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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Zweites Buch, fünftes Kapitel.
zusammenkünfte mit Theetrinken (doch war viel
Rum dabei) und den ungeheuerlichsten Gesprächen
ausgefüllt.

Es durfte von Allem gesprochen werden, nur
nicht von der Schule. Hauptsächlich sprach man
von zukünftigen dichterischen Plänen. Stössel, der
zugleich Musiker war, wollte Opern dichten und
komponieren: Wißt ihr, Opern moderner Art,
voll fabelhafter Sinnenfreudigkeit, ungeheuer um¬
fassend, allegorisch, aber lebendig!

Mehr war darüber nicht zu erfahren, und wenn
er am Klavier saß, kams immer auf die ungari¬
schen Rhapsodien von Liszt heraus.

Wippert hatte vornehmlich satirische Pläne.
"Juvenalia" sollte sein erstes Werk heißen mit dem
Untertitel: Ein Hechelepos in sieben Zinken. Jede
Zinke sollte "einen Hauptstand der gegenwärtigen
Ordnung zerstrählen". Die erste Zinke, in ge¬
reimten Hexametern, behandelte die Sippe der
Gymnasiallehrer und begann so:

Strähle mir, Zinke, den Mann, der schwitzend
auf dem Katheder

Mit höchsteigener Hand verteilt sein eigenes
Leder!

Zweites Buch, fünftes Kapitel.
zuſammenkünfte mit Theetrinken (doch war viel
Rum dabei) und den ungeheuerlichſten Geſprächen
ausgefüllt.

Es durfte von Allem geſprochen werden, nur
nicht von der Schule. Hauptſächlich ſprach man
von zukünftigen dichteriſchen Plänen. Stöſſel, der
zugleich Muſiker war, wollte Opern dichten und
komponieren: Wißt ihr, Opern moderner Art,
voll fabelhafter Sinnenfreudigkeit, ungeheuer um¬
faſſend, allegoriſch, aber lebendig!

Mehr war darüber nicht zu erfahren, und wenn
er am Klavier ſaß, kams immer auf die ungari¬
ſchen Rhapſodien von Liszt heraus.

Wippert hatte vornehmlich ſatiriſche Pläne.
„Juvenalia“ ſollte ſein erſtes Werk heißen mit dem
Untertitel: Ein Hechelepos in ſieben Zinken. Jede
Zinke ſollte „einen Hauptſtand der gegenwärtigen
Ordnung zerſtrählen“. Die erſte Zinke, in ge¬
reimten Hexametern, behandelte die Sippe der
Gymnaſiallehrer und begann ſo:

Strähle mir, Zinke, den Mann, der ſchwitzend
auf dem Katheder

Mit höchſteigener Hand verteilt ſein eigenes
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[187/0201] Zweites Buch, fünftes Kapitel. zuſammenkünfte mit Theetrinken (doch war viel Rum dabei) und den ungeheuerlichſten Geſprächen ausgefüllt. Es durfte von Allem geſprochen werden, nur nicht von der Schule. Hauptſächlich ſprach man von zukünftigen dichteriſchen Plänen. Stöſſel, der zugleich Muſiker war, wollte Opern dichten und komponieren: Wißt ihr, Opern moderner Art, voll fabelhafter Sinnenfreudigkeit, ungeheuer um¬ faſſend, allegoriſch, aber lebendig! Mehr war darüber nicht zu erfahren, und wenn er am Klavier ſaß, kams immer auf die ungari¬ ſchen Rhapſodien von Liszt heraus. Wippert hatte vornehmlich ſatiriſche Pläne. „Juvenalia“ ſollte ſein erſtes Werk heißen mit dem Untertitel: Ein Hechelepos in ſieben Zinken. Jede Zinke ſollte „einen Hauptſtand der gegenwärtigen Ordnung zerſtrählen“. Die erſte Zinke, in ge¬ reimten Hexametern, behandelte die Sippe der Gymnaſiallehrer und begann ſo: Strähle mir, Zinke, den Mann, der ſchwitzend auf dem Katheder Mit höchſteigener Hand verteilt ſein eigenes Leder!

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/201>, abgerufen am 22.11.2024.