Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

p3b_037.001
wahren, andernteils um das Anhalten nach der ersten Hälfte (rhythmische p3b_037.002
Pause) durch die neu beschleunigte Bewegung in Vergessenheit p3b_037.003
zu bringen.

p3b_037.004
Beispiele des Pentameters:

p3b_037.005
a. mit dem Trochäus im Anfang:

p3b_037.006
Jnst die | Liebe dahin, || labt der Gedanke daran.
p3b_037.007

(Platen.)

p3b_037.008
b. mit dem Spondeus im Anfang:

p3b_037.009
Jnst nicht | Liebe für | sich || schon ein lebend'ger Gewinn.
p3b_037.010

(Platen.)

p3b_037.011
Bis statt | Klarheits | schein || wirkliche Klarheit erschien.
p3b_037.012

(Rückert.)

p3b_037.013
c. mit daktylischem Anfang:

p3b_037.014
Aber ein | sehnendes | Herz || findet sich wieder in euch.
p3b_037.015

(Platen.)

p3b_037.016
3. Ein Zusammenziehen der beiden Hälften des Pentameters durch p3b_037.017
ein überbrückendes Wort ist unzulässig (versrhythmisch unschön), weil p3b_037.018
die letzte Silbe des ersten Hemistichiums ungebührlich lang ausgehalten p3b_037.019
werden müßte, z. B.:

p3b_037.020
Helena | selbst und der | blond )| lockigen Freundinnen Wort.

p3b_037.021
4. Der Pentameter kommt in der Regel nur in Verbindung mit p3b_037.022
anderen Metren vor, insbesondere mit dem Hexameter.

p3b_037.023
§ 15. Verbindung des Hexameters mit dem Pentameter.

p3b_037.024
Aus der Verbindung des Hexameters mit dem Pentameter entsteht p3b_037.025
eine Zweizeile, welche unter dem Namen elegisches (oder epigrammatisches) p3b_037.026
Distichon bekannt ist. Sie wurde um so lieber zu Elegien p3b_037.027
und Epigrammen verwendet, als der zur präzisen Ausdrucksform p3b_037.028
zwingende Pentameter dem ins Weite eilenden Hexameter einen freundlichen p3b_037.029
Abschluß aufnötigt.

p3b_037.030
Eine Reihe solcher, durch den Jnhalt zusammenhängender Distichen p3b_037.031
bildet das elegische Gedicht.

p3b_037.032
A. Das elegische Distichon.

p3b_037.033
1. Es gleicht in seinem Anlauf und Abfluß der Welle, die p3b_037.034
ewig flieht und ewig wieder naht.

p3b_037.035
2. Es ist nicht unbedingt nötig, daß am Ende des Hexameters p3b_037.036
eine syntaktische Pause eintritt, vielmehr kann der Jnhalt des Satzes p3b_037.037
hie und da einmal in den folgenden Pentameter überlaufen.

p3b_037.001
wahren, andernteils um das Anhalten nach der ersten Hälfte (rhythmische p3b_037.002
Pause) durch die neu beschleunigte Bewegung in Vergessenheit p3b_037.003
zu bringen.

p3b_037.004
Beispiele des Pentameters:

p3b_037.005
a. mit dem Trochäus im Anfang:

p3b_037.006
J̄st dĭe │ Līebĕ dăhīn, ‖ labt der Gedanke daran.
p3b_037.007

(Platen.)

p3b_037.008
b. mit dem Spondeus im Anfang:

p3b_037.009
J̄st nīcht │ Līebĕ fü̆r │ sīch ‖ schon ein lebend'ger Gewinn.
p3b_037.010

(Platen.)

p3b_037.011
Bis statt │ Klārhēits │ schēin ‖ wirkliche Klarheit erschien.
p3b_037.012

(Rückert.)

p3b_037.013
c. mit daktylischem Anfang:

p3b_037.014
Ābĕr ĕin │ sēhnĕndĕs │ Hērz ‖ findet sich wieder in euch.
p3b_037.015

(Platen.)

p3b_037.016
3. Ein Zusammenziehen der beiden Hälften des Pentameters durch p3b_037.017
ein überbrückendes Wort ist unzulässig (versrhythmisch unschön), weil p3b_037.018
die letzte Silbe des ersten Hemistichiums ungebührlich lang ausgehalten p3b_037.019
werden müßte, z. B.:

p3b_037.020
Helena │ selbst und der │ blond )̐̑│ lockigen Freundinnen Wort.

p3b_037.021
4. Der Pentameter kommt in der Regel nur in Verbindung mit p3b_037.022
anderen Metren vor, insbesondere mit dem Hexameter.

p3b_037.023
§ 15. Verbindung des Hexameters mit dem Pentameter.

