <hi rendition="#g">Lessing.</hi> <lb n="p3b_273.021"/> Erste Fassung. 1753.</hi> </p> <lb n="p3b_273.022"/> <lg> <l>Jch schwör' es Lauren nicht zu lieben,</l> <lb n="p3b_273.023"/> <l>Das ungetreue Kind!</l> <lb n="p3b_273.024"/> <l>Jch schwör' es, nie ein Kind zu lieben,</l> <lb n="p3b_273.025"/> <l>Weil alle <hi rendition="#g">treulos</hi> sind!</l> <lb n="p3b_273.026"/> <l>Jch schwör' es und vor Amors Ohren</l> <lb n="p3b_273.027"/> <l>Sei, was ich willig schwur, geschworen. </l> </lg> <lb n="p3b_273.028"/> <lg> <l>Jch schwör' es, Laura, dich zu hassen!</l> <lb n="p3b_273.029"/> <l>Den Haß schwör' ich dir zu!</l> <lb n="p3b_273.030"/> <l>Jch schwör' es, jedes Kind zu hassen;</l> <lb n="p3b_273.031"/> <l>Denn jedes ist wie du.</l> <lb n="p3b_273.032"/> <l>Jch schwör' es dir vor Amors Ohren,</l> <lb n="p3b_273.033"/> <l>Daß ich .. ach! daß ich falsch geschworen!</l> </lg> <cb/> <lb n="p3b_273.101"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der schwörende Liebhaber.</hi><lb n="p3b_273.102"/> Lessings verbesserte Fassung. 1771.</hi> </p> <lb n="p3b_273.103"/> <lg> <l>Jch schwör' es dir, o Laura, dich zu hassen;</l> <lb n="p3b_273.104"/> <l>Gerechten Haß schwör' ich dir zu.</l> <lb n="p3b_273.105"/> <l>Jch schwör' es allen Schönen, sie zu hassen;</l> <lb n="p3b_273.106"/> <l>Weil alle treulos sind, wie du.</l> <lb n="p3b_273.107"/> <l>Jch schwör' es dir, vor Amors Ohren,</l> <lb n="p3b_273.108"/> <l>Daß ich ... ach! daß ich falsch geschworen.</l> </lg> <cb type="end"/> <p><lb n="p3b_273.109"/> Beleuchtung einzelner Momente der Feile.</p> <p><lb n="p3b_273.110"/> Die erste Strophe sagt inhaltlich wenig mehr, als die zweite. Lessing <lb n="p3b_273.111"/> konnte leicht auf sie verzichten, da er ihr neues (das einzige Wort <hi rendition="#g">treulos</hi>) <lb n="p3b_273.112"/> der zweiten Strophe leicht einzuverleiben vermochte. Während er nämlich in <lb n="p3b_273.113"/> der 2. Strophe ursprünglich sagt: „Jch schwör' es jedes Kind zu hassen; </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [273/0299]
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Strophe mit hinüber, um dieselbe mit der ersten zu verketten. Der sachliche p3b_273.002
Grund der Änderung liegt auf der Hand. Rückert hat hunderte solcher Änderungen, p3b_273.003
Streichungen &c. in Ausübung einer schonungslosen Selbstkritik und Feile p3b_273.004
angebracht. Dieselben finden sich in des Verfassers Werk „Neue Mitteilungen p3b_273.005
Fr. Rückerts und kritische Gänge und Studien“ Bd. II, S. 122─209 in p3b_273.006
ihrem ganzen Umfang für eine zu erhoffende textkritische Ges.=Ausg. unter der p3b_273.007
Überschrift verzeichnet: „Kritischer Nachweis zu Fr. Rückerts ges. Gedichten; bearbeitet p3b_273.008
nach der Reihenfolge der Erlanger und Frankfurter Ausgabe.“
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Für Handhabung der Feile läßt sich aus diesem Kapitel ungemein viel p3b_273.010
lernen, weshalb wir den jungen Dichter angelegentlichst darauf verweisen.
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§ 95. II. Feile oder Umarbeitung ganzer Gedichte. p3b_273.012
Nicht immer gelingt dem Dichter ein einzelnes Gedicht derart, daß es p3b_273.013
ihn vollständig befriedigt. Trotz aller Verbesserungen stört ihn ein unnennbares p3b_273.014
Etwas, das er im Augenblick des Schaffens nicht zu beseitigen weiß. Oft p3b_273.015
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das Bild nicht mehr treffend genug aufgefaßt; oder es stört ihn der Rhythmus, p3b_273.017
oder sein gewähltes Schema, bis ihn zu guter Stunde der selbstkritisierende p3b_273.018
Geist der Erleuchtung überkommt. Wir erhärten dies an einem Beispiele p3b_273.019
Lessings.
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Erste Fassung. 1753.
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Lessings verbesserte Fassung. 1771.
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der 2. Strophe ursprünglich sagt: „Jch schwör' es jedes Kind zu hassen;
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