Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Stilpe.
Wir saufen, um auf dem Umwege über eine Magen¬
krankheit einmal Dichter werden zu können.

Unendlich oft sank man sich in die Arme, zu¬
mal, als die Mädchen eingeschlafen waren. Die
dicke Grete hatte sich mit Hulda direkt ins Bett
gelegt, und die kleine Anna glaubte offenbar, sie
wäre zu Hause, denn sie zog sich bis aufs Hemd
aus und legte sich aufs Sopha. Herr Lehmann
durfte ihr ein Schlummerlied auf dem Cello geigen,
und sie küßte ihn dafür recht herzlich, wenn auch
im Schlafe. Die rote Clara hatte sich nur die
Haare aufgemacht und lag dem kleinen August im
Schoße, der aber keinen Sinn mehr dafür hatte
und ein paar mal rief: Nehmt doch die Apfelsine
weg!

[Abbildung]

Früh um drei schlief Alles. Nur Stilpe stieg
zwischen den Schlafenden hin und her und trank
die Bowle leer. -- Die Betrunkenheit hob und
senkte sich in ihm. Ihm war, als führe ihn etwas
im Kreise herum. Zuweilen lallte er:

Wie dieser Lehmann schnarcht!

Stilpe.
Wir ſaufen, um auf dem Umwege über eine Magen¬
krankheit einmal Dichter werden zu können.

Unendlich oft ſank man ſich in die Arme, zu¬
mal, als die Mädchen eingeſchlafen waren. Die
dicke Grete hatte ſich mit Hulda direkt ins Bett
gelegt, und die kleine Anna glaubte offenbar, ſie
wäre zu Hauſe, denn ſie zog ſich bis aufs Hemd
aus und legte ſich aufs Sopha. Herr Lehmann
durfte ihr ein Schlummerlied auf dem Cello geigen,
und ſie küßte ihn dafür recht herzlich, wenn auch
im Schlafe. Die rote Clara hatte ſich nur die
Haare aufgemacht und lag dem kleinen Auguſt im
Schoße, der aber keinen Sinn mehr dafür hatte
und ein paar mal rief: Nehmt doch die Apfelſine
weg!

[Abbildung]

Früh um drei ſchlief Alles. Nur Stilpe ſtieg
zwiſchen den Schlafenden hin und her und trank
die Bowle leer. — Die Betrunkenheit hob und
ſenkte ſich in ihm. Ihm war, als führe ihn etwas
im Kreiſe herum. Zuweilen lallte er:

Wie dieſer Lehmann ſchnarcht!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0294" n="280"/><fw place="top" type="header">Stilpe.<lb/></fw> Wir &#x017F;aufen, um auf dem Umwege über eine Magen¬<lb/>
krankheit einmal Dichter werden zu können.</p><lb/>
          <p>Unendlich oft &#x017F;ank man &#x017F;ich in die Arme, zu¬<lb/>
mal, als die Mädchen einge&#x017F;chlafen waren. Die<lb/>
dicke Grete hatte &#x017F;ich mit Hulda direkt ins Bett<lb/>
gelegt, und die kleine Anna glaubte offenbar, &#x017F;ie<lb/>
wäre zu Hau&#x017F;e, denn &#x017F;ie zog &#x017F;ich bis aufs Hemd<lb/>
aus und legte &#x017F;ich aufs Sopha. Herr Lehmann<lb/>
durfte ihr ein Schlummerlied auf dem Cello geigen,<lb/>
und &#x017F;ie küßte ihn dafür recht herzlich, wenn auch<lb/>
im Schlafe. Die rote Clara hatte &#x017F;ich nur die<lb/>
Haare aufgemacht und lag dem kleinen Augu&#x017F;t im<lb/>
Schoße, der aber keinen Sinn mehr dafür hatte<lb/>
und ein paar mal rief: Nehmt doch die Apfel&#x017F;ine<lb/>
weg!</p><lb/>
          <figure/>
          <p>Früh um drei &#x017F;chlief Alles. Nur Stilpe &#x017F;tieg<lb/>
zwi&#x017F;chen den Schlafenden hin und her und trank<lb/>
die Bowle leer. &#x2014; Die Betrunkenheit hob und<lb/>
&#x017F;enkte &#x017F;ich in ihm. Ihm war, als führe ihn etwas<lb/>
im Krei&#x017F;e herum. Zuweilen lallte er:</p><lb/>
          <p>Wie die&#x017F;er Lehmann &#x017F;chnarcht!</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0294] Stilpe. Wir ſaufen, um auf dem Umwege über eine Magen¬ krankheit einmal Dichter werden zu können. Unendlich oft ſank man ſich in die Arme, zu¬ mal, als die Mädchen eingeſchlafen waren. Die dicke Grete hatte ſich mit Hulda direkt ins Bett gelegt, und die kleine Anna glaubte offenbar, ſie wäre zu Hauſe, denn ſie zog ſich bis aufs Hemd aus und legte ſich aufs Sopha. Herr Lehmann durfte ihr ein Schlummerlied auf dem Cello geigen, und ſie küßte ihn dafür recht herzlich, wenn auch im Schlafe. Die rote Clara hatte ſich nur die Haare aufgemacht und lag dem kleinen Auguſt im Schoße, der aber keinen Sinn mehr dafür hatte und ein paar mal rief: Nehmt doch die Apfelſine weg! [Abbildung] Früh um drei ſchlief Alles. Nur Stilpe ſtieg zwiſchen den Schlafenden hin und her und trank die Bowle leer. — Die Betrunkenheit hob und ſenkte ſich in ihm. Ihm war, als führe ihn etwas im Kreiſe herum. Zuweilen lallte er: Wie dieſer Lehmann ſchnarcht!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/294
Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/294>, abgerufen am 31.10.2024.