p3b_037.024
Aus der Verbindung des Hexameters mit dem Pentameter entsteht p3b_037.025
eine Zweizeile, welche unter dem Namen elegisches (oder epigrammatisches) p3b_037.026
Distichon bekannt ist. Sie wurde um so lieber zu Elegien p3b_037.027
und Epigrammen verwendet, als der zur präzisen Ausdrucksform p3b_037.028
zwingende Pentameter dem ins Weite eilenden Hexameter einen freundlichen p3b_037.029
Abschluß aufnötigt.

p3b_037.030
Eine Reihe solcher, durch den Jnhalt zusammenhängender Distichen p3b_037.031
bildet das elegische Gedicht.

p3b_037.032
A. Das elegische Distichon.

p3b_037.033
1. Es gleicht in seinem Anlauf und Abfluß der Welle, die p3b_037.034
ewig flieht und ewig wieder naht.

p3b_037.035
2. Es ist nicht unbedingt nötig, daß am Ende des Hexameters p3b_037.036
eine syntaktische Pause eintritt, vielmehr kann der Jnhalt des Satzes p3b_037.037
hie und da einmal in den folgenden Pentameter überlaufen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0063" n="37"/><lb n="p3b_037.001"/>
wahren, andernteils um das Anhalten nach der ersten Hälfte (rhythmische <lb n="p3b_037.002"/>
Pause) durch die neu beschleunigte Bewegung in Vergessenheit <lb n="p3b_037.003"/>
zu bringen.</p>
            <p><lb n="p3b_037.004"/>
Beispiele des Pentameters:</p>
            <p><lb n="p3b_037.005"/><hi rendition="#aq">a</hi>. mit dem Trochäus im Anfang:</p>
            <lb n="p3b_037.006"/>
            <lg>
              <l>J&#x0304;st d&#x012D;e &#x2502; L&#x012B;eb&#x0115; d&#x0103;h&#x012B;n, &#x2016; labt der Gedanke daran.</l>
            </lg>
            <lb n="p3b_037.007"/>
            <p> <hi rendition="#right">(Platen.)</hi> </p>
            <p><lb n="p3b_037.008"/><hi rendition="#aq">b</hi>. mit dem Spondeus im Anfang:</p>
            <lb n="p3b_037.009"/>
            <lg>
              <l>J&#x0304;st n&#x012B;cht &#x2502; L&#x012B;eb&#x0115;&#x0306;r &#x2502; s&#x012B;ch &#x2016; schon ein lebend'ger Gewinn.</l>
            </lg>
            <lb n="p3b_037.010"/>
            <p> <hi rendition="#right">(Platen.)</hi> </p>
            <lb n="p3b_037.011"/>
            <lg>
              <l>Bis statt &#x2502; Kl&#x0101;rh&#x0113;its &#x2502; sch&#x0113;in &#x2016; wirkliche Klarheit erschien.</l>
            </lg>
            <lb n="p3b_037.012"/>
            <p> <hi rendition="#right">(Rückert.)</hi> </p>
            <p><lb n="p3b_037.013"/><hi rendition="#aq">c</hi>. mit daktylischem Anfang:</p>
            <lb n="p3b_037.014"/>
            <lg>
              <l>&#x0100;b&#x0115;r &#x0115;in &#x2502; s&#x0113;hn&#x0115;nd&#x0115;s &#x2502; H&#x0113;rz &#x2016; findet sich wieder in euch.</l>
            </lg>
            <lb n="p3b_037.015"/>
            <p> <hi rendition="#right">(Platen.)</hi> </p>
            <p><lb n="p3b_037.016"/>
3. Ein Zusammenziehen der beiden Hälften des Pentameters durch <lb n="p3b_037.017"/>
ein überbrückendes Wort ist unzulässig (versrhythmisch unschön), weil <lb n="p3b_037.018"/>
die letzte Silbe des ersten Hemistichiums ungebührlich lang ausgehalten <lb n="p3b_037.019"/>
werden müßte, z. B.:</p>
            <lb n="p3b_037.020"/>
            <lg>
              <l>Helena &#x2502; selbst und der &#x2502; blond )&#x0310;&#x0311;&#x2502; lockigen Freundinnen Wort.</l>
            </lg>
            <p><lb n="p3b_037.021"/>
4. Der Pentameter kommt in der Regel nur in Verbindung mit <lb n="p3b_037.022"/>
anderen Metren vor, insbesondere mit dem Hexameter.</p>
          </div>
          <div n="3">
            <lb n="p3b_037.023"/>
            <head> <hi rendition="#c">§ 15. Verbindung des Hexameters mit dem Pentameter.</hi> </head>
            <p><lb n="p3b_037.024"/>
