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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.

Der Pole karakterisierte das Ganze in seiner
Weise so:

-- O Herr Direktor, Du bist geradezu dschenial!
Du eröffnest Ausblicke in geradezu orientalische Kul¬
turen! Du solltest direkt ein literarisches Bordell
gründen! Weißt Du, hehe, wo die Mädchen auch
gleich dichten oder Joethe deklamieren. Hehe, was
Du da für reizende Divänchen in die Logen gestellt
hast! Und diese köstlichen Rosa-Ampeln! Hehe, und
daß man die Logenthüren von innen verriegeln und
an der Brüstung die Vorhänge zuziehen kann, --
daran erkenn ich den Meister! Und so sollst Du
überhaupt gar keine Vorstellungen geben lassen,
sondern blos, hehe, Eintrittspreise verlangen; hehe:
"Damen zahlen die Hälfte."

-- Na, und wenn es so wäre! entgegnete
Stilpe unerschrocken, wäre das nicht auch schon Ver¬
dienst genug? So ein bischen angewandte Erotik
ist genau so wichtig, wie eure ganze Schreiberei. Und
deshalb ärgert ihr euch eben: Weil Ihr seht, daß ich
ins Leben wirken will mit dem Momus und nicht
blos in die Literatur. Ihr seid die großen Geister;
gut, schön, eminent: Ich laß euch eure Lorberkränze.
Ich bin ein einfacher Pionier des neuen Lebens.
Nur der Zungenschnalzer versteht mich, weil er den

Stilpe.

Der Pole karakteriſierte das Ganze in ſeiner
Weiſe ſo:

— O Herr Direktor, Du biſt geradezu dſchenial!
Du eröffneſt Ausblicke in geradezu orientaliſche Kul¬
turen! Du ſollteſt direkt ein literariſches Bordell
gründen! Weißt Du, hehe, wo die Mädchen auch
gleich dichten oder Joethe deklamieren. Hehe, was
Du da für reizende Divänchen in die Logen geſtellt
haſt! Und dieſe köſtlichen Roſa-Ampeln! Hehe, und
daß man die Logenthüren von innen verriegeln und
an der Brüſtung die Vorhänge zuziehen kann, —
daran erkenn ich den Meiſter! Und ſo ſollſt Du
überhaupt gar keine Vorſtellungen geben laſſen,
ſondern blos, hehe, Eintrittspreiſe verlangen; hehe:
„Damen zahlen die Hälfte.“

— Na, und wenn es ſo wäre! entgegnete
Stilpe unerſchrocken, wäre das nicht auch ſchon Ver¬
dienſt genug? So ein bischen angewandte Erotik
iſt genau ſo wichtig, wie eure ganze Schreiberei. Und
deshalb ärgert ihr euch eben: Weil Ihr ſeht, daß ich
ins Leben wirken will mit dem Momus und nicht
blos in die Literatur. Ihr ſeid die großen Geiſter;
gut, ſchön, eminent: Ich laß euch eure Lorberkränze.
Ich bin ein einfacher Pionier des neuen Lebens.
Nur der Zungenſchnalzer verſteht mich, weil er den

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[376/0390] Stilpe. Der Pole karakteriſierte das Ganze in ſeiner Weiſe ſo: — O Herr Direktor, Du biſt geradezu dſchenial! Du eröffneſt Ausblicke in geradezu orientaliſche Kul¬ turen! Du ſollteſt direkt ein literariſches Bordell gründen! Weißt Du, hehe, wo die Mädchen auch gleich dichten oder Joethe deklamieren. Hehe, was Du da für reizende Divänchen in die Logen geſtellt haſt! Und dieſe köſtlichen Roſa-Ampeln! Hehe, und daß man die Logenthüren von innen verriegeln und an der Brüſtung die Vorhänge zuziehen kann, — daran erkenn ich den Meiſter! Und ſo ſollſt Du überhaupt gar keine Vorſtellungen geben laſſen, ſondern blos, hehe, Eintrittspreiſe verlangen; hehe: „Damen zahlen die Hälfte.“ — Na, und wenn es ſo wäre! entgegnete Stilpe unerſchrocken, wäre das nicht auch ſchon Ver¬ dienſt genug? So ein bischen angewandte Erotik iſt genau ſo wichtig, wie eure ganze Schreiberei. Und deshalb ärgert ihr euch eben: Weil Ihr ſeht, daß ich ins Leben wirken will mit dem Momus und nicht blos in die Literatur. Ihr ſeid die großen Geiſter; gut, ſchön, eminent: Ich laß euch eure Lorberkränze. Ich bin ein einfacher Pionier des neuen Lebens. Nur der Zungenſchnalzer verſteht mich, weil er den

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/390>, abgerufen am 22.11.2024.