Aus der Verbindung des Hexameters mit dem Pentameter entsteht <lb n="p3b_037.025"/>
eine Zweizeile, welche unter dem Namen <hi rendition="#g">elegisches</hi> (oder epigrammatisches) <lb n="p3b_037.026"/> <hi rendition="#g">Distichon</hi> bekannt ist. Sie wurde um so lieber zu Elegien <lb n="p3b_037.027"/>
und Epigrammen verwendet, als der zur präzisen Ausdrucksform <lb n="p3b_037.028"/>
zwingende Pentameter dem ins Weite eilenden Hexameter einen freundlichen <lb n="p3b_037.029"/>
Abschluß aufnötigt.</p>
            <p><lb n="p3b_037.030"/>
Eine Reihe solcher, durch den Jnhalt zusammenhängender Distichen <lb n="p3b_037.031"/>
bildet <hi rendition="#g">das elegische Gedicht</hi>.</p>
            <p>
              <lb n="p3b_037.032"/> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">A</hi>. Das elegische Distichon.</hi> </p>
            <p><lb n="p3b_037.033"/>
1. Es gleicht in seinem Anlauf und Abfluß der Welle, die <lb n="p3b_037.034"/>
ewig flieht und ewig wieder naht.</p>
            <p><lb n="p3b_037.035"/>
2. Es ist nicht unbedingt nötig, daß am Ende des Hexameters <lb n="p3b_037.036"/>
eine syntaktische Pause eintritt, vielmehr kann der Jnhalt des Satzes <lb n="p3b_037.037"/>
hie und da einmal in den folgenden Pentameter überlaufen.</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0063] p3b_037.001 wahren, andernteils um das Anhalten nach der ersten Hälfte (rhythmische p3b_037.002 Pause) durch die neu beschleunigte Bewegung in Vergessenheit p3b_037.003 zu bringen. p3b_037.004 Beispiele des Pentameters: p3b_037.005 a. mit dem Trochäus im Anfang: p3b_037.006 J̄st dĭe │ Līebĕ dăhīn, ‖ labt der Gedanke daran. p3b_037.007 (Platen.) p3b_037.008 b. mit dem Spondeus im Anfang: p3b_037.009 J̄st nīcht │ Līebĕ fü̆r │ sīch ‖ schon ein lebend'ger Gewinn. p3b_037.010 (Platen.) p3b_037.011 Bis statt │ Klārhēits │ schēin ‖ wirkliche Klarheit erschien. p3b_037.012 (Rückert.) p3b_037.013 c. mit daktylischem Anfang: p3b_037.014 Ābĕr ĕin │ sēhnĕndĕs │ Hērz ‖ findet sich wieder in euch. p3b_037.015 (Platen.) p3b_037.016 3. Ein Zusammenziehen der beiden Hälften des Pentameters durch p3b_037.017 ein überbrückendes Wort ist unzulässig (versrhythmisch unschön), weil p3b_037.018 die letzte Silbe des ersten Hemistichiums ungebührlich lang ausgehalten p3b_037.019 werden müßte, z. B.: p3b_037.020 Helena │ selbst und der │ blond )̐̑│ lockigen Freundinnen Wort. p3b_037.021 4. Der Pentameter kommt in der Regel nur in Verbindung mit p3b_037.022 anderen Metren vor, insbesondere mit dem Hexameter. p3b_037.023 § 15. Verbindung des Hexameters mit dem Pentameter. p3b_037.024 Aus der Verbindung des Hexameters mit dem Pentameter entsteht p3b_037.025 eine Zweizeile, welche unter dem Namen elegisches (oder epigrammatisches) p3b_037.026 Distichon bekannt ist. Sie wurde um so lieber zu Elegien p3b_037.027 und Epigrammen verwendet, als der zur präzisen Ausdrucksform p3b_037.028 zwingende Pentameter dem ins Weite eilenden Hexameter einen freundlichen p3b_037.029 Abschluß aufnötigt. p3b_037.030 Eine Reihe solcher, durch den Jnhalt zusammenhängender Distichen p3b_037.031 bildet das elegische Gedicht. p3b_037.032 A. Das elegische Distichon. p3b_037.033 1. Es gleicht in seinem Anlauf und Abfluß der Welle, die p3b_037.034 ewig flieht und ewig wieder naht. p3b_037.035 2. Es ist nicht unbedingt nötig, daß am Ende des Hexameters p3b_037.036 eine syntaktische Pause eintritt, vielmehr kann der Jnhalt des Satzes p3b_037.037 hie und da einmal in den folgenden Pentameter überlaufen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/63
Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/63>, abgerufen am 17.05.2024.